DIE WOKE WÄRMEPUMPE

Wir schreiben das Jahr 2023 und die Entscheidung für eine Heizungstechnologie bestimmt den politischen Gradmesser zwischen Wokeness und AfD-Nähe. Willkommen im gesellschaftlichen Drama des Wärme-Wahnsinns um woke Wärmepumpen, verlotterte Diskurse, verwirrte Wähler.

Wer wissen will, wie sehr der Heizungswahnsinn Deutschland erfasst hat, dem lege ich den Artikel „In einem aufgeheizten Land“ auf der Seite 3 der Süddeutschen Zeitung vom 3.6.2023 ans Herzen. Darin begleitet Autor Jan Schmidbauer einen gutwilligen, gestandenen und nervenstarken Heizungsinstallateur auf seinen Beratungsterminen. Aus nachvollziehbaren Gründen empfiehlt er sowohl einem jungen Paar, einer älteren Dame als auch einem Bauern und dessen Sohn den Einbau einer Luft-Wärmepumpe, je nach Gegebenheit ergänzt durch Photovoltaik und weiteren Maßnahmen zur Energiegewinnung oder -einsparung. In allen drei Fällen wäre der Einbau einer Wärmepumpe technisch kein Problem. In jedem Fall führten diese Maßnahmen zu einer deutlichen Wertsteigerung der Immobilie bei gleichzeitiger Senkung der Betriebskosten. Zwei von drei entscheiden sich an diesem Tag dann für eine Gasheizung, der dritte für eine Ölheizung. 

Mit ihrer Entscheidung reduzieren sowohl die ältere Dame als auch das junge Paar – bei beiden ist die bestehende Heizung kaputt, sie brauchen also so oder so eine neue – den Wert ihrer Immobilie um geschätzte 50.000 EUR  – statt ihn um 50.000 EUR zu steigern. Denn wohl dem, der heute schon ein Haus mit einer modernen Heizung hat. Den Bauern mit der Ölheizung bzw. seinen Sohn werden wir dann in spätestens zehn Jahren auf einer Demo gegen die EU und die explodierenden Heizöl-Kosten wieder treffen.

Eine nicht minder ernüchternde Anekdote des Heizungsmonteurs: Nach dem Einbau einer Luft-Wärmepumpe in einem Neubauobjekt habe sich der Nachbar in den Tagen danach über die Lärmbelästigung beschwert. Zu einem Zeitpunkt, als der Monteur die Heizung noch gar nicht angeschaltet hatte. 

Umweltschutz und Klimawandel spielten bei der Entscheidung keine Rolle – auch nicht bei den jungen Eltern. Eher drängt sich der Verdacht auf, dass die Wahl der (Alt-)Technologien ideologiegetrieben waren.

Willkommen im Deutschland des Jahres 2023, in dem eine Luft-Wärmepumpe Zeichen von Wokeness zu sein scheint und man lieber dem Habeck eines auswischt, als sich selbst und seinen Nachkommen etwas Gutes zu tun.

Wie konnte es soweit kommen und wer treibt diesen Irrsinn, der Menschen zu offensichtlichen und kostenintensiven Fehlentscheidungen animiert, eigentlich an? 

Das Wärmepumpen-Desaster ist nur ein Aspekt eines verlotterten politischen Diskurses bei gleichzeitigem Click-Bait-Kalkül vieler Medienhäuser im Augenblick höchster Verunsicherung der Öffentlichkeit angesichts multipler Krisen, einer verkrachten Regierung und einer Opposition, die ihre Orientierungslosigkeit mit populistischer Rhetorik zu kaschieren versucht.

Die Mischung macht’s. Und diese Mischung ist toxisch.

Denn sie erfüllt alle Voraussetzungen für eine Abwärtsspirale im gesellschaftlichen Diskurs, die schwer wenn überhaupt wieder umzukehren ist.

Beginnen wir bei Punkt 1: Der verlotterte politische Diskurs

Kein verantwortungsvoll handelnder Akteur kann ein Interesse daran haben, dass Immobilienbesitzer im Jahre 2023, 2024 und erst recht nicht in den folgenden Jahren, neue Heizungen einbauen bzw. alte ersetzen, die maßgeblich oder sogar ausschließlich mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. 

Selbst wenn man der Meinung ist, dass man dies nur dringend empfehlen und nicht gesetzlich vorschreiben sollte, muss die Empfehlung immer lauten: 

„Liebe Leute, baut keine neuen Gas- oder Ölheizungen ein, sondern setzt auf Wärmepumpen, Solar und Photovoltaik – sowie auf alle Alternativen, die bei euch in der Region zur Verfügung stehen. Zu eurem eigenen Nutzen. Ihr schadet euch, dem Wert eurer Immobilie und ganz nebenbei auch noch der Umwelt, wenn ihr das anders macht.“ – Mit freundlichen Grüßen CDU/CSU, FDP, SPD, Grüne, Linke, FW.

Was wir stattdessen zu hören und sehen bekommen sind substanzlose Phantasien von E-Fuels, angeblicher Technologieoffenheit (FDP) und einem „Heizungs-Hammer“ (CDU/BILD). Die CDU sammelt sogar Unterschriften mit der Argumentation „Dieser Heizungs-Hammer trifft die Menschen mit voller Wucht. Viele haben Angst …“ Eine Angst, welche die Partei wider besseren Wissens selbst schürt. 

In der CDU-Kampagne findet sich kein einziger Hinweis darauf, dass es grundsätzlich schon sehr sinnvoll wäre, auf erneuerbare Energien umzusteigen.

Es findet sich auch kein Hinweis darauf, dass in dem bisherigen Entwurf nur irreparabel defekte Heizungen in Bestandsbauten und Neubauten betroffen sind. Was bedeutet, dass alle mit einer funktionierenden Heizung sich sowieso um gar nichts kümmern müssen und diese auch erst ersetzen müssen, wenn sie nicht mehr repariert werden kann – also dann, wenn sie sowieso eine neue Heizung brauchen. Wie bisher warten Häuslebesitzer also darauf, dass irgendwann einmal die Heizung den Geist aufgibt. Ob das in 5, 10, 15 oder 20 Jahren ist. Und dann kauft man wie bisher eine neue. Und wählt aus dem dann verfügbaren Angebot. 

Stattdessen weisen eigentlich wirtschaftsfreundliche Parteien ihrer eigenen Klientel einen Weg, der wie in dem erwähnten Artikel zu einer offensichtlichen Wertevernichtung führt.

Punkt 2: Der mediale Click-Bait-Hammer

Überschriften, die bei diesem aber auch anderen Themen mit bewusst verzerrten oder ins groteske verkehrten „Informationen“ arbeiten, betreffen nicht nur die BILD. Sie sind allgegenwärtig.

Besonders der Hinweis darauf, dass es hier nicht um ein Verbot bestehender Heizungen geht, wird nicht nur in der Headline sondern gerne auch im Text selbst unterschlagen. Sehr ähnlich wie schon beim angeblichen EU-weiten „Verbrennerverbot“ 2035, bei dem es ausschließlich um die NEUZULASSUNG von Fahrzeugen geht. In mehr als einem Jahrzehnt werden also keine Verbrenner mehr neu zugelassen. Keiner muss seine zuvor erworbene Möhre aufgeben, sondern kann sie fahren, bis sie ihm unter dem Hintern wegrostet.

Aber die Erfahrung zeigt: Wer Aufregung schürt, erhält Aufmerksamkeit.

Dass diese aufregende bis verhetzende Methode vor allem unvollständige oder „Alternative Wahrheiten“ produziert und damit den Diskurs in einer Gesellschaft vergiftet – das ist der Preis, den wir am Ende alle zahlen.

Punkt 3: Multiple Krisen und eine verkrachte Regierung.

Wer diesem Blog folgt weiß, dass die zentrale Aufgabe einer Regierung in Zeiten multipler Krisen darin besteht, Orientierung und Halt zu bieten. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Die Folgen: Vertrauensverluste für ausnahmslos alle demokratischen Akteure und Institutionen auf breiter Ebene.

Das Vertrauen in die politische Führung Deutschlands erodiert und ist gleichzeitig hoch volatil. Politiker:innen werden in bisher nicht gekanntem Ausmaß in der Beliebtheit nach oben katapultiert, nur um wenige Monate später das Schlusslicht zu bilden. Baerbock, Spahn, Habeck, Lauterbach – es ist ein einzige Achterbahnfahrt. 

Sehr deutlich wird dies in den seit Jahrzehnten erhobenen Daten der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF. Zum Beispiel bei der Bewertung der Spitzenpolitiker:innen. Über die letzten dreißig Jahre notierten dort selbst mäßig beliebte Politiker:innen fast durchgehend im deutlich positiven Bereich auf einer Skala von +5  bis -5. Ein ordentlicher Mittelwert lag bei etwa 1.0, ein Spitzenwert bei 2.0. Eher schlecht bewertet wurde man mit 0,5.

Angela Merkel notierte zum Ende ihrer Amtszeit im Mai 2021 bei +2,2, Olaf Scholz landete bei +1,0 das Schlusslicht bildete Christian Lindner mit 0,0. Niemand in der Top 10 notierte negativ. Der Bundesregierung attestierten 62% der Befragten, einen „guten Job“ zu machen. (Politbarometer KW 18 2021). Diese ungefähre Bandbreite der Werte hatten über fast drei Jahrzehnte Bestand. Aber nicht mehr in den letzten Monaten.

Im Mai 2023 attestiert nur eine Minderheit von 41% der Bundesregierung eine gute Arbeit. Die Top 10 der Politiker:innen sinkt schon nach dem 3. Platz in den negativen Bereich (1. Pistorius +1,7;  2. Scholz +0,5, 3. Baerbock 0,0.). Die Repräsentant:innen der Opposition profitieren im Gegenzug nicht von dem schlechten Erscheinungsbild der Bundesregierung. Oppositionsführer Merz landet mit -0,3 noch vor Söder (-0,4). Einstmalige Spitzenreiter wie Lauterbach (-0,1) oder Habeck (-0,6) werden nach unten durchgereicht. Deutliches Schlusslicht ist Frau Wagenknecht mit -1,4.

Diese und noch viele weitere Daten bezeugen, dass zwischen 2021 und 2023 ein deutlicher Vertrauensverlust in die handelnden Akteure an der Spitze von Regierung und Opposition stattfand.

Merz, Söder und auch mal wieder Spahn suchen nun ihr Heil einmal mehr am rechten Rand der Rhetorik und bedienen sich dem beliebten AfD-Sprech vom Heizungs-, Gender-, Migrations-Wahnsinn. 

Wie schon so oft bewiesen – nicht nur in Deutschland – gewinnen sie damit nichts, stärken aber die AfD. 

Die FDP versucht sich weiter an dem in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mehrfach gescheiterten Weg der Opposition in der Koalition, die Grünen irrlichtern, reflektieren und reagieren weiter glücklos kommunikativ und die SPD versucht sich mal wieder darin, es allen und damit niemandem recht zu machen.

Na, herzlichen Glückwunsch uns allen.

Noch erweist sich Deutschland als relativ stabil in Bezug auf einen ausufernden Populismus. Aber die Entwicklung ist keine Gute – die Richtung falsch und die Konsequenzen bedrohlich.

So, ich gehe jetzt wieder in den Keller und streichle unsere Luft-Wärme-Pumpe, die aktuell im Sommerschlaf ruht, aber dennoch etwas Liebe und Zuneigung verdient hat. Sie arbeitet seit 2007 verlässlich in unserer Reihenhaussiedlung und leidet an dem Maß an Mißtrauen, Ausgrenzung und Häme, das ihr zur Zeit entgegenschlägt.

Warum, FDP?

Seit der Bundestagswahl 2021 hat die FDP über die Hälfte ihrer Anhänger*innen verloren, flog aus den Parlamenten des Saarlandes, Niedersachsens, Berlins sowie aus den Regierungen in NRW und Schleswig-Holstein. In Bremen und Bayern sieht’s auch nicht gut aus. Was ist passiert?

Der Anfang im Herbst/Winter 2021 begann vielversprechend. Und auch mit guter Laune. Und mit schönen Bildern. Vor allem aber auch mit 11,5% Stimmenanteil der Bundestagswahl vom 26.9.2021 im Rücken. Nur 3,3 Punkte hinter den Grünen (14,8%), die immerhin um das Kanzleramt mitspielen hatten wollen, knapp halb so stark wie CDU/CSU (24,1%), vor der AfD (10,3%) und der Linken sowieso (4,9%).

Die FDP-Spitze traf sich mit der Grünen-Spitze auch schon mal ohne die SPD – einen Ausfall wie bei den gescheiterten Verhandlungen 2017 mit Kanzlerin Merkel wollte man auf jeden Fall vermeiden. Dass die Union nach 16 Jahren mal wieder in die Opposition gehen musste kam auch gelegen, denn man spekulierte in der FDP nicht ohne Grund darauf, einigen der moderneren Unionsanhänger*innen aus dem ehemaligen Merkel-Lager auch längerfristig bei den Liberalen eine neue Heimat bieten zu können.

Now, all of that shot to shit. Oder höflicher: Die Rechnung ging nicht auf. Der Gründe gibt es viele, aber die FDP sucht die Erklärungen leider in der Vergangenheit und nicht in der Gegenwart. Daraus entsteht keine Zukunft für eine liberale Partei, die viele Wähler*innen am Wahltag 2021 gerne haben wollten, aber die zu viele davon in den letzten Monaten enttäuschte.

Angetreten war die FDP als Bestandteil einer Fortschrittskoalition. Nun kann man aus der jeweiligen politischen Richtung auch jeden Rückschritt als Fortschritt definieren, aber bezieht man sich auf die in der Sozialforschung eher etablierten Definitionen, führt das wahrscheinlich weiter – und auch mitten ins Dilemma der FDP.

In den vergangenen Jahren – oder nunmehr fast über ein Jahrzehnt – haben sich einige Modelle etabliert, um die politische Landschaft in modernen Demokratien an den heute dominierenden gesellschaftspolitischen Fragen entlang einzuordnen. Also in Ergänzung bzw. als Fortentwicklung zu den früher dominierenden Determinanten (sozioökonomischen Status, Bildungsgrad, Region,  Religionszugehörigkeit etc.), die heute eine geringere Rolle spielen. Hierzu hat etwa das Institut Pollytix über die vergangenen Jahre ein Modell entwickelt und verfeinert. 

Zu diesen „neuen“ Faktoren zählen, wie man zur Demokratie als Staatsform überhaupt steht, ob man möchte, dass der Staat soziale Ungerechtigkeiten ausgleicht, wie man zum Klimawandel und der Dringlichkeit der Maßnahmen zum Schutz der Umwelt steht, ob man in der Digitalisierung eher eine Bedrohung oder eine Chance sieht, wie man sich zu Einwanderung und Globalisierung positioniert und wie sehr man die Gleichberechtigung von Frauen aber auch von Minderheiten wünscht etc. 

Diese hier vereinfacht wiedergegeben gesellschaftlichen Fragen und vor allem die Antworten darauf, spielen heute quer durch alle Schichten bei der Stimmabgabe eine wichtige – oft sogar eine gewichtigere – Rolle als die früheren. So kann zum Beispiel ein Geringverdiener gegen seine ökonomischen Interessen (Mindestlohn, Sozialtransfer, Arbeitnehmer*innenrechte) stimmen, weil er lieber eine Partei wählt, die mit sozialer Politik nichts am Hut hat, aber am lautesten gegen die Coronapolitik wettert. Ebenso kann ein Professor im Staatsdienst Antidemokrat sein und eine Millionärin glühende Anhängerin eines funktionierenden Sozialstaates. 

Zurück zur FDP. Die größte Zielgruppe für die FDP findet sich logischer Weise in dem Segment „Leistungsorientierte Liberale“, das ungefähr 12% der Wahlberechtigten ausmacht. Das ist das liberale Kernpotential – von dem man aus oben genannten Gründen nie 100% erreichen kann. In dieser Gruppe dominieren Weltoffenheit, Gleichberechtigung und Toleranz, eine eher positive Grundeinstellung zu Zuwanderung und Digitalisierung bei einem starken Glauben an sich selbst und der Ablehnung sozialer Umverteilung. Maßnahmen zum Klimaschutz steht man eher neutral gegenüber. 

Mit Ausnahme der sozialen Umverteilung haben die „Leistungsorientierten Liberalen“ die größten Schnittmengen mit der ganz gut situierten aber – wie der Name schon sagt – auch stark geforderten „Gehetzten Mitte“ (mit ca. 16% der Wahlberechtigten das größte Segment). Dies Gruppe legt aber sehr großen Wert auf Klimaschutz. Grundsätzlich wäre dies also ein sehr gut erreichbares Potential für eine liberale Partei, denn leistungsorientiert ist diese Gruppe eindeutig auch.

Aber diese dem Klimaschutz sehr zugewandten Menschen haben mit einer FDP ein sehr großes Problem, die vom Diesel über die Ölheizung bis zum Tempolimit dem Klimaschutz diametral entgegensteht.

Regelrechte Klimaschutzhasser finden sich in Deutschland aber fast nur noch bei den sogenannten „Antimodernen Konservativen“ (8%). Die hassen allerdings alles – Gleichberechtigung, Toleranz, Weltoffenheit, soziale Umverteilung etc. Meist wählen diese auch AfD. 

Mit ihrer Rhetorik gegen die allgemein als modern und zunehmend auch als wirtschaftlich vernünftig angesehene Umweltpolitik, bedient die FDP nur noch die „Antimodernen Konservativen“, die mit liberaler Gesellschaftspolitik absolut nichts am Hut haben. Also nichts mit Gleichberechtigung, Toleranz, Freiheit, Ehe für Alle und so weiter und so fort. Es ist ein schrumpfendes Segment, das auch stark polarisiert. Beim Versuch, diese Leute anzusprechen, verschreckt man sehr viele andere, die leichter zu erreichen wären. Was exakt auch passiert.

Das Dilemma der FDP-Führung ist nun, dass die wenigen noch übrig gebliebenen FDP Wähler (heute noch ca. 5%) auch nur noch die übrig gebliebenen Hardliner repräsentieren. Wenn Meinungsforscher*innen dieses Segment überhaupt noch aufspüren (und befragen) können, erhalten sie auch nur noch Antworten von FDP-Ultras (Staat mischt sich zu sehr ein, Tempolimit ist Mist, Diesel ist geil, Corona Maßnahmen falsch, Klimaschutz ist Firlefranz….) Denn die anderen – zu erreichenden Wähler*innen der FDP bekennen sich aktuell nicht mehr zur FDP und werden daher auch nicht als FDP Anhänger*innen erfasst. Sie könnten es aber wieder oder erstmals werden. 

Die Partei reitet sich immer weiter in die Bredouille. Denn die FDP-Ultras (sichtbarster Repräsentant ist z.B. Wolfgang Kubicki) schlagen alle möglichen modernen Wähler*innen der FDP mit Schmackes in die Flucht. Gleichzeitig hat die Union mit Friedrich Merz einen konservativen Hardliner an der Spitze, den eigentlich niemand leiden mag – außer ausgerechnet die „Antimodernen Konservativen“. Siehe Politikerranking der Forschungsgruppe Wahlen (FGW) für das ZDF 17.3.2023: Friedrich Merz -0,4 = drittletzter Platz nur noch vor S. Wagenknecht und A. Weidel. Die FDP begibt sich also selbst hier noch ohne Not in Konkurrenz mit einem für sie sowieso kaum erreichbaren Segment.

Die FDP – um jeder Legendenbildung entgegenzutreten – wurde nicht für ihren Eintritt in die Ampelkoalition bestraft. Im Gegenteil. Nachdem sie ihre Bereitschaft für ein Ampelbündnis bekundet hatte, stieg sie sogar auf 14% (FGW, 29.10.21). Seither wird sie für ihr Verhalten in dieser Koalition betraft. Am 17.3.2023 steht die SPD bei 21% (-4,7 zur BTW) die Grünen bei 19% (+4,2) und die FDP bei 5% (-6,5). 

Die FDP wird also nicht verschmäht, weil sie Teil der „Fortschrittskoalition“ ist, sondern aufgrund ihrer rückschrittlichen Umweltpolitik. Dieses Thema kann man den Grünen zwar nicht mehr „wegnehmen“ – aber man macht sich für viele moderne Wähler*innen unwählbar, wenn man Klimaschutzpolitik in der öffentlichen Wahrnehmung geradezu ablehnt. Dass die FDP darüberhinaus in fiskalischen Fragen, gesellschaftlichen, rechtsstaatlichen oder auch sozialpolitischen Fragen anders tickt, würde ihr verziehen oder sogar von den Segmenten die für die FDP empfänglich sind, goutiert.

Die FDP stößt gerade alle vor den Kopf. Sie befindet sich in einem Untergangsszenario, das die SPD sehr gut kennt/kannte. Auch dort versuchte man viel zu lange, verlorene Wähler*innen zurückzugewinnen, statt sich neue Wählerschichten zu erschließen. Daraus resultierte das für die SPD völlig verlorene Jahrzehnt zwischen 2009-2019, das nur eine Richtung kannte: Abwärts.

Die größte Chance hat die FDP vor 2018 verpasst, als sie mit ihrem durchaus attraktiven Personalangebot den weniger attraktiven Grünen vor der Ära Baerbock/Habeck richtig gefährlich hätte werden können. Tatsächlich hat die FDP auch mehr Wähler*innen an die Grünen verloren, als sie das selbst wahrhaben will. Nicht alle sind dort glücklich, aber die FDP baut ihnen keine Brücke zu sich. 

Noch ist es nicht zu spät. Wenn die FDP einem modernen Erscheinungsbild auch eine moderne Programmatik folgen ließe. Es gibt ein Potenzial von gut 20%  leistungsorientierten und grundsätzlich auch liberalen  Wähler*innen, die fiskalisch seriöse, gesellschaftlich moderne wirtschaftsfördernde und bürokratieabbauende Politik schätzen   – wenn sie auch den Umwelt- und Klimaschutz glaubwürdig vertritt.

Der geradezu verbissen geführte Kampf der FDP gegen den Klimaschutz ist ihre Achillesferse und möglicherweise auch ihr Untergang. Sie mag dafür vielleicht Beifall in den Foren, bei verknöcherten Alt-Unternehmern und bei den FDP-Ultras bekommen. Aber nicht an der Wahlurne.

Das größte Hindernis für eine erfolgreiche, moderne, liberale Partei in Deutschland ist die FDP.

Die Selbstpulverisierung der SPD Berlin.

Auf Basis falscher Wahlanalysen treiben die Parteivorsitzenden Giffey und Saleh die Partei in einen Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Bei der nächsten Wahl droht der SPD in Berlin die Bedeutungslosigkeit.

Das Ergebnis war eine Katastrophe. Das Ergebnis der SPD Berlin am 26. September 2021 – dem Tag der Bundestagswahl und in Berlin auch noch der Wahlen zum Abgeordnetenhaus, zu den Bezirksverordnetenversammlungen, dem Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ und des Berlin-Marathons,  blieb deutlich unter den eigenen Hoffnungen. Die Partei hatte zuvor den nicht so wirklich glücklich wirkenden Regierenden Bürgermeister Michael Müller zum Abschied auf Raten „überredet“, um mit der neuen Spitzenkandidatin Franziska Giffey zu punkten. Die SPD wollte wieder an Wahlergebnisse eines Klaus Wowereit um die 30% anknüpfen. Aber der Wahlkampf in Berlin hätte nicht schlimmer laufen können. Wo auch immer sich die Gelegenheit bot, machte die Kandidatin deutlich, dass ihr eine Koalition mit CDU und im Zweifel auch noch FDP („Deutschland-Koalition“) lieber wäre, als das Rot-Grün-Rote Bündnis ihres Amtsvorgängers fortzuführen. 

Und das mitten in einem Wahlkampf, in dem gleichzeitig die Bundes-SPD alles daran setzte, die Menschen davon zu überzeugen, dass eine Regierung ohne CDU/CSU der einzige Weg sei, um endlich dringend notwendige Reformen im Land angehen zu können. Am deutlichsten widersprach Giffey den Initiator*innen des Volksentscheides „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Über deren Anliegen lässt sich trefflich streiten – aber dass den Berliner*innen der Ist-Zustand auf dem Wohnungsmarkt nach zwanzig Jahren SPD-geführtem Senat mehr als ungenügend erschien, war offensichtlich.

Der Wahltag war dann ein mehrfaches Desaster. Das größte Desaster, das schließlich zu Neuwahlen führte, wurde bereits ausreichend erörtert. Für die SPD aber war das eigentliche Ergebnis auch schon ernüchternd genug. Die SPD Berlin kam bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2021 auf nur 21,4% der Stimmen – und unterbot damit das Ergebnis von Michael Müller 2016 (21,6%). Während Müller noch auf einen Abstand von vier Prozentpunkten zur zweitplatzierten CDU kam, landete die SPD mit Giffey nur noch 2,5 Prozentpunkte vor den Grünen. 

Und nicht nur das: Während die Bundes-SPD ihr Wahlergebnis 2021 in Berlin im Vergleich zu 2017 um 5,6 Prozentpunkte auf 23,4% steigern konnte – schaffte es die SPD Berlin am selben Wahltag, Stimmanteile zu verlieren. Also am Tag, als Deutschland erstmals seit gut zwei Jahrzehnten die SPD zur stärksten Partei im Bund machte. Es kam noch schlimmer. Der Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, wurde von den Berliner*innen mit satten 59,1% angenommen. Wie weit, so fragte man sich, kann sich eine Großstadt-SPD eigentlich noch von ihrer Klientel entfernen?

Im Vergleich zu 2016 waren die Grünen die Gewinner*innen der Wahl 2021 und verbesserten sich um 3,7 Punkte auf das mit 18,9% beste Ergebnis ihrer Geschichte. Schon im Vorfeld der Wahl 2021 wurde deutlich, dass sich kein Giffey-Effekt für die SPD einstellen wollte. In den Umfragen tat sich nach ihrer Nominierung absolut nichts. Am Wahltag lag Giffey nach den Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen in der Direktwahl bei 39% – aber selbst Müller lag 2016 noch bei 54%. Die Spitzenkandidatin hatte zu diesem Zeitpunkt zwar noch keinen „Amtsbonus“ erarbeiten können – aber diesen würde sie auch im Amt nicht mehr bekommen. Ihre Direktwahl-Quote lag 2023 noch unter der von 2021 – bei 32%. Ein Amtsmalus. Klaus Wowereit, zur Erinnerung, lag gerne mal bei 65%. 

Schon 2021 machten die Berliner*innen also deutlich, dass sie in der Spitzenkandidatin kein überzeugendes personelles Angebot der SPD sahen. Die Berliner*innen fremdelten mit Franziska Giffey und Franziska Giffey mit Berlin. So blieb es auch. Die drängendsten Probleme, damals wie heute, waren der Miet- und Wohnungsmarkt und die Verkehrswende – aber in dieser Kandidatin sahen sie keine Zukunftskompetenz.

Die Forschungsgruppe Wahlen schreibt in ihrer Wahlanalyse zur Wahl 2023:

„Spitzenkandidat/innen: Giffey ohne Zugkraft: Mitverantwortlich für das schwache SPD-Ergebnis ist eine Spitzenkandidatin, die weit weniger Zugkraft entfaltet als andere Länder-Regierungschefs. […] Beim Ansehen verfehlt Giffey klar das Niveau ihrer Amtsvorgänger Michael Müller oder Klaus Wowereit und liegt auf der +5/-5-Skala mit 0,4 (2021: 0,9) nur knapp vor Kai Wegner (CDU), der – wie alle Berliner CDU-Kandidaten seit 2001 – mit 0,3 (2021: 0,1) ebenfalls schwach bleibt.“ 

Schwach blieb die Regierende Bürgermeisterin auch in der Aufarbeitung der Wahlunregelmäßigkeiten 2021, die zwar nicht von ihr, aber von einem ihrer Senatoren zu verantworten waren. Er durfte bleiben. Ein konsequentes Durchgreifen, wie es etwa Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz nach ihrer Amtsübernahme demonstriert hatte, blieb aus.

Es blieb – und bleibt – überhaupt so vieles aus. Vor allem die Aufarbeitung der beiden Wahlklatschen 2021 und 2023. Giffey und ihr Co-Vorsitzender Saleh gingen und gehen wohl davon aus, dass die Berliner*innen eine konservative Wende gewählt hätten. Das ist objektiv nicht der Fall und zu diesem Schluss kann man nur kommen, wenn man sich selbst aus der Verantwortung nehmen will. Faktisch hat die CDU deutlich zugelegt, die FDP flog dafür aus dem Parlament und damit liegt der konservative Anteil in Berlin bei 28% im Abgeordnetenhaus (die AfD mit 9,1% ist ja für niemanden als Partner diskutabel).

Tatsächlich haben die Berliner*innen – wie schon so oft – eine satte progressive parlamentarische Mehrheit (90 von 159 Mandaten) in der Stadt gewählt – ohne progressive Politik zu bekommen. Sie haben die SPD eher nicht gewählt, weil sie ihnen zu wenig fortschrittlich war. Weil sie das Gefühl vermittelt bekamen, dass diese SPD dem Fortschritt regelrecht im Wege stehe. Dabei geht es nicht immer darum, ob es so war – sondern ob es so schien. Und den Eindruck der SPD als Bremserin in dieser Koalition konnte man durchaus bekommen.

Die CDU profitierte 2023 von einem Mobilisierungserfolg – auch auf Kosten der FDP übrigens – und vor allem auch von einem Mobilisierungsdefizit der SPD. Hervorgerufen auch durch die SPD- „Kompetenzverluste im Bereich ‚Wohnungsmarkt‘“ – so die Forschungsgruppe Wahlen in ihrer Analyse. Was für ein Wunder, wenn man sich gegen 60% der Bevölkerung stellt.

Dabei gab es auch viele Fehler der anderen – allen voran die überflüssige Friedrichstraßenaktion der Grünen. Eine Symbolpolitik rund um eine trostlos verbaute Straße, die außer ein paar Lobbyisten aus umliegenden Büros niemand aufsucht, niemand mag und die Berliner*innen nur nutzen, um von ihr weg zu kommen. Wenn man schon Verkehr beruhigen will, warum nicht da, wo Menschen leben? An der Nummer war alles falsch, sie hat die Grünen auch Stimmen gekostet – aber das löst nicht das Problem der SPD. Ohne ihren Friedrichstraßenmurks wären die Grünen ja deutlich vor der SPD gelandet (mit einer überzeugenderen Spitzenkandidatur sowieso – auch schon 2021).

Der SPD ist es 2023 nicht gelungen, sich wie im Bund 2021 von den Grünen durch progressive und programmatische Kompetenz abzusetzen und wieder deutlich stärkste fortschrittliche Kraft in der Stadt zu werden. Olaf Scholz verkörperte 2021 mehr Progressivität – und vermittelte vor allem auch mehr konkrete progressive Politik als die SPD-Spitze in der größten Metropole Deutschlands. 

Die SPD trägt bei vielen Wähler*innen immer noch die Grundvermutung in sich, dass sie sich bei progressiven Mehrheiten auch für einen fortschrittlichen Kurs entscheiden wird. Vor allem in einer Stadt wie Berlin. Es war in diesem Wahlkampf daher nicht leicht, die Wähler*innen davon zu überzeugen, nach all den Jahren und all den Pannen, diesmal doch noch einmal SPD zu wählen. Das beste Argument war immer, die CDU zu verhindern. Es war auch oft das letzte Argument. Positive Argumente für die SPD – personell oder programmatisch – die auch im Gespräch gezündet hätten, gab es nicht. 

Natürlich ist die Lage nach dieser Wahl schwierig. Aber in der Wahlanalyse der Forschungsgruppe Wahlen wie in der anderer Institute steht auch klar zu lesen: „Neben einer rot-grün-roten Neuauflage gehen die Berliner/innen auch zu sämtlichen anderen denkbaren Koalitionen auf Distanz.“

Sollte die SPD nun geradezu anbiedernd ihr Heil in den Armen der CDU suchen, machte sie sich in dieser Stadt endgültig überflüssig. Eine schwächere Verhandlungsposition kann man sich ja gar nicht schaffen. Es ist ein strategisch völlig falscher Schritt auf Basis einer völlig falschen Analyse. Die SPD muss natürlich auch gar nicht regieren, sondern könnte auch mal versuchen, sich in der Opposition neu zu sammeln. Auch dann mit neuem Köpfen und neuen Inhalten. 

Aber eine Große Koalition ohne Not? Die SPD hat noch nicht einmal ein demokratietheoretisches Argument auf ihrer Seite, sich der CDU anzudienen. Es gilt nicht, einen Rechtsruck mit der AfD oder sonst etwas dramatisches zu verhindern. Mit ihrem Schritt in Richtung CDU verhindert die SPD nur sich selbst. Also einen Senat unter SPD Führung, der gerade – wenn auch knapp – bestätigt wurde. Wie absurd ist das denn?

Wäre es nicht am vernünftigsten, einer progressiven Mehrheit in Berlin auch einmal einen progressiven Senat folgen zu lassen? 

Dieser Rot-Grün-Rote Senat ist trotz widriger Umstände wiedergewählt worden. Die stärksten – wenn auch überschaubaren – Verluste im progressiven Lager, hat dabei die SPD erlitten. 

Dieser Senat – einschließlich seiner Chefin – hat also vom Volk die Chance bekommen, es besser zu machen als im ersten Anlauf. Die Berliner*innen haben Rot-Grün-Rot bestätigt. Und nicht einmal knapp. Das Bündnis verfügt über 90 von 159 Sitzen – Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün über 86. Was gibt es daran nicht zu verstehen?

Wäre es jetzt für die SPD nicht Zeit, es mit einem wirklich progressiven Senat zu versuchen? Nicht auf der Bremse zu stehen, sondern vorneweg ein progressives Bündnis anzuführen, das die Mehrheit der Berliner*innen 2021 gewählt und 2023 im Amt bestätigt haben? Es wäre die Chance auf den ersten progressiven Senat unter SPD-Führung seit Jahren.

Der Autor hat die Wahlkämpfe der SPD in Berlin 2001, 2006, 2011 und 2016 betreut und ist Autor des Spiegel-Bestsellers „Höllenritt Wahlkampf- ein Insider Bericht“.

Im deutschen Interesse.

In Kriegszeiten ist Naivität gepaart mit Unerfahrenheit nicht nur falsch und teuer, sondern gefährlich. Und in Kriegszeiten dient Geschwätzigkeit nur dem Gegner – und der heißt Putin. Dass der Bundeskanzler nicht jeden Tag oder gar stündlich Einblicke in sein strategisches Vorgehen gewährt, hat wohl mit der nicht ganz falschen Grundannahme zu tun, dass eine Strategie sich nur dann entfalten kann, wenn sie nicht öffentlich ist. Und auch nur dann aufgehen kann.

Olaf Scholz sagt, was er tut und tut, was er sagt. In den letzten Wochen wurde ich häufiger gefragt, was Scholz eigentlich vorhabe und meine Antwort war immer die gleiche: Es ist aus meiner Sicht kein Geheimnis, was er prinzipiell vorhat. Es ist das, was er immer gesagt hat: Eine effektive Unterstützung der Ukraine in enger Abstimmung – und auch im Einklang mit den Partnern bei Erhaltung des Grundsatzes, dass Deutschland zwar Partei nimmt, aber keine Kriegspartei wird.

Er fördert die Unterstützung der Ukraine und fordert von den Partnern ebenfalls diese Unterstützung ein. Klar, beständig und im Zweifel auch hart. Scholz ist zwar ein neuer Bundeskanzler, aber eben auch ein alter Hase, der weiß, dass man manchmal Druck aushalten muss – und zwar im Interesse aller. 

Internationale Verhandlungen sind kein Kaffeekränzchen und es geht auch nicht darum, von allen immer geliebt zu werden. Everybody’s Darling is everybody’s Depp und wird im Zweifelsfall ausgenommen wie eine fette Weihnachtsgans. Deutschland weckt als starkes Land viele Begehrlichkeiten, die es auch aus Selbstschutz nicht immer erfüllen kann. Hinzu kommen knallharte auch finanzielle Interessen anderer Länder, die mit dem Wohl der Ukraine nur bedingt zu tun haben. Was Deutschland zahlt und liefert, müssen andere nicht liefern und zahlen. Je defensiver Deutschland in Verhandlungen gehen muss, desto besser für alle anderen.

Einige PolitikerInnen und MedienvertreterInnen haben in den letzten Wochen vielleicht aus guten Beweggründen aber mit dem völlig falschen Ergebnis eher die Interessen anderer Länder vertreten als die Interessen Deutschlands. Sie haben – ohne deren Beweggründe zu hinterfragen – anonym geäußerte „Verstimmungen“ oder „Kopfschütteln über den Bundeskanzler“ aus Regierungskreisen anderer Länder verbreitet und sich nicht selten auch zu eigen gemacht. Das ist aber nicht relevant. Wir schütteln ja auch häufiger mal den Kopf über zum Teil sogar  demokratiefeindliche Tendenzen in Nachbarländern.

Ein schwacher Kanzler hätte dem medialen Druck und auch dem ein oder anderen Versuch aus dem Ausland, zusätzlichen Druck aufzubauen, nicht standgehalten. Zum Nachteil Deutschlands und der Ukraine. Denn was wäre denn gewonnen gewesen, wenn Deutschland gleich eine handvoll Panzer geliefert hätte – ohne die USA, Frankreich und andere ebenso für weitere Maßnahmen zu gewinnen? Reine Symbolpolitik. Twitterfähig, instagrammable, talkshowgeeignet und weitgehend nutzlos, wenn nicht sogar gefährlich.

Die Naivität – manchmal gepaart mit durchaus glaubwürdiger emotionaler Überwältigung – der schärfsten KritikerInnen des Bundeskanzlers, hatte das Potential, die Verhandlungsposition Deutschlands bereits im Vorfeld der Ramstein-Konferenz deutlich zu schwächen. Andere hätten diesem Druck nachgegeben. Der Bundeskanzler hat ihn zu recht ignoriert.

Olaf Scholz, das wurde hier bereits an anderer Stelle erwähnt, war zum Zeitpunkt seines Amtsantrittes einer der erfahrensten und qualifiziertesten Politiker, die Deutschland zu bieten hatte. Vor seiner Wahl zum Bundeskanzler war er ein auf internationaler Bühne geschätzter Bundesfinanzminister und Vizekanzler, zuvor zweifach gewählter Ministerpräsident und davor Bundesminister für Arbeit und Soziales. Viel mehr Erfahrung kann man nicht sammeln, um dieses Amt zu übernehmen. 

Ihm gegenüber steht ein Oppositionsführer, der sich zuvor eineinhalb Jahrzehnte Auszeit aus der Politik gegönnt hatte und bis heute über keinerlei Exekutiverfahrung verfügt. Aber auch in den die Regierung Scholz tragenden Koalitionsparteien finden sich einige AutodidaktInnen der internationalen Politik, die über keinerlei Regierungsexpertise verfügen – dafür aber über eine vermeintliche Medienkompetenz mit Dauerpräsenz. Sie haben sich und ihrem Anliegen in den letzten Tagen einen Bärendienst erwiesen.

Was Scholz prinzipiell will sagt er seit nunmehr gut einem Jahr immer wieder. Aber offenbar gibt es große Defizite im Zuhörvermögen anderer.

Auf der Strecke und vor allem im Ergebnis unterscheidet sich der Profi vom Amateur.

Der Führungsstärke des Bundeskanzlers ist es zu verdanken, dass die internationale Gemeinschaft sich zu einer wesentlich effektiveren Unterstützung der Ukraine bekannt hat, als es selbst seine lautstärksten KritikerInnen erträumt haben.

Olaf Scholz hat sich bereits über viele Jahre aber ganz besonders in diesen Tagen auf der Weltbühne etwas erarbeitet, was unserem Land noch weiteren Nutzen bringen wird: Respekt.