Regierung ohne Auftrag – Wahl ohne Ambitionen

Das Volk ist beschäftigt (Arbeit, Beziehung, Kita, Chef, Wäsche, Kinder, Geld, Hund) und möchte in Ruhe gelassen werden. Das ist ebenso verständlich wie gesellschaftlich ambitionslos. Aber vielleicht liegt der Hauptgrund der Reformskepsis an gegenseitigen Fehlinterpretationen des Wahlergebnisses von 2021 und seiner Ursachen. 

Da ich aktuell an einem Buchbeitrag zur Bundestagswahl 2021 schreibe, durchlaufe ich den Irrsinn dieses Wahlkampfes und seines Endspurts aufs Neue. 

Mit dem Wissens von heute über die Schwierigkeiten der Ampelregierung zwei Jahre nach dem Urnengang, drängt sich neben den offensichtlichen Gründen – also dem Angriffskrieg Russlands, Inflation, Energiestress, disharmonierende oder gar konträre Parteiprogramme, (verschleppte) Transformationsprozesse etc. – ein zusätzlicher auf: 

Diese Regierung hat vom Volk keinen nennenswerten Veränderungsauftrag erhalten.

Der Verlauf des Wahlkampfes macht dies sehr deutlich. Und das Ergebnis auch. 

Die gescheiterten Wahlkämpfe von Union und Grünen lenkten den Fokus der Bundestagswahl noch stärker auf die zur Auswahl stehenden Führungspersönlichkeiten als dies sowieso schon der Fall gewesen wäre. Eine bedeutende thematische Auseinandersetzung über die Zukunft der Bundesrepublik nach Angela Merkel fand nicht statt. Armin Laschet war in Nordrhein-Westfahlen vor allem deshalb Ministerpräsident geworden, weil er gerade kein erzkonservativer Polarisierer, sondern ein eher integrierender und auch sozialpolitisch orientierter CDU-Kandidat war. 

Sowohl in Verteilungs- als auch Integrationsfragen stand Laschet eher in der Tradition Merkels. Olaf Scholz wiederum war über die letzten Jahre Vizekanzler unter Angela Merkel, die SPD hatte von den sechzehn Jahren ihrer Amtszeit zwölf mehr oder weniger freiwillig an deren Seite verbracht. Auch hier war ein harte Polarisierung kaum möglich beziehungsweise glaubwürdig. Annalena Baerbock gab ebenfalls nicht vor, eine politische Revolution anführen zu wollen. Als erste Kanzlerkandidatin ihrer Partei mit dem Ziel 30% musste sie wesentlich breitere Wählerschichten ansprechen als den harten Kern der Grünen Wählerschaft. Nach dem dann völlig missglückten Auftakt übte sich die Grünen-Kampagne noch weiter in Zurückhaltung und versuchte, möglichst ohne weitere Verunfallungen ins Ziel zu kommen. 

Entsprechend ambitionslos verliefen die inhaltlichen Zuspitzungen des Wahlkampfes. Keine der drei führenden Parteien hatte ein Interesse daran, durch zu ehrgeizige inhaltliche Forderungen zu irritieren. Die erstmals stattfinden TV-Trielle – immerhin drei an der Zahl – zeigten die Kanzlerkandidaten in relativer Harmonie und die wenigen konkreten Themen – etwa der Mindestlohn-Vorstoß der SPD – boten keinen Anlass zur Dramatisierung. Ein verzweifelter Versuch der Union und ihrer Helfer:innen, noch einen Hauch von Rot-Rot-Grün-Debatte zu entfachen, lief ins Leere.

Am Ende zählte der alte Spruch: Auf den Kanzler kommt es an.
Im ZDF Politbarometer vom 17.9.2021 sprachen Olaf Scholz 67 % der Befragten die Eignung zum Bundeskanzler zu (nicht geeignet: 28 %). Armin Laschet hingegen hielten 67 % für nicht geeignet (geeignet 29 %), Annalena Barbock sogar 69 % (geeignet 26 %).
Noch im Juni lagen Laschet (47 %) und Scholz (49 %) bei dieser Frage der Amtseignung nahezu gleichauf, ihre Parteien aber deutlich auseinander (CDU/CSU 29 %; SPD 14 %, Grüne 22 % – ZDF Politbarometer vom 25.6.2021)

Dieser fulminante persönliche Vorsprung des SPD Kanzlerkandidaten hatte im September dann entsprechende Auswirkungen auf die Sonntagsfrage (SPD 25 %, CDU/CSU 22 %, Grüne 16 %) – aber auch auf die Themen, die von den Befragten als die bedeutendsten genannt wurden. Hier nannten 53 % die soziale Gerechtigkeit, 43 % den Klimaschutz und 25 % das Thema Migration. Man kann in diesem Fall also davon ausgehen, dass Olaf Scholz nicht nur seine Partei sondern auch deren stärkstes Thema nach vorne zog. 

Realistisch betrachtet hatte die Bundestagswahl 2021 aber kein bedeutendes Thema. Selbst die schreckliche Flutkatastrophe vom Juli traf auf eine Bevölkerung, die zu 86 % sowieso schon den Klimawandel als ein großes Problem für Deutschland einordnete und zu 63 % diese konkrete Flutkatastrophe auch direkt dem Klimawandel und seinen Folgen zuordnete (ZDF Politbarometer vom 30.7.2021). Darüber bestand also breiter politischer und gesellschaftlicher Konsens.

Die Bundestagswahl 2021 wurde eine Persönlichkeitswahl.
Sie war keine Richtungswahl. 

Das ist keine Kritik – sondern ein Fakt. Die Kandidaten Laschet und Baerbock hatten sich aus Sicht der Wählerinnen und Wähler im Verlauf des Wahlkampfes selbst disqualifiziert. Olaf Scholz wurde einmal mehr in seiner Karriere nicht geliebt, aber gewählt. Er hatte sich in einem turbulenten Wahlkampf als sichere und verlässliche Führungspersönlichkeit erwiesen. Seine thematisch weitgehend konfliktfreie Basispositionierung machten ihn und seine Partei für Wechselwähler anschlussfähig. 

Aus dem Ergebnis der Bundestagswahl 2021 formulierten die sich dann später zusammenfindenden Ampel-Parteien den Anspruch, eine Fortschritts-Koalition zu bilden. Der Verlauf des Wahlkampfes lässt daran zweifeln, dass dies ein Wählerwunsch war. Eher liegt die Vermutung nahe, dass viele Wähler:innen eigentlich ein „Weiter so“ wie mit Merkel wünschten – nur eben mit Olaf Scholz und der SPD diesmal auf Platz 1 und der Union auf Platz 2. 

In über 16 Jahren hatten die Deutschen gelernt, dass sie am besten damit fahren, wenn der Fortschritt eine Schnecke ist und die Politik nicht weiter stört.

Das verstärkt die Probleme der Ampel heute nur noch mehr – denn neben den programmatischen Unwuchten zwischen den Koalitionspartnern, müssen diese der Bevölkerung massive Transformationsprozesse zumuten – ohne dass die Bevölkerung im Wahlkampf darauf vorbereitet worden wäre oder gar ihr Votum damit verbunden hätte.

Das Volk ist beschäftigt (Arbeit, Beziehung, Kita, Chef, Wäsche, Kinder, Geld, Hund) und möchte in Ruhe gelassen werden. Das ist ebenso verständlich wie gesellschaftlich ambitionslos. Nun ist Ambitionslosigkeit per se ja nichts Schlechtes. Sie führt nur zu nichts und lädt befreundete wie nicht befreundete Nationen dazu ein, vorbeizuziehen.

Deutschland war und wurde durch nichts auf die bestehenden Schwierigkeiten und Dimensionen der Transformationsprozesse vorbereitet – von denen nur einige Folgen des Krieges sind. Das liegt natürlich auch daran, dass viele Menschen darauf nicht vorbereitet werden wollten. Aber das ist ein anderes Thema.

Die Folgen für die Politik sind aber entscheidend: 

Wer in diesem Umfeld führen will, muss sehr viel erklären, behutsam vorgehen und ständig motivieren.

Mit Überrumpelungstaktik kommt man da nicht weiter – und mit Kleinparteienstaaterei erst recht nicht. Besser ist es, man setzt erstmal nichts voraus und erklärt immer wieder von neuem, warum diese nächste Reform ganz konkreten Nutzen bringt. Enjoy!

DIE WOKE WÄRMEPUMPE

Wir schreiben das Jahr 2023 und die Entscheidung für eine Heizungstechnologie bestimmt den politischen Gradmesser zwischen Wokeness und AfD-Nähe. Willkommen im gesellschaftlichen Drama des Wärme-Wahnsinns um woke Wärmepumpen, verlotterte Diskurse, verwirrte Wähler.

Wer wissen will, wie sehr der Heizungswahnsinn Deutschland erfasst hat, dem lege ich den Artikel „In einem aufgeheizten Land“ auf der Seite 3 der Süddeutschen Zeitung vom 3.6.2023 ans Herzen. Darin begleitet Autor Jan Schmidbauer einen gutwilligen, gestandenen und nervenstarken Heizungsinstallateur auf seinen Beratungsterminen. Aus nachvollziehbaren Gründen empfiehlt er sowohl einem jungen Paar, einer älteren Dame als auch einem Bauern und dessen Sohn den Einbau einer Luft-Wärmepumpe, je nach Gegebenheit ergänzt durch Photovoltaik und weiteren Maßnahmen zur Energiegewinnung oder -einsparung. In allen drei Fällen wäre der Einbau einer Wärmepumpe technisch kein Problem. In jedem Fall führten diese Maßnahmen zu einer deutlichen Wertsteigerung der Immobilie bei gleichzeitiger Senkung der Betriebskosten. Zwei von drei entscheiden sich an diesem Tag dann für eine Gasheizung, der dritte für eine Ölheizung. 

Mit ihrer Entscheidung reduzieren sowohl die ältere Dame als auch das junge Paar – bei beiden ist die bestehende Heizung kaputt, sie brauchen also so oder so eine neue – den Wert ihrer Immobilie um geschätzte 50.000 EUR  – statt ihn um 50.000 EUR zu steigern. Denn wohl dem, der heute schon ein Haus mit einer modernen Heizung hat. Den Bauern mit der Ölheizung bzw. seinen Sohn werden wir dann in spätestens zehn Jahren auf einer Demo gegen die EU und die explodierenden Heizöl-Kosten wieder treffen.

Eine nicht minder ernüchternde Anekdote des Heizungsmonteurs: Nach dem Einbau einer Luft-Wärmepumpe in einem Neubauobjekt habe sich der Nachbar in den Tagen danach über die Lärmbelästigung beschwert. Zu einem Zeitpunkt, als der Monteur die Heizung noch gar nicht angeschaltet hatte. 

Umweltschutz und Klimawandel spielten bei der Entscheidung keine Rolle – auch nicht bei den jungen Eltern. Eher drängt sich der Verdacht auf, dass die Wahl der (Alt-)Technologien ideologiegetrieben waren.

Willkommen im Deutschland des Jahres 2023, in dem eine Luft-Wärmepumpe Zeichen von Wokeness zu sein scheint und man lieber dem Habeck eines auswischt, als sich selbst und seinen Nachkommen etwas Gutes zu tun.

Wie konnte es soweit kommen und wer treibt diesen Irrsinn, der Menschen zu offensichtlichen und kostenintensiven Fehlentscheidungen animiert, eigentlich an? 

Das Wärmepumpen-Desaster ist nur ein Aspekt eines verlotterten politischen Diskurses bei gleichzeitigem Click-Bait-Kalkül vieler Medienhäuser im Augenblick höchster Verunsicherung der Öffentlichkeit angesichts multipler Krisen, einer verkrachten Regierung und einer Opposition, die ihre Orientierungslosigkeit mit populistischer Rhetorik zu kaschieren versucht.

Die Mischung macht’s. Und diese Mischung ist toxisch.

Denn sie erfüllt alle Voraussetzungen für eine Abwärtsspirale im gesellschaftlichen Diskurs, die schwer wenn überhaupt wieder umzukehren ist.

Beginnen wir bei Punkt 1: Der verlotterte politische Diskurs

Kein verantwortungsvoll handelnder Akteur kann ein Interesse daran haben, dass Immobilienbesitzer im Jahre 2023, 2024 und erst recht nicht in den folgenden Jahren, neue Heizungen einbauen bzw. alte ersetzen, die maßgeblich oder sogar ausschließlich mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. 

Selbst wenn man der Meinung ist, dass man dies nur dringend empfehlen und nicht gesetzlich vorschreiben sollte, muss die Empfehlung immer lauten: 

„Liebe Leute, baut keine neuen Gas- oder Ölheizungen ein, sondern setzt auf Wärmepumpen, Solar und Photovoltaik – sowie auf alle Alternativen, die bei euch in der Region zur Verfügung stehen. Zu eurem eigenen Nutzen. Ihr schadet euch, dem Wert eurer Immobilie und ganz nebenbei auch noch der Umwelt, wenn ihr das anders macht.“ – Mit freundlichen Grüßen CDU/CSU, FDP, SPD, Grüne, Linke, FW.

Was wir stattdessen zu hören und sehen bekommen sind substanzlose Phantasien von E-Fuels, angeblicher Technologieoffenheit (FDP) und einem „Heizungs-Hammer“ (CDU/BILD). Die CDU sammelt sogar Unterschriften mit der Argumentation „Dieser Heizungs-Hammer trifft die Menschen mit voller Wucht. Viele haben Angst …“ Eine Angst, welche die Partei wider besseren Wissens selbst schürt. 

In der CDU-Kampagne findet sich kein einziger Hinweis darauf, dass es grundsätzlich schon sehr sinnvoll wäre, auf erneuerbare Energien umzusteigen.

Es findet sich auch kein Hinweis darauf, dass in dem bisherigen Entwurf nur irreparabel defekte Heizungen in Bestandsbauten und Neubauten betroffen sind. Was bedeutet, dass alle mit einer funktionierenden Heizung sich sowieso um gar nichts kümmern müssen und diese auch erst ersetzen müssen, wenn sie nicht mehr repariert werden kann – also dann, wenn sie sowieso eine neue Heizung brauchen. Wie bisher warten Häuslebesitzer also darauf, dass irgendwann einmal die Heizung den Geist aufgibt. Ob das in 5, 10, 15 oder 20 Jahren ist. Und dann kauft man wie bisher eine neue. Und wählt aus dem dann verfügbaren Angebot. 

Stattdessen weisen eigentlich wirtschaftsfreundliche Parteien ihrer eigenen Klientel einen Weg, der wie in dem erwähnten Artikel zu einer offensichtlichen Wertevernichtung führt.

Punkt 2: Der mediale Click-Bait-Hammer

Überschriften, die bei diesem aber auch anderen Themen mit bewusst verzerrten oder ins groteske verkehrten „Informationen“ arbeiten, betreffen nicht nur die BILD. Sie sind allgegenwärtig.

Besonders der Hinweis darauf, dass es hier nicht um ein Verbot bestehender Heizungen geht, wird nicht nur in der Headline sondern gerne auch im Text selbst unterschlagen. Sehr ähnlich wie schon beim angeblichen EU-weiten „Verbrennerverbot“ 2035, bei dem es ausschließlich um die NEUZULASSUNG von Fahrzeugen geht. In mehr als einem Jahrzehnt werden also keine Verbrenner mehr neu zugelassen. Keiner muss seine zuvor erworbene Möhre aufgeben, sondern kann sie fahren, bis sie ihm unter dem Hintern wegrostet.

Aber die Erfahrung zeigt: Wer Aufregung schürt, erhält Aufmerksamkeit.

Dass diese aufregende bis verhetzende Methode vor allem unvollständige oder „Alternative Wahrheiten“ produziert und damit den Diskurs in einer Gesellschaft vergiftet – das ist der Preis, den wir am Ende alle zahlen.

Punkt 3: Multiple Krisen und eine verkrachte Regierung.

Wer diesem Blog folgt weiß, dass die zentrale Aufgabe einer Regierung in Zeiten multipler Krisen darin besteht, Orientierung und Halt zu bieten. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Die Folgen: Vertrauensverluste für ausnahmslos alle demokratischen Akteure und Institutionen auf breiter Ebene.

Das Vertrauen in die politische Führung Deutschlands erodiert und ist gleichzeitig hoch volatil. Politiker:innen werden in bisher nicht gekanntem Ausmaß in der Beliebtheit nach oben katapultiert, nur um wenige Monate später das Schlusslicht zu bilden. Baerbock, Spahn, Habeck, Lauterbach – es ist ein einzige Achterbahnfahrt. 

Sehr deutlich wird dies in den seit Jahrzehnten erhobenen Daten der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF. Zum Beispiel bei der Bewertung der Spitzenpolitiker:innen. Über die letzten dreißig Jahre notierten dort selbst mäßig beliebte Politiker:innen fast durchgehend im deutlich positiven Bereich auf einer Skala von +5  bis -5. Ein ordentlicher Mittelwert lag bei etwa 1.0, ein Spitzenwert bei 2.0. Eher schlecht bewertet wurde man mit 0,5.

Angela Merkel notierte zum Ende ihrer Amtszeit im Mai 2021 bei +2,2, Olaf Scholz landete bei +1,0 das Schlusslicht bildete Christian Lindner mit 0,0. Niemand in der Top 10 notierte negativ. Der Bundesregierung attestierten 62% der Befragten, einen „guten Job“ zu machen. (Politbarometer KW 18 2021). Diese ungefähre Bandbreite der Werte hatten über fast drei Jahrzehnte Bestand. Aber nicht mehr in den letzten Monaten.

Im Mai 2023 attestiert nur eine Minderheit von 41% der Bundesregierung eine gute Arbeit. Die Top 10 der Politiker:innen sinkt schon nach dem 3. Platz in den negativen Bereich (1. Pistorius +1,7;  2. Scholz +0,5, 3. Baerbock 0,0.). Die Repräsentant:innen der Opposition profitieren im Gegenzug nicht von dem schlechten Erscheinungsbild der Bundesregierung. Oppositionsführer Merz landet mit -0,3 noch vor Söder (-0,4). Einstmalige Spitzenreiter wie Lauterbach (-0,1) oder Habeck (-0,6) werden nach unten durchgereicht. Deutliches Schlusslicht ist Frau Wagenknecht mit -1,4.

Diese und noch viele weitere Daten bezeugen, dass zwischen 2021 und 2023 ein deutlicher Vertrauensverlust in die handelnden Akteure an der Spitze von Regierung und Opposition stattfand.

Merz, Söder und auch mal wieder Spahn suchen nun ihr Heil einmal mehr am rechten Rand der Rhetorik und bedienen sich dem beliebten AfD-Sprech vom Heizungs-, Gender-, Migrations-Wahnsinn. 

Wie schon so oft bewiesen – nicht nur in Deutschland – gewinnen sie damit nichts, stärken aber die AfD. 

Die FDP versucht sich weiter an dem in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mehrfach gescheiterten Weg der Opposition in der Koalition, die Grünen irrlichtern, reflektieren und reagieren weiter glücklos kommunikativ und die SPD versucht sich mal wieder darin, es allen und damit niemandem recht zu machen.

Na, herzlichen Glückwunsch uns allen.

Noch erweist sich Deutschland als relativ stabil in Bezug auf einen ausufernden Populismus. Aber die Entwicklung ist keine Gute – die Richtung falsch und die Konsequenzen bedrohlich.

So, ich gehe jetzt wieder in den Keller und streichle unsere Luft-Wärme-Pumpe, die aktuell im Sommerschlaf ruht, aber dennoch etwas Liebe und Zuneigung verdient hat. Sie arbeitet seit 2007 verlässlich in unserer Reihenhaussiedlung und leidet an dem Maß an Mißtrauen, Ausgrenzung und Häme, das ihr zur Zeit entgegenschlägt.

Im deutschen Interesse.

In Kriegszeiten ist Naivität gepaart mit Unerfahrenheit nicht nur falsch und teuer, sondern gefährlich. Und in Kriegszeiten dient Geschwätzigkeit nur dem Gegner – und der heißt Putin. Dass der Bundeskanzler nicht jeden Tag oder gar stündlich Einblicke in sein strategisches Vorgehen gewährt, hat wohl mit der nicht ganz falschen Grundannahme zu tun, dass eine Strategie sich nur dann entfalten kann, wenn sie nicht öffentlich ist. Und auch nur dann aufgehen kann.

Olaf Scholz sagt, was er tut und tut, was er sagt. In den letzten Wochen wurde ich häufiger gefragt, was Scholz eigentlich vorhabe und meine Antwort war immer die gleiche: Es ist aus meiner Sicht kein Geheimnis, was er prinzipiell vorhat. Es ist das, was er immer gesagt hat: Eine effektive Unterstützung der Ukraine in enger Abstimmung – und auch im Einklang mit den Partnern bei Erhaltung des Grundsatzes, dass Deutschland zwar Partei nimmt, aber keine Kriegspartei wird.

Er fördert die Unterstützung der Ukraine und fordert von den Partnern ebenfalls diese Unterstützung ein. Klar, beständig und im Zweifel auch hart. Scholz ist zwar ein neuer Bundeskanzler, aber eben auch ein alter Hase, der weiß, dass man manchmal Druck aushalten muss – und zwar im Interesse aller. 

Internationale Verhandlungen sind kein Kaffeekränzchen und es geht auch nicht darum, von allen immer geliebt zu werden. Everybody’s Darling is everybody’s Depp und wird im Zweifelsfall ausgenommen wie eine fette Weihnachtsgans. Deutschland weckt als starkes Land viele Begehrlichkeiten, die es auch aus Selbstschutz nicht immer erfüllen kann. Hinzu kommen knallharte auch finanzielle Interessen anderer Länder, die mit dem Wohl der Ukraine nur bedingt zu tun haben. Was Deutschland zahlt und liefert, müssen andere nicht liefern und zahlen. Je defensiver Deutschland in Verhandlungen gehen muss, desto besser für alle anderen.

Einige PolitikerInnen und MedienvertreterInnen haben in den letzten Wochen vielleicht aus guten Beweggründen aber mit dem völlig falschen Ergebnis eher die Interessen anderer Länder vertreten als die Interessen Deutschlands. Sie haben – ohne deren Beweggründe zu hinterfragen – anonym geäußerte „Verstimmungen“ oder „Kopfschütteln über den Bundeskanzler“ aus Regierungskreisen anderer Länder verbreitet und sich nicht selten auch zu eigen gemacht. Das ist aber nicht relevant. Wir schütteln ja auch häufiger mal den Kopf über zum Teil sogar  demokratiefeindliche Tendenzen in Nachbarländern.

Ein schwacher Kanzler hätte dem medialen Druck und auch dem ein oder anderen Versuch aus dem Ausland, zusätzlichen Druck aufzubauen, nicht standgehalten. Zum Nachteil Deutschlands und der Ukraine. Denn was wäre denn gewonnen gewesen, wenn Deutschland gleich eine handvoll Panzer geliefert hätte – ohne die USA, Frankreich und andere ebenso für weitere Maßnahmen zu gewinnen? Reine Symbolpolitik. Twitterfähig, instagrammable, talkshowgeeignet und weitgehend nutzlos, wenn nicht sogar gefährlich.

Die Naivität – manchmal gepaart mit durchaus glaubwürdiger emotionaler Überwältigung – der schärfsten KritikerInnen des Bundeskanzlers, hatte das Potential, die Verhandlungsposition Deutschlands bereits im Vorfeld der Ramstein-Konferenz deutlich zu schwächen. Andere hätten diesem Druck nachgegeben. Der Bundeskanzler hat ihn zu recht ignoriert.

Olaf Scholz, das wurde hier bereits an anderer Stelle erwähnt, war zum Zeitpunkt seines Amtsantrittes einer der erfahrensten und qualifiziertesten Politiker, die Deutschland zu bieten hatte. Vor seiner Wahl zum Bundeskanzler war er ein auf internationaler Bühne geschätzter Bundesfinanzminister und Vizekanzler, zuvor zweifach gewählter Ministerpräsident und davor Bundesminister für Arbeit und Soziales. Viel mehr Erfahrung kann man nicht sammeln, um dieses Amt zu übernehmen. 

Ihm gegenüber steht ein Oppositionsführer, der sich zuvor eineinhalb Jahrzehnte Auszeit aus der Politik gegönnt hatte und bis heute über keinerlei Exekutiverfahrung verfügt. Aber auch in den die Regierung Scholz tragenden Koalitionsparteien finden sich einige AutodidaktInnen der internationalen Politik, die über keinerlei Regierungsexpertise verfügen – dafür aber über eine vermeintliche Medienkompetenz mit Dauerpräsenz. Sie haben sich und ihrem Anliegen in den letzten Tagen einen Bärendienst erwiesen.

Was Scholz prinzipiell will sagt er seit nunmehr gut einem Jahr immer wieder. Aber offenbar gibt es große Defizite im Zuhörvermögen anderer.

Auf der Strecke und vor allem im Ergebnis unterscheidet sich der Profi vom Amateur.

Der Führungsstärke des Bundeskanzlers ist es zu verdanken, dass die internationale Gemeinschaft sich zu einer wesentlich effektiveren Unterstützung der Ukraine bekannt hat, als es selbst seine lautstärksten KritikerInnen erträumt haben.

Olaf Scholz hat sich bereits über viele Jahre aber ganz besonders in diesen Tagen auf der Weltbühne etwas erarbeitet, was unserem Land noch weiteren Nutzen bringen wird: Respekt.

Neuland.

Deutschland hat seit acht Wochen einen neuen Bundeskanzler. Aber nachdem der letzte Wechsel im Kanzleramt sechzehn Jahre zurückliegt, haben viele – auch in den Medien – offenbar verlernt, was das tatsächlich bedeutet.

Olaf Scholz wurde am 8. Dezember 2021 im Deutschen Bundestag vereidigt. Heute ist der 8. Februar 2022. Dazwischen lagen noch Weihnachten und Neujahr. Zwischen der Wahl am 26. September 2021 und der Vereidigung lagen außerdem noch relativ kurze Koalitionsverhandlungen an deren Ende erst die genaue Aufteilung der Ministerien und die Bestellung der MinisterInnen-Riege lag. Es folgte die Konstituierung einer neuen Regierung in einer bisher auf Bundesebene noch nie dagewesenen Konstellation. Ministerien wurden neu zugeschnitten, eines komplett neu gegründet. StaatssekretärInnen aber auch hunderte von MitarbeiterInnen wurden bestellt, wechselten zum Teil die Resorts oder begannen ihre Arbeit ganz von vorne. Zum Teil wurden Stellen noch gar nicht besetzt, weil man noch auf begehrte MitarbeiterInnen wartet, bis diese aus ihrem bisherigen Arbeitsverhältnis wechseln dürfen. Das alles geschieht gerade.

In den 16 Jahren zuvor blieb nach dem Amtsantritt 2005 zumindest im Kanzleramt alles beim Alten, viele Ministerien blieben ebenfalls in der gleichen Hand, CDU/CSU regierten durch und nur der Koalitionspartner wechselte mal von SPD zu FDP und wieder zurück.
Heute regiert zwar die SPD weiter, allerdings wurden die Häuser komplett neu zugeschnitten und zum ersten Mal seit 2005 gibt es zum Beispiel wieder sozialdemokratisch geführte Innen- und Verteidigungsministerien. Die FDP regiert erstmals seit 2013 wieder auf Bundesebene, die Grünen erstmals seit 2005.

2005 übrigens, nur zur Einordnung, war das Jahr in dem Johannes Paul der II. starb, George W. Bush seine zweite Amtszeit antrat, das iPhone noch nicht auf dem Markt war, Facebook gerade ein paar Monate zuvor gegründet wurde und die Welt weder von Twitter noch von Uber, Airbnb und Co. je gehört hatte. Weil es sie noch nicht gab.

Das ist also alles recht lange her. Wer zum Beispiel 2005 in einem Medienhaus mit 25 Jahren nach der Uni anfing ist heute 41 und hat bisher nur in anderen Ländern erleben können, was ein Machtwechsel bedeutet. Eine Transition-Phase – also eine Übergangsphase zur Vorbereitung auf die Regierung, wie es sie in den USA sinnigerweise zwischen dem Wahltag in der ersten Novemberwoche und der Amtseinführung am 20. Januar des Folgejahres gibt – kennt unsere Verfassung nicht. Obwohl es natürlich großen Sinn ergäbe, wenn zwischen dem harten Wahlkampfende und den nicht minder harten Koalitionsverhandlungen noch Zeit wäre, Personal zu rekrutieren und einzuarbeiten. Und auch mal auszuschlafen.

Aber selbst mit Transition-Phase beginnen neue Administrationen häufig rumpelig und es muss sich vieles erst einmal „zurechtruckeln“ (A. Nahles).

Grundsätzlich nicht einfacher machen den Start einer neuen Regierung eine Pandemie, ein durchgeknallter russischer Präsident und eine Öffentlichkeit, die nach einer Pressekonferenz des Bundeskanzlers am 25. Januar nur wenige Tage später eine „Wo ist Scholz?“-Kampagne startet.

Und was die schon sehr lange andauernde „Ukraine-Krise“ – die in Wahrheit ja ausschließlich dem monströsen Minderwertigkeitskomplex Putins entsprungen ist – und die wichtige Rolle Merkels 2014 in den Gesprächen angeht: Zu diesem Zeitpunkt war Merkel bereits neun Jahre Bundeskanzlerin. Nicht neun Wochen. Ich persönlich begrüße es daher, wenn ein neuer Kanzler nicht in den ersten Tagen meint, die Welt retten oder Waffen in ein Krisengebiet schicken zu müssen. Kann man das vielleicht etwas klarer formulieren? Da geht wohl noch was.

Ansonsten drücken aktuell noch das Wetter, die ebenso notwendigen wie nervigen Masken, die gestiegenen Energiepreise, die Inflation und die nicht enden wollende Irrenparade der Querdenker aufs Gemüt. Aber das wäre unter keinem Kanzler anders.

Kann man daher grundsätzlich auch sagen, dass wir in der Beurteilung der Herausforderungen einer Regierungsübernahme in dieser Zeit auch etwas mehr Geduld von uns selbst verlangen dürften? Ich denke, da geht noch was.