Es ist diese Zeit in der Kampagne.

Die Union hat in ihrem erratischen Kampf gegen den drohenden Untergang ihr letztes Pulver verschossen. Aber selbst das Pulver war nass. Wir biegen ein in die letzte Runde des „Mega-Giga-Supersexy-Superwahljahres.“

Die jüngsten Umfragen sind rund um den 17.9. eingetroffen und stabilisieren sich. Sie beinhalten alles, was die Union noch im Köcher hatte: Rot/Rot/Grün, Friedrich Merz, einen CDU-Wahlkämpfer, der im Nebenberuf Staatsanwalt in Osnabrück ist, einen CSU-Parteitag, zwei Trielle, unzählige weitere Formate von Arenen bis Klartexten und Uschi Glas.

Nach der Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF vom 17.9. trauen 67% der Befragten Armin Laschet das Amt des Bundeskanzlers nicht zu. Hingegen trauen 67% Olaf Scholz das Amt zu. 67% Nein : 67% Ja. Das ist desaströs für Armin Laschet und zeigt einmal mehr: Das Problem der Union in dieser Kampagne heißt Armin Laschet. Nur Armin Laschet konnte dieses Problem mit überzeugenden Auftritten lösen und es ist ihm nicht gelungen. Lässt man den Soziologen-Sprech einmal weg wird eines klar: Die Menschen in Deutschland können Armin Laschet einfach nicht ausstehen. So einfach ist das manchmal.

Die Laschet-Kampagne hat sich in den letzten Tagen entscheiden müssen, woher sie gegebenenfalls noch die letzten Stimmen zusammenkratzen kann, um doch noch vor der SPD ins Ziel zu kommen. Wenig originell hat sie sich für die FDP entschieden. Logisch ist das insofern, da die FDP nur deshalb zweistellig notiert, weil sie von dem Laschet-Fallout der Union profitiert. Ein Kandidat Söder hätte die FDP kleiner gehalten. Deshalb hat die Laschet-Kampagne Friedrich Merz wieder nach vorne geschoben. Daher spricht Armin Laschet plötzlich über „Entfesselung“ der Märkte und Bürokratieabbau. Das ist FDP-Sprech und heißt für die große Mehrheit der Bevölkerung übersetzt: Abbau von Arbeitnehmerrechten, Sozialstaat und Verbraucherschutz. Und genau hier zeigt sich das Dilemma: Diese Botschaften sind nur für die FDP-Klientel attraktiv und für absolut niemanden sonst. In einigen Umfragen klappt das: Die Union gewinnt 1-2 Punkte auf Kosten der FDP. Die Krux an der Sache: Da die SPD auch weiter stabil bleibt oder sogar dazugewinnt – zum Teil von den Grünen – kann es am Ende nicht einmal mehr für Jamaika reichen – der letzten Option Laschets auf das Kanzleramt.

Friedrich Merz ist seit gut 20 Jahren ein Scheinriese der deutschen Politik und hat dieses Alleinstellungsmerkmal erfolgreich verteidigt. Er ist eine von seiner Partei und Fraktion mehrfach abgelehnte Geheimwaffe für nichts. Und außerdem noch ein Mann ohne jegliche Regierungserfahrung. Heute notiert er in der „Beliebtheitsskala“ der Forschungsgruppe bei -0,3 auf dem vorletzten Platz. Hinter ihm nur noch: Armin Laschet (-0,4). Minus mal Minus ergibt für die Union in diesem Wahlkampf: Minus.

Gleichzeitig sehen wir, dass das Kompetenzthema der SPD „Soziale Gerechtigkeit“ bei der persönlichen Wahlentscheidung auf Platz 1 liegt (FGW). Die SPD legt auch in anderen Kompetenzfeldern zu und das bereits beständig in den vergangenen Wochen korrespondierend mit ihren besseren Umfragewerten und den positiven Werten für Olaf Scholz. Außerdem wird ihre Arbeit in der Bundesregierung mittlerweile deutlich besser bewertet als die der Union – auch das war bisher nicht der Fall gewesen.

Wir erleben die Postrationalisierung einer bereits getroffenen Entscheidung.

Das bedeutet, die Menschen haben sich für Olaf Scholz entschieden (und auch sehr stark gegen Armin Laschet). Dafür müssen sie jetzt aber SPD wählen. Damit das zusammenpasst, rechtfertigen sie diese eher „emotionale“ Entscheidung vor sich selbst – aber auch in ihrem persönlichen Umfeld – durch die rational zur SPD passenden Themen. Die SPD war auch nie so sehr in Misskredit, dass dies nicht möglich ist.

Für die SZ hatte ich vor ein paar Tagen geschrieben: „Die Menschen saufen sich jetzt die SPD schön, damit sie zu ihrer Entscheidung für Olaf Scholz passt.“ Das haben manche als kritisch gegenüber der SPD empfunden. Im Gegenteil! Alles an diesem Vergleich ist doch schön. Vor allem aber: Gegen so etwas ist die andere Seite natürlich völlig machtlos.

Hinzu kommt, dass Scholz tatsächlich diese sozialen Themen (12 EUR Mindestlohn, Rente – aber vor allem auch das Überthema „Respekt“) seit über einem Jahr für sich absteckt. Laschet ist in diesem Bereich völlig blank. In seinem Bestreben, Wähler von der FDP zurückzugewinnen, ist er außerdem gezwungen, deren traditionelle Themen („Entfesselung“, „Entbürokratisierung“) zu fahren. Für Soziales bleibt da gar kein Platz mehr. Und Friedrich Merz hat beim Thema soziale Gerechtigkeit imagemäßig so viel Kredit, wie RWE bei Fridays for Future. Der Nährboden für dieses Thema wurde zusätzlich durch Corona und die damit verbundenen Lohneinbußen oder gar Existenzängste geschaffen. Es ist also da – und die Union hat nichts zu bieten. Außer vielleicht die Mütterrente der CSU, die Laschet aber ablehnt. Hier zeigt sich einmal mehr, wie konfus und kaputt diese Unions-Kampagne ist. Nichts passt zueinander, nichts lässt einen vermuten, dass es jemals eine Strategie gab. Noch nicht einmal eine gescheiterte.

Was kann jetzt noch geschehen: Ich denke, dass der „Justizskandal aus Osnabrück“ oder die „Razzia bei Scholz“ (je nach Sichtweise) ein typischer Kampagnen-Aufreger kurz vor Toresschluss bleiben wird und keinen wirklich interessiert. Wir werden nach der Wahl nie wieder etwas davon hören. Case closed. Hoffentlich wird er besonders den Verantwortlichen in Osnabrück und anderen, die ihr Amt gerne instrumentalisieren wollten, eine Lehre sein: Noch funktionieren in Deutschland die Kontrollmechanismen auch der Medien gegenüber einer unzulässigen Einmischung in einen Wahlkampf. Diese Einmischung kam diesmal nicht von Wikileaks oder Putin-Trollen sondern direkt aus der Staatsanwaltschaft unter Mitwisserschaft der Niedersächsischen CDU-Justizministerin. Manchen in der Union ist scheinbar alles egal.

Gelaufen ist dieses Rennen aber erst am 26.9. Der Vorsprung der SPD vor der Union liegt bei 2-5 Prozentpunkten. Da haben wir schon an manchen Wahlabenden gesehen, dass da noch Überraschungen möglich sind. Dagegen sprechen alle vorliegenden anderen Werte, sowie der fehlende Trend zur Union.

Aber: Ein paar Grünen-Anhänger die den Vorsprung der SPD für zu sicher halten und wieder zu den Grünen zurückgehen, ein paar mehr FDP-Wähler und Unentschlossene, die am Ende doch noch unter Schmerzen Laschet wählen – und schon kann die Union doch noch vorne liegen.

Möglich ist auch, dass die SPD am Wahltag selbst noch einmal zulegt, weil der Trend Genosse ist und vor allem viele Laschet einfach verhindern wollen. Oder aber es bleibt alles in etwa so wie heute: Stabil.

Wenn der Pulverdampf verzogen ist, wird jedenfalls eines bleiben: Der kurioseste Wahlkampf der Nachkriegsgeschichte.

Und eines, was man kaum noch für möglich gehalten hatte: Eine nahezu perfekte SPD-Kampagne. Basierend auf einer klaren Strategie, klaren Verantwortlichkeiten, einem absolut geschlossenen Führungsteam, einem teamfähigen Spitzenkandidaten und einem klaren Plan. Wie auch immer das Ergebnis am Ende aussehen wird: Die SPD wird am oberen Ende ihrer Möglichkeiten landen und die Union unterhalb ihrer schlimmsten Albträume.

Ja, die SPD profitiert von den Fehlern der anderen. Aber sie konnte das nur, weil sie selbst perfekt vorbereitet war. Sie hat aus ihren Fehlern der vergangenen beiden Wahlen gelernt und alle Erwartungen übertroffen.

„Erst kommt das Team, dann folgt der Untergang“ – Das heute-journal Interview

Marietta Slomka führte für das heute journal vom 3.9.2021 ein Interview mit mir zu den jüngsten Zahlen des ZDF Politbarometers aber auch zur Teamvorstellung von Armin Laschet.

Um die Dimension der Probleme von Armin Laschet zu begreifen, kann man auch die Beliebtheitswerte anderer Kandidaten bemühen. Rudolf Scharping hatte um den Wahltag 1994 herum einen Wert von +0,9, Martin Schulz kam 2017 auf +1,1. Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück notierten noch darüber. Armin Laschet liegt am 3.9.2021 bei einem Negativrekord von -0,8.

Seit dem die Forschungsgruppe Wahlen die Werte für die wichtigsten Politiker:innen erhebt, ist Armin Laschet mit -0,8 der historisch am schlechtesten bewertete Kanzlerkandidat. Am nächsten kommt ihm nur Annalena Baerbock mit -0,5. Olfa Scholz notiert aktuell bei +1,7. Das ist ein Spitzenwert – nur noch übertrumpft von der Kanzlerin (2,2) – die aber niemand mehr wählen kann.

Zum Interview geht es hier:

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Oder im Wortlaut hier:

Intro: Frank Stauss ist Kommunikationsberater und macht seit 20 Jahren Wahlkämpfe. Er hat eine der Agenturen, an die sich Politiker wenden, wenn sie strategische Beratung und Wahlkampagnen brauchen. Mehrfach hat Stauss die SPD beraten, unter anderem auch Olaf Scholz.

ZDF: In diesem Bundestagswahlkampf sind sie nicht aktiv im Geschirr, sondern beobachten das sozusagen von der Seitenlinie. Wenn wir uns jetzt die Strategie der Union ansehen, Furcht vor einem Bündnis mit der Linkspartei im Bund zu wecken und damit Wähler zu mobilisieren, kann das für die SPD für Team Scholz sozusagen ein strategisches Problem werden?

Frank Stauss: In den Kampagnen der letzten Jahre hätte ich das klar bejaht, weil es in der Vergangenheit – ob das jetzt die Kampagnen von Steinbrück, von Steinmeier oder von Schulz waren – eine der wenigen Machtoptionen war. Oder zum Teil auch die einzige, die die SPD überhaupt hatte. Jetzt ist es allerdings anders.

Da sie (die SPD) jetzt in allen Umfragen die Nummer eins ist, hat sie natürlich viel mehr Machtoptionen überhaupt.

Also neben dieser Linkskoalition auch noch die Ampel. Dann natürlich, unabhängig davon, ob das jemand will, auch eine Große Koalition unter Führung der SPD. Eine Koalition mit der Union und den Grünen und so weiter und so fort. Und dadurch hat das natürlich nicht den Stellenwert, den das sonst in Kampagnen gehabt hätte.

ZDF: Wobei es ganz interessant ist – das ist auch so eine Zahl aus unserem Politbarometer – dass zwei Drittel der Befragten sagen, sie gehen schon davon aus, wenn die Mehrheitsverhältnisse entsprechend sind, dann macht das Herr Scholz mit der Linken trotz aller Vorbehalte, die es da gibt. Und 60 Prozent finden das überhaupt nicht gut. Also kann das nicht schon auch ehemalige Merkel-Wähler abschrecken? Wie sollte die SPD damit umgehen? Was würden Sie als Wahlkampfberater sagen?

Stauss: Die Kampagne der Union zielt ja genau darauf ab. Auf der anderen Seite hat eben dieses Politbarometer auch erhoben, dass es den meisten Menschen egal ist, ob die SPD jetzt im Vorfeld eine solche Koalition ausschließt. Das ist für mich ein ganz wichtiger Indikator. Denn es bedeutet, dass sie es zwar grundsätzlich nicht wollen, dass sie aber gleichzeitig dieser Frage keine so große Bedeutung zumessen.

Ich glaube, letztendlich ist es ein Nullsummenspiel, weil eben es so viele Optionen gibt. Und am Ende werden sich die Menschen, eben weil es so viel Verwirrung und Orientierungslosigkeit gibt, an den Personen orientieren. Und das ist ja gerade das große Problem von Armin Laschet, dass die Menschen eben Olaf Scholz nicht zutrauen, dass er eine instabile Koalition anführen würde.

ZDF: Stichwort Team Laschet: Drei Wochen vor der Wahl und dann immer noch so im Abwind – was kann man da eigentlich als Wahlkampfmanager überhaupt noch machen oder empfehlen?

Stauss: Ja, also meine Empfehlung ist da immer ganz klar, die Finger von einem Team zu lassen. Für mich gilt die Formel: Kommt das Team, folgt der Untergang. Das hat noch nie funktioniert. Ich erinnere mich an die Kampagne von Frank Walter Steinmeier, der ein Team in der Größenordnung einer Fußballmannschaft inklusive Ersatzkader präsentiert hat. Das hat alles nicht gefruchtet.

Heute muss der Mann sein Leben als Bundespräsident verbringen.

Ich erinnere mich an Rudolf Scharping, der von Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine gestützt werden sollte, aber eher gestürzt wurde. Also dieser Teamgedanke funktioniert nicht, und das hat auch eine ganz einfache Erklärung:

Es gibt kein Team im Bundeskanzleramt, es gibt da exakt einen Stuhl. Auf dem sitzt dann am Ende der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin.

Und deswegen orientieren sich die Menschen tatsächlich an den Kandidaten.

ZDF: Aber versucht man nicht doch auch verschiedene Flügel damit abzudecken? Also zum Beispiel, indem man sagt, dass Herr Merz eine Rolle spielen soll, um CDU-Stammwähler, die das gut finden, zu erfreuen?

Stauss: Ja, das ist im Prinzip der Gedanke. Aber meine Erfahrung ist: Er funktioniert nicht, weil die Menschen sagen, man kann eine Kanzlerkandidatur nicht delegieren. Man kann auch eine Kanzlerschaft nicht delegieren. Das, was Herr Laschet gerade präsentiert hat, sind die verschiedenen Flügel seiner Partei. Die interessieren aber wiederum die Wählerinnen und Wähler nicht so richtig.

Herr Merz ist ein Angebot für den wirtschaftsliberalen Flügel, ist auch ein bisschen den Angriff an die FDP, von der die Union gerne wieder ein, zwei Prozentpunkte zurückhaben würde. Aber letztendlich ist meine Erfahrung, dass diese Teams eher Verwirrung stiften, weil Herr Laschet hat vor ein paar Tagen noch ein Klima-Team präsentiert, jetzt ein Kern-Team, das hört ja gar nicht mehr auf.

ZDF: Glauben Sie, dass in den nächsten drei Wochen noch viel passieren kann? Es ist ja ein verrückter Wahlkampf, man hat ja vieles noch vor ein paar Wochen nicht für möglich gehalten.

Stauss: Ja, es ist ein komplett verrückter Wahlkampf. Aber auch mit Werten, die ich meinem Leben noch nie erlebt hatte, dass eben auch ein Kanzlerkandidat der Union so unbeliebt ist. So war keiner zuvor, weder Rudolf Scharping noch Martin Schulz hatten so schlechte Werte. Die Stimmung dreht sich eindeutig in Richtung der SPD und Olaf Scholz. Und deswegen muss die Union was tun, allerdings läuft ihr die Zeit davon.

Das Interview führte ZDF heute journal-Moderatorin Marietta Slomka.

Wird 2021 zum größten Wahldesaster in der Geschichte der Union?

Bundestag, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern: Der 26. September kann für die SPD zum Superwahltag werden. Und für die Union zum Desaster. Die jüngsten Zahlen: Manuela Schwesig und die SPD in Mecklenburg-Vorpommern: +9. Franziska Giffey und die SPD Berlin: +6. Und Scholz ist in allen Umfragen in der Direktwahl jetzt stärker als Laschet und Baerbock zusammen. Vor allem aber stimmt diesmal eines: DIE MACHTOPTION.

Am 11. November 2020 wagten wir in unserem Blogbeitrag „Das Mega-Giga-Supersexy-Superwahljahr“ folgenden Ausblick:

Stand heute ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Menschen im Herbst 2021, wenn sie die Wahl zwischen Friedrich Merz oder Armin Laschet und Robert Habeck haben, Olaf Scholz wählen.“

„Da die SPD zwar heute keine besonderen Umfragewerte verzeichnet, müsste der OH-MEIN-GOTT-ICH-KANN-DIE-MERKEL-JA-GAR-NICHT-MEHR-WÄHLEN-Effekt mit gut 6 bis 7 Prozentpunkten auf Scholz und die SPD einzahlen, um bei 23 bis 24 % zu landen. Das wären mehr als Schulz 2017, aber auch weniger als Steinbrück 2013 und erscheint damit machbar.“

Zu Union und Grünen: „Bei der CDU gibt es bis Januar und danach nur Unruhe, Unsicherheit und möglicherweise auch noch weitere Verwerfungen, die bereits Merkel in den Verzicht und Kramp-Karrenbauer ins Aus getrieben haben. … Ohne Merkel und den falschen Kandidaten muss da bei 27 % nach unten noch nicht die Grenze liegen…

„Die Grünen werden den Stresstest bestehen müssen, den sie noch nie bestanden haben …“

Soweit der Ausblick vom Dezember 2020. Bei den Grünen ist jetzt Frau Baerbock angetreten, was die Sache für die Partei allerdings nicht besser macht. Aber natürlich stehen sie nach wie vor im Vergleich zu 2017 hervorragend da.

Die Machtoption:

Machtoptionen sind wichtig. Die fehlenden Machtoptionen haben die SPD seit 2009 jedesmal die Mobilisierung gekostet.

Nicht allen wird jede Konstellation gefallen, aber wichtig ist zunächst einmal: Bleibt die SPD weiter in Schlagweite zur Union auf Bundesebene – oder überholt sie sogar – kann Scholz in vielen Varianten Bundeskanzler werden. Natürlich mit der Ampel (SPD, Grüne, FDP), aber wenn die SPD auf 1 landet auch in folgenden Varianten: SPD, Union, Grüne. Oder SPD, Union, FDP oder – sollte es reichen –  SPD/Union und eventuell auch noch SPD, Grüne, Linke. Um eine Mehrheit für Rot/Grün zu sehen (FGW: 42%), muss man schon sehr optimistisch sein. Dafür müsste die Linke rausfallen (möglich) und noch gut 5% bei R/G einzahlen (schwierig). Völlig raus ist allerdings Schwarz/Gelb (FGW: 32%).

Machtoptionen sind auch entscheidend für viele unentschlossene Wählerinnen und Wähler. Denn die SPD kann jetzt noch mehr mit ihrem Kanzlerkandidaten wuchern. Und klar signalisieren: Alle, die Laschet nicht wollen, müssen jetzt Scholz wählen.

Die Entwicklung in den Ländern:

Ein Blick auf die aktuellen Umfragen zu den zeitgleich stattfindenen Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern (MV) und Berlin (ist kurz genug) verdeutlicht die Stressposition der Union:

Zu MV: Am 26.8.2021 zeigt Infratest-Dimap für den NDR folgende Entwicklung (im Vergleich zum Vormonat):

SPD:    36%     +9
CDU:    15%     -8
Grüne: 6%       -1
Manuela Schwesig liegt bei der Direktwahl bei 65%.

Und diese Erhebung enthält auch noch einen Hinweis zur Bundestagswahl:
Für die Bundestagswahl liegt Olaf Scholz bei der Direktwahl in MV bei 49%, Armin Laschet kommt auf 12%. Wichtig für die SPD: Olaf Scholz kann offenbar im Osten punkten.

Zu Berlin. In Berlin veröffentlichte Infratest-Dimap am 25.8. folgende Zahlen (im Vergleich zu Mitte Juni):

SPD: 23%        + 6
CDU: 19%        – 3
Grüne: 17%      – 5

Franziska Giffeys Strategie, die Wählerinnen und Wähler darüber entscheiden zu lassen, ob die Plagiatsvorwürfe für diese relevant sind, geht auf. Sie ist als Bundesministerin zurückgetreten und stellt sich nun für die Position der Regierenden Bürgermeisterin neu zur Wahl. Und die Wählerinnen und Wähler sagen: Ist uns wurscht, wir wollen Dich.

Der 26. September 2021 könnte also so ausgehen:

Bundeskanzler: Olaf Scholz, SPD
MP MV : Manuela Schwesig mit einem Spitzenwert, SPD
Regierende Bürgermeisterin Berlin: Franziska Giffey, SPD

Nebeneffekt: Mit Manuela Schwesig, Franziska Giffey und Malu Dreyer hätte die SPD drei starke Länderchefinnen. Auch das ist ein starkes Signal. Die Union hat keine.

Ist das alles möglich. Ja.

Denn die SPD hat Momentum im Bund, in den Ländern und auch bei den Direktwahlwerten ihrer Kandidatinnen.

Die permanente Krisensituation (Corona, Flut, Afghanistan) macht die Kanzlerfrage für die Wählerinnen und Wähler noch bedeutender. Wer kann Krise? Es wird deutlich: Laschet und Baerbock können es aus Sicht der WählerInnen nicht.

Und schließlich: RRG taugt als Schreckensmodell nicht mehr, denn die SPD hat plötzlich bis zu 5 – in Worten FÜNF Machtoptionen.

Sollte es so kommen, wird die Union sich zwischen Oktober 2021 und dem Frühjahr 2022 erneut eine innerparteiliche Schlammschlacht liefern – und dann lauern da schon die Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und NRW.

Das also ist die Ausgangslage für die Trielle.

Scholz hat jetzt schon mehr erreicht als die meisten erwarteten.
Laschet kämpft gegen den Vergleich zu Söder, Merkel, Merz und – ach ja – Scholz. Baerbock muss konsolidieren.

Dabei ist nicht zu unterschätzen: Das Superwahljahr 2021 begann für die CDU mit den jeweils historisch schlechtesten Wahlergebnissen in ihren einstigen Stammländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Wohl bekomms!

Grünen-Kampagne: Hier stimmt etwas nicht.

Infolge meiner Anmerkungen vom 12. Juli im ZDF heute journal zur Kampagnenpräsentation der Grünen haben mich zahlreiche Rückfragen erreicht. Ich beantworte sie einfach in diesem Beitrag öffentlich, dann ist alles gesagt.

Warum stimmt etwas nicht bei der Grünen-Kampagne?

Ich bin so froh, dass Du das fragst, Frank: Nun, zum ersten Mal in ihrer Geschichte benennt die Partei eine Kanzlerkandidatin. Gleichzeitig belastet diese Kandidatin seit Wochen die Kampagne der Grünen und es wird munter spekuliert, ob nicht doch noch ihr Co-Vorsitzender die Kandidatur übernimmt.

Mitten in dieser Gemengelage präsentiert der Bundesgeschäftsführer die ersten beiden Plakatwellen, und es findet sich kein einziges Plakat der Kanzlerkandidatin Baerbock.

Es gibt mehrere Großflächen mit Habeck und Baerbock, Einzelplakate von Baerbock und Habeck, es wurde eine Tour angekündigt von Habeck und später auch von Baerbock.

Aber warum gibt es nicht ein einziges Plakat, auf dem zum Beispiel sinngemäß steht:  „Mehr Umweltschutz ins Kanzleramt: Annalena Baerbock.“ Oder: „Neue Ideen ins Kanzleramt: Annalena Baerbock“ etc.

Ein einziges Plakat hätte gereicht.
Ein einziges Plakat in dieser Richtung hätte alle Fragen beantwortet.
Endgültig. Aber es wurde nicht gemacht.

Daher: Da stimmt etwas nicht.

Die Grünen haben doch Frau Baerbock bereits als Kanzlerkandidatin ausgerufen. Warum sollte ausgerechnet ein Plakat das noch einmal manifestieren?

Das Plakat ist das unflexibelste Medium im Wahlkampf. Besonders die erste Welle der Großflächen hat einen Vorlauf von gut sechs bis acht Wochen. Das ist genau jetzt. Die Großflächen werden gedruckt, trocknen, werden ausgeliefert und dann in großen Hallen schon auf die ersten Sonderstellflächen aufgezogen, damit diese Sonderflächen möglichst rasch innerhalb weniger Tage flächendeckend in Deutschland aufgebaut werden können. Für die erste Welle der Großflächenplakate ist jetzt der „Point of no Return“ erreicht.

Problem: Liefere ich jetzt ein Plakat aus, auf dem explizit Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin bezeichnet wird, dann wird dieses Plakat auch in der Republik hängen.

Sollte sie einen Rückzieher machen, hängt sie trotzdem dort.

Lösung: Wenn ich mir sicher sein will, dass diese Plakate in jedem Fall passen, gebe ich nur Großflächen mit Baerbock und Habeck frei und vermeide in jedem Fall die Bezeichnung „Kanzlerin“, „Kanzlerkandidatin“, „Kanzleramt“.

Habeck und die Grünen dementieren doch, dass noch ein Wechsel stattfindet. Wie soll das dennoch gehen?

Niemand dementiert irgendetwas. „Kokolores“ oder „Dazu ist alles gesagt“ sind keine Dementis. Die Entscheidung kann und wird nur Baerbock treffen, so wie sie auch die erste Entscheidung getroffen hat. Zieht sie „aus persönlichen Gründen“ zurück, dann ist es Habeck.

Und dann?

Dann wird die dritte Welle der Plakate auf den Kanzlerkandidaten Habeck zugeschnitten. Dafür ist noch ausreichend Zeit, denn die letzte Plakatwelle hängt erst in den letzten 14 Tagen vor der Wahl. Sie wird also um den 10. September herum plakatiert. Dann stehen die Flächen auch schon überall im Land und es wird von mobilen Teams umplakatiert, was rascher geht als in der ersten Welle. Druckunterlagenschluss ist dann ungefähr Mitte August.

Warum würde ein Profi wie Bundesgeschäftsführer Kellner nicht einfach den Deckel drauf machen und dieses blöde Plakat einfach zeigen?

Weil er nicht durfte. Vermutlich hat sich Baerbock Bedenkzeit in ihrem Urlaub genommen und sich nicht rechtzeitig zur Kampagnenpräsentation entschieden. Die Präsentation zu verschieben, hätte aber noch mehr Fragen aufgeworfen.

Ich bin mir sicher: Wenn Kellner eine Freigabe dafür gehabt hätte, hätte er liebend gerne ein Plakat der Kanzlerkandidatin präsentiert. Gegenfrage: Warum würde er darauf verzichten wollen – bei der ersten Kanzlerkandidatur in der Geschichte der Grünen?

Ist das nicht eine olle Verschwörungstheorie?

Nein, weil ich sie direkt von Bill Gates über meinen Impf-Chip empfangen habe. Und außerdem muss man das Wort „Kanzlerkandidatin“ auf der Website der Grünen schon lange suchen. Ich sage auch nicht, dass sie es am Ende nicht doch machen wird. Aber zu 100% ist das am 14. Juli 2021 nicht sicher.