Höllenritt mit Jörg Thadeusz

Und nie war mehr Höllenritt oder Achterbahn als 2017. Rund 30 Minuten launiger Talk über Wahlkämpfe und die erweiterte Neuauflage von Höllenritt Wahlkampf (dtv, 2017).

Macron, Sanders, Merkel, Corbyn, Schröder, Clinton, Gore, Kraft, Dreyer, Scholz und Schulz…. alles ist in Afri Cola… äh, in diesem Interview.

Hier geht es zum Podcast der Sendung vom 20. Juni 2017 auf WDR2:

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Und hier geht’s zum Buch:

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Sechzehn Jahre Merkel?

Die Welt dreht sich weiter, aber unser Land hat leider schon ein paar Umdrehungen ausgelassen, während die Kanzlerin ideenfrei und unbehelligt vor sich hin wurschtelt. Ist das wirklich so brillant, dass man 16 Jahre damit verbringen muss? Muss man Merkel wirklich wählen, nur weil Trump und Putin widerlich sind? Gab es nicht mal Kanzler, die man wählte, weil sie etwas wollten?

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Ja, es gab mal Kanzler, die wollten was. Ich weiß, die meisten können sich daran nicht mehr erinnern – aber das war so. Selbst Helmut Kohl wollte etwas – schon bevor ihm die Wiedervereinigung die Unsterblichkeit sicherte. Er wollte Europa – so viel Europa wie möglich mit einer gemeinsamen Währung in einem gemeinsamen demokratischen Wertesystem. Brandt wollte was: Mehr Demokratie wagen, eine neue Ostpolitik, eine neue Friedensoffensive. Schmidt wollte das moderne, offen, erfolgreiche Deutschland schaffen und in Schröders Amtszeit fallen nicht nur eine Menge gesellschaftliche Reformen, sondern auch die entscheidende Weichenstellung für den heutigen Wohlstand, um den uns alle die Nationen beneiden, deren Verantwortliche diese Kraft nicht aufgebracht haben.

Merkel will nichts. Und wollte auch noch nie etwas. Das kann man machen und das kann ein Land auch eine Weile aushalten, wie man sieht. Und vielleicht waren die Menschen nach sieben Jahren rot-grünem Husarenritt auch erschöpft genug, um sich lieber verwalten als regieren zu lassen. Aber tut das Deutschland auch 16 Jahre lang gut?

Helmut Kohl regierte 16 Jahre. Die letzten vier davon waren für alle nur noch eine Qual. Es war eine bleierne Zeit des Stillstands, der Ideenlosigkeit, der ungeklärten Nachfolge und des inneren Zerfalls der Union. Ein kurzer Rückblick auf 2016, der Kampf bis aufs Blut zwischen Seehofer und Merkel, die gewetzten Messer der Neuen Rechten in der Union, die Selbstdemontage der Ursula von der Leyen und damit auch die völlig ungeklärte Frage, wer eigentlich die CDU hinter und nach Merkel ist… all das erscheint einem wie ein völlig unverhofftes und unerwünschtes Déjà-vu.

Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen. Nach heutigem Stand werden diese Herausforderungen keine Rolle im Wahlkampf spielen.

Daher habe ich mal einen kleinen persönlichen Wunschzettel formuliert, um wenigstens meinen kleinen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs zu leisten.

  1. Ich will einen Kanzler, der die Menschen aufweckt, statt sie einzulullen.

Es geht nicht um Panikmache. Es geht auch nicht um Beruhigungspillen. Es geht um politische Verantwortung. Die Digitalisierung ist gewaltiger als die Industrialisierung. Es ist die größte Veränderungswelle im Privaten wie im Geschäftlichen und Gesellschaftlichen seit Menschengedenken. Und die Menschen spüren es ja auch. Ganz besonders die Altersgruppe der 45-55-Jährigen. Eingeklemmt zwischen Erziehung der Kinder und Sorge um die Eltern sind sie auch noch beruflich verunsichert. Wer glaubt schon, dass seine Arbeit – so wie sie ist – noch 10, 15 oder gar 20 Jahre fortschreibbar wäre? Das ist nicht so. Nicht an der Werkbank, nicht im Büro, nicht in den Redaktionen.

Nein, das bedeutet nicht, dass wir alle keine Arbeit mehr haben werden. Aber es wird an vielen Stellen andere Arbeit sein.

Macht es nicht Sinn, darüber einen Wahlkampf zu führen? Wie wir leben und arbeiten wollen? Nicht in einer fernen Zukunft, sondern in 10 Jahren? Wie müssen unsere sozialen Sicherungssysteme fit gemacht werden? Welche Auswirkungen hat das auf Arbeitszeiten? Auf das Arbeitsleben, auf eine Grundsicherung, aber auch auf das Privatleben?

Nein – man muss nicht auf alles sofort eine Antwort haben. Aber gehört es nicht zur verantwortlichen Führung eines Landes, die Bevölkerung auf diese Veränderung vorzubereiten?

2. Ich will einen Kanzler, der unserer Wirtschaft nicht nur fördert – sondern auch fordert.

SPD, Grünen und anderen wird ja gerne vorgeworfen, dass sie unsere Wirtschaft überregulieren oder bremsen. Aha. Wenn unsere Wirtschaft die Energiewende zu dem Zeitpunkt eingeleitet hätte, als SPD und Grüne sie forderten, müssten wir uns heute keine Sorgen mehr um diese Herkulesaufgabe machen. Wer hat da gebremst? Wer hat da die Zeichen der Zeit nicht erkannt? Wer hat gemeinsam mit Schwarz/Gelb erst die Uhr zurück gedreht und dann die Steuerzahler die Zeche zahlen lassen?

Musste unsere Automobilindustrie sich erst von den Hybrid-Japanern und dann von einem amerikanischen Start-up düpieren lassen, wenn sie in E-Mobility investiert hätte, als SPD und Grüne dies forderten? Wir lassen uns von kongenialen Internet-Milliardären vorführen, wie man das geilste Elektroauto der Welt baut – und beschweren uns dann noch über Diesel-Abgasnormen. Der Skandal sind doch nicht die Abgasnormen, sondern dass man voll auf den Diesel gesetzt hat. Wer hat da gepennt?

Wo spielt Deutschland in der digitalen Spitze? Ja, wir haben jede Menge Hidden Champions vom Schraubendreher bis zum Hochdruckreiniger, aber ein paar sichtbare digitale Champions täten der Seele auch gut. Die letzte globale Erfolgsstory aus Deutschland im Software- oder Digitalbereich ist die SAP. Gegründet 1972.

Ist wirklich alles gut? Sind wir nicht doch zu satt, zu selbstverliebt, zu sicher? Wer treibt Deutschland an – gerade jetzt? Ist das nicht auch eine Führungsaufgabe?

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  1. Ich will einen Kanzler, der Einwanderung mutig angeht, nicht verdruckst.

Wer eigentlich soll den alten AfD-Wählern im Heim einmal den Hintern abwischen, wenn sie keinen Zuzug zulassen? Der demographische Wandel trifft Deutschland heute schon mit voller Wucht. Die Jungen ziehen in die Stadt, ganze Landstriche veröden und es mangelt an allem. Vor allem an jungen Menschen. Die fehlen an jeder Ecke: in der Pflege, im Service, in der Gastronomie, an den Schulen, in den Arztpraxen, Apotheken, der Feuerwehr und natürlich den Betrieben. Nein, eine vergreiste Republik ist keine kuschlige Angelegenheit. Soziale Dramen sind vorprogrammiert ebenso wie der Niedergang von Dörfern, Regionen bis hin zu Mittelzentren. Zuzug nach Deutschland ist keine Zumutung, sondern überlebenswichtig.

  1. Ich will einen Kanzler, der erkennt, dass schnelles Internet die Grundvoraussetzung für soziale Teilhabe ist.

Dass es in Deutschland noch Regionen ohne Internet gibt, ist ein Rücktrittsgrund für die Verantwortlichen. Die digitale Infrastruktur ist Voraussetzung für soziale Teilhabe, wirtschaftliche Chancen, Bildung und vor allem das EINZIGE Mittel gegen die Landflucht der Jungen. Erst wenn ich meine Firma, meinen Versand, mein Architekturbüro, mein Start-up in jedem Winkel Deutschlands ansiedeln kann, gibt es überhaupt eine Chance für diese Regionen. Es wäre schön, wenn das jemanden interessieren würde, der Kanzler sein will.

  1. Ich will einen Kanzler, der weiß, dass sozialer Zusammenhalt Bestandsgarantie für eine demokratische und erfolgreiche Gesellschaft ist.

Offensichtliche soziale Verwerfungen, Chancenungerechtigkeit und Bildungsmangel sind Gift nicht nur für eine Gesellschaft überhaupt, sondern auch für die Demokratie. Die Demokratie ist die fragilste Regierungsform überhaupt. Sie lebt von Akzeptanz und Zustimmung durch breite Mehrheiten. Soziale Gerechtigkeit und ein sozialer Ausgleich sind daher kein Luxus, sondern der Kern der Bestandsgarantie für eine Demokratie. Das müssen alle erkennen – und daher will ich auch einen Kanzler der genau dafür kämpft.

  1. Ich will einen Kanzler, der Europa lebt – und nicht nur predigt.

Nein, mich lassen junge Menschen ohne Arbeit und Perspektive nicht kalt. Nicht in Deutschland, aber auch nicht in Spanien, Portugal, Italien oder Griechenland. Wenn man Europa lebt, dann lebt man ganz Europa und nicht nur Deutschland in den Grenzen von 1990. Der Zustand Europas lässt sich nicht von 12 Jahren Bundeskanzlerin Merkel trennen. Und auch nicht von einem Finanzminister Schäuble. Europa braucht einen Neustart. Mit Schwung, mit Energie, mit Leidenschaft und einem Kanzler, der Europa wieder vereint, versöhnt und zu neuen Ufern führt – in unsere aller Interesse.

  1. Ich will einen Kanzler, der endlich die Gleichberechtigung durchsetzt.

Jeder kleine oder auch größere Erfolg auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Frau war ein Kampf gegen die CDU/CSU. Gegen die alten und die jungen Rechten und am Ende immer mit unnötigen, kräftezehrenden Kompromissen. Auf ein Machtwort aus dem Kanzleramt wartete man meist vergeblich. Und was die Gleichberechtigung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mit der Ehe anging, kam von Merkel sogar ein klares, begründungsfreies: Nein! Jeder kleine wie große Fortschritt musste vor dem Bundesverfassungsgericht erkämpft werden.

Ach, wäre das toll, wenn ein Kanzler mal wieder Spaß am Fortschritt hätte!

Kann auch mal bitte wieder jemand Freude an der Gleichberechtigung haben? Jemand wie Trudeau, zum Beispiel. Dem macht Gleichberechtigung Spaß. Und es ist ja auch wunderbar, Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen, ihre Liebe anzuerkennen, ihrem Kinderwunsch oder bereits ihren Familien und Erziehungsleistungen Respekt zu zollen.

Ja – und was ist denn jetzt mit Sicherheit, Terror und so? Ja, das sind wichtige Themen. Aber ich sehe nicht, dass es wirklich relevante Unterschiede zwischen den Parteien gäbe. Allen liegt die Sicherheit am Herzen und die Debatten drehen sich im Grunde um völlig irrelevante Details. Es sind wahlkampfgeschuldete Scheindebatten.

Bisher scheint mir der ganze Wahlkampf eine einzige Scheindebatte zu sein. Es gab mal die Idee, dass ein Wahlkampf über die Zukunftsfragen geführt würde. Bisher dreht er sich allerhöchstens um die Gegenwart.

Sidney Blumenthal hat 1989 ein wichtiges Buch geschrieben: „Pledging Allegiance – The last Campaign of the Cold War.“ Es ging um den US-Wahlkampf Dukakis gegen Bush Senior. Blumenthal beobachtete, dass 1988 – als Gorbatschow schon die Wende eingeleitet hatte und die Welt vor einer fundamentalen Neuordnung stand – sich der US-Wahlkampf um den morgendlichen Schulappell („I pledge allegiance…“) und einen Freigänger im Bundesstaat Massachusetts drehte. Er schrieb: „The old order was decaying, but a new order was not being created.“

Eine Nation stand vor der Zeitenwende und führte einen Wahlkampf über nichts.

Wir laufen Gefahr, inmitten einer massiven Zeitenwende einen Wahlkampf über nichts zu führen.

Dazu gehören immer mehrere Akteure: Amtsinhaber, Herausforderer, Medien – aber am Ende eben auch die Wählerinnen und Wähler, die sich das gefallen lassen.

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This is not a game. This is not about selling shoes.

CampaignTech Europe 2017. Closing remarks held at The Factory, Berlin, May 19, 2017.

Good evening.

I’ve been asked to talk to you about the role of the digital in the German elections. Well, I can take a shortcut. There is nothing to learn that you haven’t heard from others today.

Instead you might want to step outside and take a breath of fresh air.

Because the answer, why Germany is not an advanced digital campaign nation lies right in front of you.

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If you step out of this building you step into a crime scene of massive proportion.

Roughly 50 meters from here, people where shot and killed for trying to cross the street from the east to the west.

Look at the buildings on both sides of the street. People gathered for dinner, turned on the light in the living room – saw each other across the street but couldn’t cross the street without getting shot by the border troops.

The wall was up until 1989 and many got killed or imprisoned and tortured because their critical views about the governing regime were conveyed to the secret police through neighbors, friends, even relatives.

Some 45 years before, same city, other regime: thousands of citizens of Berlin – millions across Europe – deported into the concentration camps, tortured, starved to death or executed because of their religion, political views, homosexuality – not few of them betrayed by their neighbors, colleagues even relatives.

Now, what is the old man talking about.

I am talking about prevailing cultural differences between people in democratic nations in spite of the many similarities we observe in shopping malls, fast food chains or Facebook accounts.

If you care about technological knowledge transfer especially from US-Campaigns or UK-Campaigns to Germany and many other nations you have to take into account, that you are balancing on a very thin line.

We heard a lot today about micro targeting, data mining and gathering as much information as possible about the electorate in order to customize messages and improve the position of your client.

Fine. I am all with you. And yet, I cannot make use of all of the technology available, even if I wanted to – and even if I were able to afford it.

Germany has some of the most complicated and effective data-protection laws in the world.

That is, because we lived under two of the most effective dictatorships of the 20th century. The Nazis as well as the Communists used social profiling and social networks – offline, that is – to gather as much information about each individual citizen as possible. To keep control, to demoralize, to threaten, to hurt and eventually to kill whoever stood in the way.

This is not a game we are in.
This is not about selling shoes.

Yes, we all have a selfish interest in fair and open elections since that is the business we are in. But it is more than that. Hopefully to each one of us.

We are working hard in the engine room of our democracies and it is also our responsibility of whether or not the ship will go down or prevail in stormy weather.

The essence of the democratic electoral process – the right of each citizen to cast his or her vote in the safety of secrecy – is at stake.

You are standing on blood-stained soil today – and much of this blood was shed due to the effectiveness of what we in Germany refer to as “Desktop Assassins”. Cold blooded men and women – but mostly men – sitting not far from here at their desks and most effectively planning deportations, gas chambers and the death of six million Jews through massive data mining and micro-targeting.

With that in mind: Data protection laws in Germany are not an old fashioned, somehow amusing or irritating and eccentric relict of the past – standing in the way of our excellent technological abilities. These laws are the answer to two dictatorships – the last one collapsing only 28 years ago in this very city.

So all I can ask you is to be aware of what we are capable of with todays technology: We are profiling our people politically.

With our knowledge we are able to look in the head of others. We know what they think about global warming, social security, homosexuality, democracy, Angela Merkel, Donald Trump, Vladimir Putin, their neighbor, their mayor and more than that.

And we who gather the data for our cause – which each of us considers a good cause – are responsible of what we do with the data we collected. And of what can be done with this data once times change. Once governments change.

Once democracies turn over to pseudo democracies and later to dictatorships.

Once – let’s say – a travel ban is enacted not based on the country of origin, but on your voting behavior, sexual orientation or critical view about the current government.

So: we bear responsibility because we know so much and because we have advanced technology on our hands that can be used for a good cause – as well as for the opposite.

On that happy note I switch to the German election 2017

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The first campaign I actually got paid for was the campaign for the first and last free election in the German Democratic Republic held in March 1990.

The elected Parliament abolished itself only 7 months later and the GDR became part of the Federal Republic of Germany.

By the way: I got paid lousy – and subsequently the result was lousy.

We had two innovative communication tools at hand. One was a landline phone that enabled us for calls inside East-Berlin. Our second landline phone was ready for outside calls – in all of East Germany.

At that time only 10% of the population in the GDR had access to a phone at all – and most of the opposition never experienced the luxury of a phone.

Well, why didn’t we twitter… Hm, because it was 1990 in East Germany: no fax, no e-mail, no world wide web, no computers not even Xerox machines.

So we organized the distribution of billboards and most of the printed campaign material via telegram. Yes, we send a telegram to our ground manager in Leipzig: Please unload campaign material –stop – tomorrow noon –stop – at central station.

Most of the time, nobody showed up.

But the lack of technology was not our main problem and the reason why we ultimately lost the election.

The reason was the lack of a convincing message.

Chancellor Helmut Kohl and his party promised hard currency, unification, wealth and “blooming landscapes”. He and his party were the most convincing campaigners for unification.

The smaller opposition parties were the most convincing campaigners for a third way: a modern GDR without unification.

And the old communists were the most convincing old communists.

The Social Democrats found no coherent and convincing message of their own.

But especially in times of turmoil your message has to be clear, convincing and simple.

So we lost.

And we would have lost with any of the technology at hand we heard about today.

Now. Almost 30 years and more than 30 campaigns later I am here to tell you:

Yes, you can tip an election that is almost too close to call in your direction through better targeting and custom made messages. But as far as I can see it has not been proofed and tracked down to that single technological breakthrough or advance. It has been claimed often – but never proofed. Because it can’t be proofed.

There never was the one singular technology or choice of channels as a cause for defeat or victory

Neither here nor anywhere I took a closer look.

In the upcoming German election we expect 7 parties to enter the next parliament. CDU, CSU, SPD, Greens, FDP, Linkspartei, AfD.

It will be a highly competitive election and due to a variety of coalition options after the election the winning party will not necessarily be able to claim the office of the chancellor.

Germany now has a population of roughly 80 million. The population in the highly contested US Battleground States sums up to 80 million as well. And only there a campaign actually spends money and energy.

In the US the two biggest parties spend roughly 1.5 billion EUR each. In Germany the two biggest parties spend 25 million EUR each. This amount has remained on the same level in the last 20 years, while so many more channels have to be served.

In the US about 1 million TV ads were aired in the battleground states. In Germany roughly 1000 ads were aired due to campaign regulations.

With all that in mind, a campaign manager in Germany has to make some very hard choices. In a campaign you permanently lack manpower, money and time.

And as campaign manager of a big party, the fragmentation of media channels raises more highly important issues. Because part of your target group already lives 100% in 2017 – but many still live very much in the year 2000. So you can’t cut traditional media spending as much as you probably wanted to. Same with out of home.

So: yes, we face a lot of restrictions. But as I mentioned before – maybe not all of these restrictions are a bad thing.

My two cents of advice:

If you want to find the answer of why a candidate won, I urge you not to look at the winner.

The winning team and anyone only remotely connected to the campaign is so busy claiming victory for themselves and the part of the campaign they worked for, that you hardly find a sane person to interview.

Journalists almost never have a clue and only write about the hottest new stuff in order to find an explanation for what they probably did not see coming.

If you want to find the key to an election result, look at the losers.

Most of the time they were competitive in fundraising, competitive in technology, competitive in media spending and on the ground. They had articulate candidates not breaking under pressure and performing fine. They had all of that and good, intelligent people – some excellent, bright and ambitious.

And yet they lost.

Because they had no convincing message.
No convincing reason why.

Oh yes – they had a lot of policy answers, sometimes even brilliant programs.

But they did not manage to find the one convincing reason why.

And if you look at the US you will find the answer, why Hillary lost, not in the Trump campaign. You will find it – as in 2008 in the democratic primaries – in the Clinton Campaign.

And in September in Germany it will not be any different.

Both major parties are ready technologically – as ready as they can be, given the laws of the land.

Both major parties have able campaign directors and staff.

But it all comes down to one simple question:

Is Angela Merkel able to deliver a convincing argument why Germany is in need for a fourth term – for another four years after 12 years in office?

An election is not about saying thank you to an incumbent. Winston Churchill won the Second World War and was voted out of office only months later. Helmut Kohl was the architect of a united Germany and was voted out of office when Germany felt, that he had nothing else to give.

Now, is Merkel better for Germanys future as her challenger or not?

Martin Schulz was nominated in late January as the Social Democratic Candidate. That was a late start – maybe too late.

But the man is full of energy and power.
Will he be able to make the convincing argument?

Why a Germany facing the digital revolution, facing challenged democracies all around us, facing a fragile Europe – now needs a fresh start more than ever.

If one candidate is able to find that convincing argument the whole campaign will carry him or her.

With advanced new technology, old print ads, GOTV, Billboards, TV. Radio and Social Media campaigning, rallies and all of that.

If you have no message, nothing will safe you.

Not one thing we have discussed today.

I have not heard that convincing argument yet either from Angela Merkel or from Martin Schulz.

Until September 24 they better have a message to deliver.

Thank you.

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Auffe Achterbahn

Die SPD landet 1,8% hinter der CDU und kassiert in NRW ihr bisher schlechtestes Ergebnis.  Die CDU gewinnt mit dem zweitschlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte, denn das schlechteste hatte sie ja gerade erst bei der letzten Wahl. Willkommen auf der Achterbahn.

Fünf Beobachtungen im Wahljahr 2017:

Wie wer wen warum gewählt hat oder auch nicht, wird und wurde ja schon andernorts ausführlich beleuchtet. Hier einige ergänzende Eindrücke.

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  1. NRW ist ein Battleground-State – seit gut 20 Jahren.

Zunächst einmal darf man NRW nun auch offiziell zu den dauerhaft umkämpften Battleground-Staaten Deutschlands wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Hessen zählen. Das ist eigentlich schon seit 20 Jahren so, aber mancher hat das nicht so recht mitbekommen. Immerhin lag die CDU bei den letzten vier Wahlen drei Mal vor der SPD, nämlich 2005, 2010 und jetzt 2017.

Auf jeden Fall ist das Wahlverhalten sehr volatil. Die SPD hat dieses Mal im Vergleich zu 2012 7,9%* verloren. (*es sollte Prozentpunkte heißen, das ist mir aber zu lange, denkt es euch bitte dazu, danke). Allerdings war es vor sieben Jahren genau andersrum. 2010 stürzte die CDU von 44,8% auf 34,6% ­– ein Minus von 10,2. Und 2012 nochmal von 34,6 auf 26,3 – also nochmal -8,3. Macht immerhin minus 18,5 in nur zwei Jahren. Die jetzt errungenen 33% sind das zweitschlechteste Ergebnis in der Geschichte der CDU in NRW – unterboten nur von den 26,3% von 2012.

Also: 2012 minus 8,3% für die CDU und 2017 minus 7,9% für die SPD. Das nenne ich mal tektonische Verschiebungen für deutsche Verhältnisse.

Dass diese Wahl knapp werden würde, hatte sich bereits seit fast zwei Jahren angekündigt. In den letzten Jahren lag die CDU häufig gleichauf mit der SPD in den Umfragen oder überflügelte sie. Hier mal ein paar Beispiele von Infratest Dimap: Dezember 2014: CDU 36%, SPD 35%. Dezember 2015 – also vor der berühmten Silvesternacht: CDU 35%, SPD 34%. Und danach, im Februar 2016: CDU 33%, SPD 31%. Und Ende 2016, nach einem sehr schwierigen Jahr für Hannelore Kraft und ihre Regierung, stand es 32:32.

Das war also eine knappe Wahl, bevor sie von dem „Schulz-Effekt“ kurzzeitig in den Umfragen von Februar und März aus dem Lot geriet. Aber schon am 23. April hieß es bei Infratest wieder Kopf-an-Kopf: 34:34.

Das nur für die Zukunft, damit man Begriffe wie „Stammland“, „Herzkammer“ und so weiter endgültig in die Geschichtsbücher verweisen kann. Mit der Realität hat das schon über gut zwei Jahrzehnte nichts mehr zu tun. NRW wählte in den 70 Jahren Bundesrepublik die ersten 20 Jahre CDU, dann 30 Jahre SPD und nun schon 20 Jahre wechselhaft.

  1. Die CDU-Gewinner 2017 haben von den CDU-Verlierern 2016 gelernt: Wer nach rechts rückt, verliert.

NRW ist ein hart umkämpftes Bundesland und niemand ist davon ausgegangen, dass das Ergebnis von 2012 zu halten wäre. Dafür gab es zu viele Angriffsflächen und Symbolthemen, die besonders das Thema Innere Sicherheit immer wieder in den Vordergrund rückten. Aber auch die Bildungspolitik blieb ein dauerhafter Aufreger wie schon in vielen Wahlkämpfen zuvor. Die bekannten Analysen sprechen für sich.

Ganz wichtig für den Erfolg der CDU war aber ein anderer Faktor: Der Herausforderer Armin Laschet hat ebenso wie Frau Kramp-Karrenbauer und Herr Günther keinen Wahlkampf mit Rechtsruck geführt.

2016 verloren die CDU Kandidaten Klöckner, Caffier, Henkel, Wolf massiv bei ihren Versuchen, sich durch rechte Töne von der Kanzlerin abzusetzen. Laschet blieb bei seiner liberalen Grundhaltung und bot so keine harte Angriffsfläche für Grüne und SPD – nur für Hardliner in den eigenen Reihen. Man darf vermuten, dass es keine so massive Wählerwanderung von der SPD zur CDU gegeben hätte, wenn diese nicht mit einem liberalen Mann im liberalen NRW angetreten wäre.

  1. Wie erklären sich diese großen Schwankungen zum Kampagnenende bei fast allen Landtagswahlen der letzten Jahre?

Landespolitik gehört zu den großen Verlierern des medialen Umbruchs. Der massive Auflagenrückgang regionaler Tageszeitungen und die relativ geringe, vor allem aber überalterte Seherschaft von Abendschauen führen dazu, dass Landespolitik im Bewusstsein weiter Teile der Bevölkerung kaum vorkommt. Immer weniger Menschen kennen Landesminister beim Namen und nur mit etwas Glück fällt ihnen der Namen eines Oppositionsführers ein. Nicht wenige kommen schon beim eigenen Ministerpräsidenten ins Straucheln.

Das erklärt zum Teil auch die hohen Abweichungen in den Umfragen – vor allem dann, wenn Landespolitik durch massive bundespolitische oder internationale Interventionen überlagert wird. Je größer der Abstand zu einer Landtagswahl, desto höher die Beeinflussung der Umfragen durch ganz andere Anlässe als die Landespolitik.

Im Umkehrschluss bedeutet dies auch: Je näher eine Landtagswahl kommt, desto stärker befassen sich die Menschen mit der aktuellen Landespolitik – wenn auch nur relativ oberflächlich und kurz.

Dies ist eine mögliche Erklärung für die doch erheblichen Schwankungen in den Umfragen zu Landtagswahlen über die letzten 6 Monate vor der Wahl. In Rheinland-Pfalz kam die erste Umfrage, in der die SPD vor der CDU lag, am Donnerstag vor der Wahl. In NRW war es ebenso: Die ersten Umfragen mit leichtem Vorsprung für die CDU kamen 3-4 Tage vor der Wahl.

Nennen wir es neudeutsch „Late zooming in“. Viele schauen kurz hin, treffen relativ rasch eine Entscheidung, gehen wählen (immerhin) und vergessen Landespolitik schnell wieder.

Zusammengefasst kann man sagen: Vor etwa einem Jahr in Rheinland Pfalz hatten die Menschen einen sehr guten Eindruck von Malu Dreyer, obwohl sie in den Umfragen drei Jahre lang die SPD hinten sahen und innerhalb einer Woche verwandelte sich ein Rückstand in einen Vorsprung von 4,4% am Wahltag. Hinzu kam, dass Julia Klöckner stark polarisierte und viele Menschen im Land partout nicht wollten, dass sie MP wird.

In NRW hatten die Menschen keinen guten Eindruck von der Rot-Grünen Landesregierung insgesamt. Sie hatten auch keinen so tollen Eindruck von Armin Laschet. Aber er polarisierte nicht. Wer nicht polarisiert, weckt auch keine Gegenbewegung.

Hinzu kommt: Eine Landtagswahl in NRW wird härter geführt als alle anderen Landtagswahlen. Die nationale Medienaufmerksamkeit ist massiv und in diesem Jahr war die Presselage für die Regierungsparteien verheerend. Aus meiner befangenen Sicht war sie auch unverhältnismäßig hart, aber das sollen andere beurteilen. Am Ende kann aber auch ein medialer Bias nur dann funktionieren, wenn es einen Nährboden der Unzufriedenheit gibt.

Das Grundgefühl – so muss man es wohl zusammenfassen ­– lautete: Irgendwie läuft das hier nicht wirklich gut. Probieren wir es mal mit dem netten Onkel, viel kaputtmachen wird er nicht. Es war vielen einfach ziemlich egal. Nicht viel anders wird es in Schleswig-Holstein gewesen sein, wo die Leute quasi N.N. von der CDU gewählt haben.

  1. Welchen Einfluss hat der Bundestrend? Oder umgekehrt?

Die letzten Landtagswahlen liefen nicht gut für die SPD. Einzig im Saarland (-1%) und in Rheinland-Pfalz (+0,5%) konnte die SPD ihre Ergebnisse im Vergleich zur vorausgegangen Wahl halten. In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt gab es sogar zweistellige Verluste.

Betrachtet man die Landtagswahlen allerdings eine nach der anderen, kommt man zu dem Ergebnis, dass sich die Wähler mit Ausnahme massiver Interventionen wie Fukushima oder die Flüchtlingsdebatte bei Landtagswahlen auf ihr Bundesland konzentrieren. Die Neuordnung der SPD-Parteispitze war keine solche massive Intervention. Sie hatte, wenn überhaupt, dann nur geringe Auswirkungen auf die drei Landtagswahlen 2017.

  1. Was sagt uns das für die Bundestagswahl? Nichts ist sicher!

Die Leute orientieren sich schneller und in immer größerer Zahl neu. Es ist sehr viel Bewegung im Land.

Wenn Bewegung drin ist, ist Bewegung drin – in jede Richtung.

Ein Beispiel: 2005 verlor die SPD die Landtagswahl in NRW im Mai klar: CDU 44,8%; SPD 37,1%.

Im Mai 2005 wählten 3.058.000 Menschen in NRW bei der Landtagswahl die SPD. Im September 2005 wählten 4.096.112 Menschen in NRW bei der Bundestagswahl die SPD.

Die CDU kam im September 2005 bei der Bundestagswahl nur noch auf 34,4%. Ein Minus von 10,4 im Vergleich zur Landtagswahl in nur vier Monaten. Und eine Million Stimmen mehr für die SPD.

Man darf sich einfach nie zu sicher fühlen.

 

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Persönliche Anmerkung.

Mit Hannelore Kraft verbindet mich viel. Sie hat 2007 nach ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden in NRW bald Kontakt zu uns aufgenommen und zu mir und der Agentur auch dann noch gestanden, als das furchtbare Wahljahr 2009 fast alle Chancen für die NRW-Wahl 2010 zunichte machten. Und 2010 gelang ihr dann das Unmögliche: Sie holte NRW nach nur 5 Jahren Schwarz/Gelb für die SPD zurück und krönte diesen Erfolg 2012 mit einem Ausnahmeergebnis. Die Verantwortung für die Niederlage 2017 hat sie so klar und direkt angenommen, dass ich nur den Hut ziehen kann. Am Ende dieses schrecklichen Wahlabends rief sie auch noch an, um uns zu trösten! Es fehlten mir die Worte, was selten genug vorkommt. Eine Wahl gewinnen immer viele, beim Verlieren wird es einsam. Aber ich bin mir sicher, dass mit etwas Zeit die sieben Jahre der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in NRW als eine Zeit gewürdigt werden, in der die Grundlagen für gesellschaftliche, soziale und fiskalische Erfolge gelegt wurden. Mir und meinem Team bleibt nur, danke zu sagen für ein Jahrzehnt vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der ganz außergewöhnlichen Politikerin und dem ganz besonderen Menschen Hannelore Kraft.

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Danke.