Marietta Slomka führte für das heute journal vom 3.9.2021 ein Interview mit mir zu den jüngsten Zahlen des ZDF Politbarometers aber auch zur Teamvorstellung von Armin Laschet.
Um die Dimension der Probleme von Armin Laschet zu begreifen, kann man auch die Beliebtheitswerte anderer Kandidaten bemühen. Rudolf Scharping hatte um den Wahltag 1994 herum einen Wert von +0,9, Martin Schulz kam 2017 auf +1,1. Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück notierten noch darüber. Armin Laschet liegt am 3.9.2021 bei einem Negativrekord von -0,8.
Seit dem die Forschungsgruppe Wahlen die Werte für die wichtigsten Politiker:innen erhebt, ist Armin Laschet mit -0,8 der historisch am schlechtesten bewertete Kanzlerkandidat. Am nächsten kommt ihm nur Annalena Baerbock mit -0,5. Olfa Scholz notiert aktuell bei +1,7. Das ist ein Spitzenwert – nur noch übertrumpft von der Kanzlerin (2,2) – die aber niemand mehr wählen kann.
Zum Interview geht es hier:
Oder im Wortlaut hier:
Intro: Frank Stauss ist Kommunikationsberater und macht seit 20 Jahren Wahlkämpfe. Er hat eine der Agenturen, an die sich Politiker wenden, wenn sie strategische Beratung und Wahlkampagnen brauchen. Mehrfach hat Stauss die SPD beraten, unter anderem auch Olaf Scholz.
ZDF: In diesem Bundestagswahlkampf sind sie nicht aktiv im Geschirr, sondern beobachten das sozusagen von der Seitenlinie. Wenn wir uns jetzt die Strategie der Union ansehen, Furcht vor einem Bündnis mit der Linkspartei im Bund zu wecken und damit Wähler zu mobilisieren, kann das für die SPD für Team Scholz sozusagen ein strategisches Problem werden?
Frank Stauss: In den Kampagnen der letzten Jahre hätte ich das klar bejaht, weil es in der Vergangenheit – ob das jetzt die Kampagnen von Steinbrück, von Steinmeier oder von Schulz waren – eine der wenigen Machtoptionen war. Oder zum Teil auch die einzige, die die SPD überhaupt hatte. Jetzt ist es allerdings anders.
ZDF: Wobei es ganz interessant ist – das ist auch so eine Zahl aus unserem Politbarometer – dass zwei Drittel der Befragten sagen, sie gehen schon davon aus, wenn die Mehrheitsverhältnisse entsprechend sind, dann macht das Herr Scholz mit der Linken trotz aller Vorbehalte, die es da gibt. Und 60 Prozent finden das überhaupt nicht gut. Also kann das nicht schon auch ehemalige Merkel-Wähler abschrecken? Wie sollte die SPD damit umgehen? Was würden Sie als Wahlkampfberater sagen?
Stauss: Die Kampagne der Union zielt ja genau darauf ab. Auf der anderen Seite hat eben dieses Politbarometer auch erhoben, dass es den meisten Menschen egal ist, ob die SPD jetzt im Vorfeld eine solche Koalition ausschließt. Das ist für mich ein ganz wichtiger Indikator. Denn es bedeutet, dass sie es zwar grundsätzlich nicht wollen, dass sie aber gleichzeitig dieser Frage keine so große Bedeutung zumessen.
Ich glaube, letztendlich ist es ein Nullsummenspiel, weil eben es so viele Optionen gibt. Und am Ende werden sich die Menschen, eben weil es so viel Verwirrung und Orientierungslosigkeit gibt, an den Personen orientieren. Und das ist ja gerade das große Problem von Armin Laschet, dass die Menschen eben Olaf Scholz nicht zutrauen, dass er eine instabile Koalition anführen würde.
ZDF: Stichwort Team Laschet: Drei Wochen vor der Wahl und dann immer noch so im Abwind – was kann man da eigentlich als Wahlkampfmanager überhaupt noch machen oder empfehlen?
Stauss: Ja, also meine Empfehlung ist da immer ganz klar, die Finger von einem Team zu lassen. Für mich gilt die Formel: Kommt das Team, folgt der Untergang. Das hat noch nie funktioniert. Ich erinnere mich an die Kampagne von Frank Walter Steinmeier, der ein Team in der Größenordnung einer Fußballmannschaft inklusive Ersatzkader präsentiert hat. Das hat alles nicht gefruchtet.
Ich erinnere mich an Rudolf Scharping, der von Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine gestützt werden sollte, aber eher gestürzt wurde. Also dieser Teamgedanke funktioniert nicht, und das hat auch eine ganz einfache Erklärung:
Und deswegen orientieren sich die Menschen tatsächlich an den Kandidaten.
ZDF: Aber versucht man nicht doch auch verschiedene Flügel damit abzudecken? Also zum Beispiel, indem man sagt, dass Herr Merz eine Rolle spielen soll, um CDU-Stammwähler, die das gut finden, zu erfreuen?
Stauss: Ja, das ist im Prinzip der Gedanke. Aber meine Erfahrung ist: Er funktioniert nicht, weil die Menschen sagen, man kann eine Kanzlerkandidatur nicht delegieren. Man kann auch eine Kanzlerschaft nicht delegieren. Das, was Herr Laschet gerade präsentiert hat, sind die verschiedenen Flügel seiner Partei. Die interessieren aber wiederum die Wählerinnen und Wähler nicht so richtig.
Herr Merz ist ein Angebot für den wirtschaftsliberalen Flügel, ist auch ein bisschen den Angriff an die FDP, von der die Union gerne wieder ein, zwei Prozentpunkte zurückhaben würde. Aber letztendlich ist meine Erfahrung, dass diese Teams eher Verwirrung stiften, weil Herr Laschet hat vor ein paar Tagen noch ein Klima-Team präsentiert, jetzt ein Kern-Team, das hört ja gar nicht mehr auf.
ZDF: Glauben Sie, dass in den nächsten drei Wochen noch viel passieren kann? Es ist ja ein verrückter Wahlkampf, man hat ja vieles noch vor ein paar Wochen nicht für möglich gehalten.
Stauss: Ja, es ist ein komplett verrückter Wahlkampf. Aber auch mit Werten, die ich meinem Leben noch nie erlebt hatte, dass eben auch ein Kanzlerkandidat der Union so unbeliebt ist. So war keiner zuvor, weder Rudolf Scharping noch Martin Schulz hatten so schlechte Werte. Die Stimmung dreht sich eindeutig in Richtung der SPD und Olaf Scholz. Und deswegen muss die Union was tun, allerdings läuft ihr die Zeit davon.
Das Interview führte ZDF heute journal-Moderatorin Marietta Slomka.