YES WE CAN MAKE AMERICA GREAT AGAIN

An der Europuniversität Viadrina hielt ich auf Einladung einer Internationalen Konferenz des Sprachenzentrums einen Vortrag über die Macht der Sprache.

Nach der Veröffentlichung als Podcast in der Deutschlandfunk Nova Reihe „Hörsaal“ wurde ich häufiger gebeten, den Vortrag auch schriftlich und vor allem auch mit dem im Hörfunk doch eher bedingt sendefähigen Bildmaterial bzw. Links zu veröffentlichen. Hier ist er.

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Und da einige auch fragten, warum ich denn nichts zu Corona schriebe, ein kurzer Hinweis: Hände waschen, Abstand halten, andere nicht anhusten. Es ist alles gesagt.

YES WE CAN MAKE AMERICA GREAT AGAIN.
Sprache und ihre Macht in der politischen Kommunikation.
Vortrag im Audimax der Europauniversität Viadrina, Frankfurt an der Oder, 5. März 2020.

50. Geburtstag AKS an der Uni Viadrina
Freundliche Begrüßung durch Universitätspräsidentin Julia von Blumenthal
  1. INTRO: SPRACHE IST NEUTRAL. OB SIE GUTES ODER BÖSES AUSLÖST LIEGT AN UNS.

Ein Hörsaal voll von Menschen, die ihr berufliches Leben der Vermittlung von Sprachen widmen. Schön!

Sprachkenntnis bedeutet so viel Schönes: Völkerverständigung, Zugang zu fremden Kulturen die sich erst durch Sprachkenntnisse endgültig erschließen lassen, Vielfalt, Integration, Partizipation.

Wenn ich an Sprachunterricht denke, dann sehe ich fröhliche Menschen mit unterschiedlichen soziokulturellen Hintergründen, die sich zusammengefunden haben, um gemeinsam eine Sprache zu lernen oder ihre Sprachkenntnisse zu vertiefen. So wie auf jedem Prospekt für eine Sprachreise, auf jeder Homepage einer Sprachschule oder jeder App: Überall gutaussehende, junge, lachende Menschen die eines verbindet: das gemeinsame Erlernen einer neuen Sprache. Vielleicht kommt noch eine Nonne auf dem Fahrrad vorbeigefahren und lächelt gütig.

Aber Sprache – und wer wüsste das besser als Sie – ist nur so gut wie die Menschen, die sie sprechen.

Sprache, das haben wir über die Jahrhunderte gelernt und lernen wir gerade jeden Tag aufs Neue – Sprache ist auch eine Waffe.

Sprache ist Macht.

Sprache markiert Hoheitsgebiete, territoriale und ethnische Zugehörigkeit.

Sprache ist Mittel der Unterdrückung ebenso wie Zeichen der Unabhängigkeit.

Sprache kann ebenso gut für Separation und Segregation stehen wie für Dialog und Integration.

Sprache kann zu Sprachlosigkeit führen.

Denken wir nur einmal an Konflikte der jüngeren Geschichte.

An territoriale „Säuberungen“, die sich häufig nicht nur auf Religion oder Ethnien beziehen, sondern auch auf Sprache. Dann wird Sprachunterricht zu Umerziehung. Oder auch zum Einfallstor, um über Sprache Minderheiten zu mobilisieren und Staaten zu destabilisieren.

Sprache war schon immer auch Unterdrückungs- und Manipulationswerkzeug .

Beispielsweise im Spanien der Franco-Diktatur, als Katalanisch bzw. Mallorquin verboten wurde. Eine Unterdrückung, die allerdings bereits ab etwa 1715 mit den Bourbonen Königen begann.

Ein weiteres Beispiel aus der Spanisch-Französischen Grenzregion ist natürlich Baskisch. Das noch stärker zur Identifikation beiträgt, weil es sich um eine isolierte, nicht verwandte Sprache handelt. Wer sich mehr für diesen Konflikt und auch die Auswirkungen der Sprache interessiert, dem empfehle ich den Roman „Patria“ von Fernando Aramburo.

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Womit wir bei der Literatur, der Kunst, dem Theater, der Oper, der Musik, den Dichtern & Denkern wären. Auch hier kann Sprache alles sein: Schön und häßlich, fröhlich und feindlich, poetisch und kriegerisch, demokratisch und totalitär. Kulturpolitik war und ist in der Geschichte nicht selten Sprachpolitik. So wurden eben das Katalanische im 17. Jahrhundert zunächst von den Bühnen verbannt – denn die Bühnen waren ein Instrument der Sprach- und damit der Machtdominanz.

Heute haben wir ganz andere Bühnen. Und wenn wir von Hate-Speech in den sozialen Medien sprechen, sprechen wir natürlich auch über eine Sprache der Ausgrenzung, Aufwiegelung und Hetze.

Nun sind wir hier heute in Deutschland und in direkter Nachbarschaft zu Polen, das vor nicht allzu langer Zeit nicht hier lag, sondern weiter östlich und deshalb muss ich territorial gar nicht weit abschweifen, um über Machtpolitik, Sprachpolitik, Vertreibung, Umsiedlung und Umerziehung zu sprechen.

Und über Vernichtung. Denn Sprache kann hetzen, manipulieren, desinformieren, agitieren und in letzter Konsequenz auch töten und vernichten. Und wo muss man eindringlicher daran erinnern als hier, in Deutschland und direkt an der Grenze zu Polen.

Doch heute stehe ich hier an einem Ort der Versöhnung, der Verbundenheit, der Völkerverständigung und der Hoffnung.

Und damit meine ich nicht nur die Stadt Frankfurt (Oder) – aber eben auch die Stadt. Und natürlich meine ich die Europa-Universität Viadrina, die – wie ihr Name schon sagt – ein großartiges Symbol für die Hoffnung und Verständigung ist.

Mich verbindet mit Frankfurt (Oder) und der Viadrina absolut nichts. Oder- moment mal. Doch! Mein Diplom vom Otto-Suhr-Institut für Politische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin wurde 1993 unterschrieben von der damaligen Dekanin, einer gewissen Gesine Schwan. Für alle, die es nicht wissen, von 1999-2008 war Prof. Schwan Präsidentin der Europa-Universität Viadrina.

Aber zurück ins Jahr 1993, zu mir und endlich auch zu meinem eigentlichen Thema.

Meinem Abschluß als Diplom Politologe 1993 war ein zweijähriger Aufenthalt an der George-Washington-University in Washington DC vorausgegangen. Als Stipendiat der Fulbright-Stiftung lebte ich damit mittendrin in der Herzkammer der politischen Kommunikation.

  1. WAHLKAMPF – DAS MEKKA DER KOMMUNIKATION

Wahlkämpfe hatten mich schon seit frühester Jugend – fast seit meiner Kindheit – fasziniert.

Ich weiß, das ist für ein Kind ein einsames Hobby. Aber wie für alles gibt es auch hierfür eine globale Community. Oder Freaks. To make a long story short. Ich wurde während des Studiums Praktikant bei einem Senator aus Tennessee namens Al Gore,

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Er hatte die bessere Krawatte und ich hatte noch Haare.

dieser wurde Vizepräsidentschaftskandidat von Bill Clinton, ich durfte 1992 mit in das Wahlkampfteam wechseln und mache seither kaum noch etwas anderes.

Ich liebe Wahlkämpfe und noch mehr, sie zu gewinnen.

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Election Night/Morning, Nov.3rd 1992

Wie vor zwei Wochen in Hamburg für die SPD.

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Pressespiegel Hamburg 24.2.2020

Wer mehr darüber erfahren möchte, dem kann ich guten Herzens „Höllenritt Wahlkampf“ als  Lektüre empfehlen. So, enough advertising for myself.

Wahlkampf ist für alle Beteiligten ein Höllenritt – und gleichzeitig faszinierend. Für mich ist es das Hochamt der Demokratie. Es gibt nichts Schöneres, als an einem Wahltag die Menschen in die Wahllokale strömen zu sehen.

Jeder Mensch mit einer Stimme –ob arm oder reich, Mann, Frau, Transgender, Muslima, Christ, ob schlau oder doof, schön oder häßlich – ein Mensch eine Stimme.

Aber zum Wahltag gehört der Wahlkampf.
Das Werben um die Wählerinnen und Wähler.

Seit Erfindung der Demokratie gibt es Wahlkämpfe – und schon wesentlich länger gibt es Kampagnen. Denn wenn man einen König, Kaiser, Sultan, Herrscher vor dem Zeitalter moderner Massenkommunikation bekannt machen wollte, dann geschah dies durch Ausrufe, Aushänge, Gesänge oder auch durch die Prägung von Münzen.

Moderne Wahlkämpfe wurden und werden in den USA geprägt. Weil die USA auch maßgeblich unser heutiges Marketing, Werbung, PR und natürlich die Medienkultur überhaupt prägen. Von Social Media ganz zu schweigen. Die Welt orientiert sich nach wie vor an der hegemonial prägenden Kultur der USA. Und zwar freiwillig. Das gilt von Hollywood und Disney über TV-Formate zu Netflix, Facebook, Twitter, Amazon & co.

Ein Wahlkampf ist heute alles auf einmal. Sie müssen jeden Kanal bedienen, jedes Werkzeug beherrschen.

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Richel/Stauss: Disziplinen der Wahlkampfkommunikation

Als ich 1990 in die USA kam, galt Washington schon lange als das Mekka der politischen Kommunikation. Amerikanische Werbeagenturen hatten schon seit den 60er Jahren moderne TV-Wahlkämpfe geprägt mit John F. Kennedy einen eigentlich als chancenlos betrachteten Kandidaten durch die Macht der Bilder ins Weiße Haus gebracht.

Aber war es wirklich nur die Macht der Bilder? Nun, im Wettstreit mit Richard Nixon – der dann sieben Jahre Präsident wurde – halfen Bilder bestimmt. Aber auch Worte. Wie Sie alle wissen, hinterlassen Sprachbilder, Metaphern die stärkste Wirkung bei den Menschen. In dem Augenblick, in dem ein Wort oder eine Ansammlung von Worten beim Empfänger innerlich ein Bild entstehen lassen ist die Wirkung deutlich stärker und auch nachhaltiger.

Heute wissen wir das aus der Forschung, geahnt haben wir es schon länger. Viel länger. Im amerikanischen Bürgerkrieg nutzte Präsident Lincoln eine bis heute wirkmächtige Metapher:

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Heute sind die USA wieder geteilt.

Es ist kein Bürgerkrieg.

Und er verläuft auch nicht entlang territorialer Grenzen wie Nord und Süd.

Es ist ein Krieg der Worte und die Grenzen verlaufen zwischen Familien, Freunden, Arbeitskollegen.

Sie verlaufen nicht mehr entlang der klassischen bisherigen sozioökonomischen Prägung von früher: Also etwa zwischen Arbeitern und Angestellten, Katholiken und Protestanten, Reich und Arm, Gewerkschaften und Arbeitgebern – sie verlaufen heute viel stärker entlang soziokultureller Grenzen. Und diese finden sich querbeet.

Und dieser Krieg der Werte und Krieg der Worte baut sehr stark auf Sprache, Sprachbilder und Metaphern.

Noch dazu findet Wahlkampf heute in einer völlig veränderten Medienlandschaft statt.

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Richel/Stauss: Medialer Wandel 1999-2019

 

Wenn Sie in einer solchen Landschaft durchdringen wollen, müssen Sie ihre Botschaft noch stärker zuspitzen, Sie müssen noch stärker emotionalisieren und polarisieren.

Sie müssen mit einer starken Stimme sprechen.

Und mit einer klaren Sprache.

­III. DIE MACHT DER SPRACHE: HOPE VS. FEAR

Die Bedeutung der Sprache, des FRAMINGS und des STORYTELLINGS hat George Lakoff von der University of Berkley, einer der bekanntesten Linguisten und Kognitionswissenschaftler, dies bereits 1996 in seinem Buch „Moral Politics“ hervorgehoben.

Framing

Er machte für eine in Richtung Konservatismus verschobene Debattenhoheit vor allem an der Akzentverschiebung der Republikaner auf der Werteebene verantwortlich.

Es ging nicht mehr nur um die Wirtschaft – es ging immer stärker um Werte. Damals wie auch heute um „Family Values“, die aus Sicht der Konservativen vor allem immer mehr in Gefahr sind.

Lakoff machte deutlich, dass die Konservativen nahezu ihren ganzen Diskurs auf der Ausdehnung dieser Family Values und besonders auch deren Bedrohung aufbauen.

Die Nation wird sprachlich wie eine (große) Familie betrachtet, die von innen wie von außen bedroht wird. Durch Disziplinlosigkeit, Verwahrlosung, Eingriffe von Dritten (Gesetzgeber),

Beschneidung der Hoheitsrechte, Eindringlinge, Unordnung, Veränderung, Aushöhlung, Gender-Rights, Schwulenrechte, Frauenrechte.

Dies alles führt zu Schwäche statt Stärke.

Eine starke Familie schützt sich.

Eine starke Nation schützt sich.

Ein starkes Volk lässt sich nicht unterkriegen.

Tradition macht stark.

Veränderung macht schwach.

 

Das ist ein sehr starkes Framing.

Es fußt maßgeblich auf Angst.

Es geht um Schutz, ums Bewahren.

Bis heute wird in diesen konservativen Familien-Frame alles eingebettet, was Gefühle von Bedrohung durch Veränderung auslöst. Und es wird häufig geleugnet, dass Veränderung überhaupt notwendig sei. Wie etwa, ob es den Klimawandel überhaupt gibt.

Für die Bedrohung kann auch keine Metapher stark genug sein.

Auch in Deutschland nicht.

Die „Fluchtwelle“,

die „Asylschwemme“,

die „Messermigranten“.

Aber Metaphern können auch harmloser daherkommen und dennoch Wirkung entfalten.

Steuern, zum Beispiel, sind aus konservativer Sicht ein unschöner Eingriff in unsere Hoheitsrechte. Sie werden nicht erhoben, um Schulen, Kindergärten, Universitäten, Straßen, Radwege oder soziale Sicherungssystem zu finanzieren. Nein, sie sind eine Last.

Schon längst wird der Diskurs über Steuern von Metaphern geprägt. Sie sind nicht so radikal, aber wirksam.

Wir sprechen von „Steuerlast“.

Gerne angereichert durch „Erdrückende Steuerlast“, von der wir „befreit“ werden müssen.

Positiv spricht man nur von „Steuererleichterungen“ und man sieht förmlich, wie der von der Steuerlast erdrückte Bürger den mit Steinen befüllten Rucksack von sich wirft und erleichtert und befreit seines Weges hüpft. Befreit von dieser Last kann er jetzt wieder Jagen und Sammeln nur für seinen Stamm und seine Familie.

Wer heute „Make America Great Again“ hört, verbindet damit häufig Machtstreben, Ausgrenzung, Dominanz, Macho…. Aber sind die Worte nicht unschuldig?

Reagan 1980: Let`s make America great again.

Ja, im Vergleich zu heute war Ronald Reagan ein eher gemäßigter Präsident. Aber auch er bediente sich dem erfolgreichen konservativen Framing der Stärke.

Heute sind dieselben Worte aber noch weniger unschuldig. Denn heute stehen sie in einem noch wesentlich nationalistischeren Kontext. Es geht nicht nur um die Stärke der eigenen Nation. Es geht auch darum, sie vor Eindringlingen und Einflüssen zu schützen.

In dieses populistisch-konservative Framing werden auch auf den ersten Blick entfernte Ereignisse eingebettet. Das isolationistische Element des Framings bedient der heutige Präsident der USA, der sich lautstark darüber beschwert, dass ein Film aus Korea den Oscar für den besten Film gewonnen hat.

Wie begegnet man erfolgreich diesem starken, alles durchdringenden konservativen Framing?

In dem man eine eigene starke Emotion auslöst.

Einer Gegenemotion, wenn man so will.

In westlichen Demokratien wurde die politische Debatte die längste Zeit entlang der groben Linie: „Mehr Staat“ vs. „Weniger Staat“ geprägt. Man kann fast sämtliche Parteien entlang dieser Demarkationslinie sortieren.

Heute gibt es diese Linie auch noch. Aber die Debatte hat sich viel stärker emotionalisiert.

Während „Mehr Staat“ vs. „Weniger Staat“ durchaus auch zur Emotionalisierung taugte  – „Freiheit statt Sozialismus“ war solch eine Formel, lag ihr doch noch so etwas wie Rationalität zugrunde.

Moderne Wahlkämpfe zeichnet eine wesentlich stärkere Emotionalisierung aus.

Es geht um Hoffnung gegen Angst.

Hope vs. Fear

Mittelerde vs. Mordor

Wenn ich von Hope spreche denken alle sofort an Barack Obama.

„Hope“ war sein zentrales Schlüsselwort.

Er hat sogar ein Buch darüber geschrieben: The Audacity of Hope.

Aber bereits 1992 war es ein zentrales Ausweisschild für den letzten erfolgreichen demokratischen Kandidaten vor Obama: Bill Clinton. Der Mann wurde sogar in einem Kaff namens „Hope, Arkansas“ geboren, weshalb seine Kampagne auch „The Man from Hope“  hieß.

Hier ein Link zu dem Wahlkampfspot.

Newsweek Nov:Dez - Bild Clinton Anhängerin Kopie

Und Hoffnung ist eine starke Emotion.

Politisch wird diese Emotion durch die Verbindung mit Veränderung, mit „Change“.

Es ist die Hoffnung, dass „Change“ eine Veränderung zum Besseren ermöglicht.

„Change“ soll in diesem Frame zu

mehr Zusammenhalt,

mehr Gleichberechtigung,

mehr Umweltschutz,

mehr soziale Sicherheit,

mehr Vielfalt,

mehr Gerechtigkeit etc. führen.

Erfolgreiche progressive Kampagnen der jüngsten Zeit haben diese Emotion massiv bedient und ihre Sprache daran ausgerichtet.

Justin Trudeau hat seine Kampagne sogar unter das Motto „We beat fear with hope“ gestellt.

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„My friends – we beat fear with hope“ Link zur Rede.

Und denken wir an Barack Obamas berühmtem „Yes we can!“- Schlachtruf. Mehr Optimismus geht ja kaum.

Es folgten Nachahmer auf der ganzen Welt.

In Spanien benannte sich eine ganze Partei gleich danach: Podemos.

Aber das ließ die Konkurrenz der PSOE nicht lange auf sich sitzen. Sie konterte mit HAZ QUE PASE – MAKE IT HAPPEN.

PSOE

Progressive Parteien – so meine Erkenntnis, haben dann eine Chance gegen die Sprachmacht der Angst, wenn sie sich dieser positiven Sicht auf die Chancen des Wandels ganz verschreiben.

Viel zu oft sind Parteien mit einer progressiven Agenda auf einem negativen Framing unterwegs.

Sie warnen vor allem Möglichen.

Vor Altersarmut,

der Klimakatastrophe,

Kinderarmut,

Zerrissenheit,

Haß,

Ausgrenzung,

Unterdrückung,

Spaltung,

Verelendung,

Verödung –

Das Fazit lautet: Die Welt geht unter, wenn ihr mich nicht wählt.

Aber am Ende dieser Botschaft bin ich schon so deprimiert, ich will morgens schon nicht mehr aufstehen, um wählen zu gehen, so schrecklich ist das alles.

Jeremy Corbyn hat so gerade eine Wahl in England vor die Wand gefahren.

Und auch Hillary Clinton konnte gegen Trump nur verlieren, weil die Menschen mit ihr keine Hoffnung auf einen Aufbruch verbanden.

Verstehen Sie mich nicht falsch.
Es gibt diese Probleme alle.
Und sie sind groß.
Und man muss sie angehen.

Man kann diese Probleme aber nur lösen, wenn man zuvor gewählt wird.

Die Trennlinie Hope vs. Fear verläuft längst global:

Obama_Trudeau

Trump:Bolsonaro

Und sie wurde auch in Deutschland bereits gefahren.

Hier ein Beispiel vom März 2016 aus dem Wahlkampf in dem Bundesland Rheinland-Pfalz auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsdebatte in Deutschland.

Die Entscheidung

Zwei Plakate – zwei sehr unterschiedliche Botschaften.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen einen Ausschnitt aus der Rede einer Frau zeigen, gegen die ich zweimal Wahlkämpfe verloren habe. Da sie insgesamt viermal gewonnen hat, war ich also nur zweimal schuld.

Aber was heißt Schuld? Heute muss ich sagen. Zum Glück hat sie gewonnen. Denn es gab in den letzten Jahren mehr als einen Moment, an dem ich dachte: Gott sei Dank, ist sie da!

Sie ist keine große Rednerin. Aber wie sie gleich sehen werden, kann sie dennoch auch mit ihrer kargen Sprache Emotionen entfalten.

Und ohne ihn nur ein einziges Mal zu erwähnen, demontiert sie mit weisen Worten den Präsidenten der USA in seinem eigenen Land. Und sie tut das immer entlang des Framings Hope vs. Fear. Aber schauen wir uns erst einmal an, wie die Amerikaner so etwas bewerben:

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Trailer: Merkel Harvard Commencement Speech 2019

Ich empfehle, die ganze Rede zu sehen. Den entscheidenden Ausschnitt findet man ab Minute 21:00 – bis ca 25:00.

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Wie Sie sehen, ist die Welt nicht immer so schwarz/weiß wie man dachte. Es gibt durchaus auch progressive Konservative. Aber die Zeichen der Zeit sind leider andere.

Wenn Demokratien sich wappnen wollen für den Kampf gegen Populistische und häufig auch Totalitäre Tendenzen, dann müssen sie sich intensiver der stärksten Waffe widmen, die sie haben:

Der Macht der Sprache.

50. Geburtstag AKS an der Uni Viadrina
Vor dem Vortrag mit Organisator Alexander Grimm vom Sprachenzentrum der Viadrina. Alle Bilder von der Viadrina: René Matschkowiak

 

 

 

 

 

This is not America.

Man kommt ja mit dem Fakten-Checken gar nicht mehr hinterher, so viel Unsinn wird und wurde über die Wahl in den USA geschrieben. Hier mal ein aktualisierter Zwischenstand gut drei Wochen nach der Wahl. Denn es wird ja zum Teil auch noch und bald auch schon wieder gezählt. Höchste Zeit, klugzuscheißen.

I. Die „völlig falschen“ Umfragen.
Stand 27. November 2016 führt Hillary Clinton bei den Präsidentschaftswahlen mit einem Vorsprung von 1,7%: Clinton 48,2%; Trump: 46,5%.  Damit können wir hier zum Einstieg schon einmal mit der Mär abrechnen, dass die Umfragen so falsch gelegen hätten. Die Umfragen sagten vor der Wahl im Mittel einen nationalen Vorsprung von Clinton von ca. 2-3% voraus. Clinton nähert sich jetzt diesen 2%. Laut USA Today übersprang Hillary Clinton am 23. November die Marke von 2 Millionen Stimmen Vorsprung. Zum Vergleich: Al Gore hatte im Jahr 2000 „nur“ einen Vorsprung von einer halben Million Stimmen. Nach gegenwärtigem Auszählungsstand in realen Zahlen bedeutet dies: 64.469.963 Stimmen für Clinton und 62.379.366 für Trump.

ACHTUNG: ZAHLENUPDATE STAND 2.12.2016 BASIEREND AUF RCP/COOK POLITICAL REPORT. ZAHLEN IM FLIESSTEXT BLEIBEN UNVERÄNDERT, DA SIE AN DER KERNAUSSAGE NICHTS ÄNDERN:
CLINTON: 48,2%; TRUMP: 46,3%; CLINTON + 1,9%
CLINTON: 65.250.267; TRUMP: 62.686.000; CLINTON + 2,564 MIO

Nein, ich will nicht behaupten, dass Clinton gewonnen hat, denn ich denke, sie wusste Bescheid, dass in den USA die Stimmen der Wahlmänner zählen. Offensichtlich hat ihre Kampagne mannigfaltige strategische Fehler begangen. Ich will allerdings betonen, dass die nationalen Umfragen ziemlich präzise waren und das trotz dramatischer Veränderungen in den USA. Als Jimmy Carter 1976 Präsident wurde, zählten die USA etwa 220 Mio. Einwohner, heute sind es 320. Das sind ziemlich viele mehr und erklärt auch, weshalb Prognosen in den sehr engen Battleground Staaten immer schwerer werden.

Aber egal ob auf RCP oder 538: Jeder, der es wissen wollte, konnte sehen, dass dieses Rennen mit einer Wahrscheinlichkeit von 30% von Trump gewonnen werden konnte. Man las aber nur 70% Wahrscheinlichkeit für Clinton. Eine Gewinnchance von 30%! Da würde doch jeder von uns zwei Mal die Woche Lotto spielen. Dort liegt sie bei 1:140 Millionen. Es gab auch keinen Erdrutschsieg für Trump, denn natürlich hätten die für Clinton knapp verlorenen Staaten mit ein bisschen Glück und Spucke auch andersherum ausschlagen können. Wir reden bei Florida über 1,1%, bei Pennsylvania über 1,1% und bei Wisconsin über 0,8%. Wir reden darüber, dass sich nur ca. 55.000 Wähler in den großen Swing-States anders hätten entscheiden müssen. Haben sie nicht, ich weiß – aber ein Erdrutsch sieht anders aus.

Am Wahltag sind wir hier in der Agentur noch einmal die Staaten durchgegangen und in keinem der berüchtigten Swing-States lag der Vorsprung Clintons jenseits der Fehlertoleranz. Sofern es überhaupt einen Vorsprung gab. Das konnte jeder sehen, der es sehen wollte. Vor allem aber hat es die Clinton-Kampagne gesehen. Wer innerhalb der letzten 48 Stunden den Präsidenten der USA nach New Hampshire (4 Wahlmänner) schicken muss, dem geht der A auf Grundeis. Und wer die Abschlusskundgebung dann nach Pennsylvania legt, der weiß, dass alles gerade den Bach runtergeht.

Fazit: Es gab offenbar keinen nennenswerten „Schweigefaktor“ gegenüber den Instituten bei den Trump-Wählern, denn die Umfragen waren so falsch nicht.

Völlig falsch waren allerdings zum Teil die medialen Prognosen, was vermutlich damit zu tun hat, dass Statistik nicht zum Pflichtfach gehört. Die größte journalistische Meisterleistung war es, nach der Wahl die Institute zu dissen, die Trump hinten hatten und die zu feiern, die ihn vorne hatten. Wenn man aber Trump national mit 2% vorne sieht, er aber am Ende 1,7% hinten liegt, ist das eine Abweichung von 3,7%. Und liegt damit sogar falscher, als ein Institut, das Clinton mit 3% vorne sah, sie aber nun nur 1,7% vorne ist. Catch the drift? Thank you!

II. Trump hat die weiße Mehrheitsgesellschaft stärker mobilisiert.
Oh, well. Nein. Trump hat 58% der Stimmen der Weißen geholt, Mitt Romney 2012 jedoch 59-60% (CNN; Roper Center, Cornell University). Auch dies unterstreicht das Mobilisierungsdefizit von Clinton in der Rainbow-Coalition und kein Momentum von Trump bei den Weißen.

III. Die Frauen haben Trump gewählt.
Ja, es haben Frauen Trump gewählt. Es haben auch Schwarze Trump gewählt. Und jetzt festhalten: es haben sogar weiße Männer vor 4 Jahren Obama gewählt. Insgesamt haben aber 54% der Frauen Clinton gewählt und nur 42% Trump. Natürlich kann man sagen, wie kann man als Frau usw… Aber das wäre wiederum recht chauvinistisch. Denn mal ehrlich, wie kann man als Mann eigentlich..?

IV. Clinton hat die Arbeiter in den Städten verloren.
Illinois, Rust Belt: Clinton 55,4%; Trump 39,4%. In Michigan (Detroit etc.) sprechen wir zurzeit von einem Trump-Vorsprung von 0,2%. Da müssen auch ziemlich viele Arbeiter Clinton gewählt haben. Haben sie auch. Und das Problem lag auch nicht in den Städten, sondern auf dem Land und abgehängten Mittelzentren. Es ist halt nicht immer so einfach, wie man es gerne hätte.

Ronald Reagan hat auch schon mal Pennsylvania, Michigan, Wisconsin und sogar Illinois gewonnen, da haben die dort noch alle Arbeit gehabt. Woher ich das weiß? Weil Reagan 1984 alle Staaten gewonnen hat… außer D.C. und den Heimatstaat seines bedauernswerten Herausforderers Walter Mondale aus Minnesota. 1988 hat Dukakis in PA und Michigan verloren. Kerry vs. George W. in Wisconsin 2004: 49,7% : 49,32%; Gore vs. George W. in North Carolina 2000: 47,83 : 47,61.

Warum ich das schreibe? Um noch einmal deutlich zu machen, dass Swing-States deshalb Swing-States genannt werden, weil sie swingen können. In jede Richtung – zu jeder Zeit. Nothing unusual here.

V. Trump hat als Anti-Establishment-Kandidat gewonnen und ist damit ein weiterer Beweis für die Krise der etablierten Parteien.
Da würde ich gerne fragen, welche Partei denn weniger etabliert ist, als die Republikanische Partei der USA von 1854? Sie hat die Präsidentschaftswahl, Senat- und Abgeordnetenhaus sowie zwei Drittel aller Gouverneursposten gewonnen. Nicht schlecht. Ja, natürlich war Donald Trump ein außergewöhnlicher Kandidat – aber innerhalb dieser Partei und nicht als Independent wie dereinst Ross Perot. Am Ende unterstützt von nicht wenigen einflussreichen Republikanern und vor allem von den registrierten Wählerinnen und Wählern dieser Partei bereits in den Vorwahlen.

Die amerikanische Geschichte ist voll von „Outsidern“, die gegen die eigentlichen Favoriten gewonnen haben, weil sie sich als anders und unkonventionell präsentierten. Zum Beispiel der bewusst als erdiger Erdnußfarmer positionierte Absolvent der Navy-Elite-Kaderschmiede von Annapolis und Offizier der US-Atom-U-Boot-Flotte Jimmy Carter 1976. Oder der Hollywood-Politik-Quereinsteiger Reagan 1980. Und Bill Clinton 1992 sowieso, der seine Wahlkampfzentrale bis zuletzt in Little Rock, Arkansas, beließ, um allen zu zeigen: Wir sind anders, wir sind nicht die Etablierten.

Donald Trump war insofern ein außergewöhnlicher Outsider, denn er war ja nur als Politiker unbekannt. The Donald gehört seit Jahrzehnten zur amerikanischen Medienlandschaft. Er ist für die Amerikaner kein Unbekannter, sondern ein Household-Name wie die Streisand (sorry, Barbra) oder Warren Buffet – someone who’s been around forever. Er war schon immer präsent und hatte den Status einer Celebrity, zu Zeiten sogar mit eigener Casting Show. Ob zu Recht oder Unrecht: Viele Amerikaner hatten vor Donald Trump nicht wirklich Angst. Er war schon immer laut, polternd, undiplomatisch und egozentrisch. Aber irgendwie auch unterhaltsam. Wie Nachwahlumfragen zeigen, nahmen viele Trump-Wähler seine Sprüche nicht für bare Münze. Vielleicht hoffen sie heute – wie der große Rest der Menschheit – dass das alles nur Mittel zum Zweck war.

In dem aggressiven Anti-Clinton-Lager innerhalb der republikanischen Partei (Evangelikale, Mormonen, Tea-Party) überwog am Ende auch die Ablehnung Clintons die Zweifel am eigenen Kandidaten. Diese für Trump wichtige republikanische Basis schloss am Ende der Kampagne die Reihen und lieferte ihm schon einmal gut 43% seiner Wähler frei Haus.

Für manche war er durchaus ein erfrischend anderer Bewerber. Sätze wie „der hat soviel Geld, der ist nicht bestechlich“ sind natürlich in Zusammenhang mit einem recht skrupellosen Immobilientycoon, der bis heute seine Steuererklärung nicht veröffentlicht, absurd. Aber auf Twitter macht das schon was her. Trumps größte Stärke war, einfach nicht für ein „weiter so“ zu stehen. Für das immer gleiche Wechselspiel von politischen Akteuren, die zu weiten Teilen schon längst das Verfallsdatum überschritten hatten, bevor sie Kandidaten der GOP wurden. So wie Bob Dole oder John McCain. Und die Republikaner hatten es diesmal auch satt, mit den Bushes in Person des dritten möglichen Präsidenten seit 1988 eine wahre Dynastie zu begründen. So umwerfend waren die ersten beiden Bushes dann auch nicht gewesen.

Ok, nehmen wir einmal an, das alles würde stimmen…

VI. Was ist denn jetzt der Grund für Clintons Niederlage?

Die Antwort bleibt wenig originell: Hillary Clinton.

Diese hatten die Wähler schon satt, bevor sie überhaupt kandidierte. Aus gutem Grund hatte sie ja auch schon die Vorwahlen 2008 gegen Obama verloren. Und man kann die Wähler verstehen. Es war einfach „more of the same“. Die Demokraten haben, wie die Republikaner einst mit Dole oder McCain, jemanden ins Rennen geschickt, der es sich „verdient“ hatte und an der Reihe war. Die Demokraten hatten ein schlechtes Gewissen, dass Hillary damals schon gegen Obama zurückstecken musste. So unternahmen sie alles, um ihr diesmal die Kandidatur zu sichern. Wissend, dass die Chancen immer sehr gering sind, eine 8-jährige Amtszeit im Weißen Haus mit einem Kandidaten aus der gleichen Partei zu verlängern. Sie hatten doch selbst miterlebt, wie Al Gore, der wesentlich besserer Werte hatte als Hillary, gegen den vermeintlich leicht zu schlagenden George W. verloren hatte.

Dennoch trat Hillary an, anstatt mit ihrem Einfluß eine neue Kandidatin oder einen neuen Kandidaten mit besseren Chancen zu unterstützen. Kein vernünftiger Gegenkandidat trat in den Vorwahlen gegen sie an, da ihre Kandidatur vermeintlich „alternativlos“ war. Und dann kam ein Outsider wie Sanders und alle erlebten ein deja-vu von 2008. Wieder kam Clinton an den Rand der Niederlage. Wieder wurde sie beschädigt. Wieder erfuhr sie harte Ablehnung aus ihrer eigenen Klientel. Nein, Bernie Sanders wäre nicht die Wunderwaffe gegen Trump gewesen. Dafür war er mit 75 Jahren zu alt, für die USA zu links und auch zu linkisch. Aber dass ein Bernie Sanders überhaupt so erfolgreich wurde, war der nächste, deutlich hörbare Warnschuss.

Aber es wurde nichts gehört. Clinton riskierte nichts, war eingeschüchtert und fuhr eine uninspirierte Kampagne. Schon ihre Wahl von Tim Kaine, einem blassen Vize-Präsidentschaftskandidaten dessen Hauptqualifikation darin bestand, aus einem Swing-State zu stammen und fließend spanisch zu sprechen, war völlig inspirationsbefreit. Das elektrisierte niemanden. Mensch, da war doch schon ihr Mann mit der Wahl von Al Gore mutiger gewesen: Gleiche Generation, auch aus den Südstaaten und dann noch mit einem Umweltfimmel – das war nicht das sichere Ticket, das damals erwartet wurde. Das war ein Risiko und wurde zum Trumpf!

Die ganze Kampagne war angelegt auf „nur keine Fehler machen“ und „gegen Trump zu sein ist genug.“ War es nicht. Und so ist es ausgegangen. Die Amerikaner waren erschöpft von den Clintons, die nicht nur Opfer in diesem Spiel waren. Vergessen, wie Bill der ganzen Welt direkt ins Gesicht gelogen hat? Und das nicht nur einmal? Wozu die elende Geheimniskrämerei um Hillarys Reden vor den Bankern, ihre E-mails und noch viel mehr? Manche sagen: Was hat den Hillary mit Bills Eskapaden zu tun? Und vergessen dabei, dass Bill mit ihr wieder zurück ins Weiße Haus gezogen wäre. Ehemann und Ehefrau sechzehn Jahre nach dem Auszug oder gar ein viertel Jahrhundert nach dem ersten Einzug wieder im Weißen Haus? Wie attraktiv ist das denn? Bei den Bushes waren es wenigstens Vater und Sohn, also zwei Generationen. Und nein: nicht jede emanzipierte Frau war von der ehelichen Leidensfähigkeit Hillary Clintons beeindruckt. Im Gegenteil.

Denken wir auch an ihr Wahlkampfteam. Als aufflog, dass Donna Brazile der Clinton-Kampagne Infos zur Vorwahldebatte gegen Sanders zugesteckt hatte, war das besonders heikel, da Brazile ja schon DNC-Interimsvorsitzende für die zuvor ebenfalls aus Gründen der Sanders-Benachteiligung zurückgetretene Debbie Wasserman-Schultz geworden war. Noch ein Grund mehr, für Sanders-Fans zu Hause zu bleiben. Inspiriert war wirklich niemand. Auch nicht mehr von der Vorstellung der ersten Frau im Weißen Haus. Zu sehr ahnte man, dass Clinton nicht wesentlich anders amtieren würde, als die vielen Männer vor ihr.

Ja, das Thema gehackte Mails, Wikileaks, FBI etc. ist noch einmal ein ganz anderes. Aber man muss halt erst einmal Fehler begehen, die dann auffliegen können. Und mit Trump wurde ja auch nicht gerade zimperlich umgegangen. Wer sich über geleakte Mails aufregt, darf nicht geleakte Open-Mike-Stories pushen.

Kommen wir zu den Zahlen:

Trump hat nicht gewonnen, sondern Clinton hat verloren.
Klingt banal, ist aber entscheidend für die Schlussfolgerungen aus dieser Wahl.

Trump hat mit 46,4% sogar einen etwas geringeren Stimmenanteil bekommen als Mitt Romney 2012 (47%). Es war also kein „Durchmarsch“ des Populisten.

Clinton hingegen kommt mit ihren 48,2% auf 2,9% weniger als Obama 2012 (51,1%) und sogar auf 4,7% weniger als Obama 2008 (52,9%).

Wenn man, wie Hillary Clinton 2016, im Vergleich zu Obama 2012 bei gestiegener Wahlbeteiligung gut 3% verliert, dann verliert man überall. Bei Frauen, bei Arbeitern – vor allem aber hat sie diese Stimmen nicht an Trump verloren, sondern durch mangelnde Mobilisierung der Rainbow-Coalition.

Hier liegt der Hund begraben.

Die USA sind spätestens seit Anfang der 90er Jahre ein politisch extrem gespaltenes Land. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass die Präsidenten der letzten Jahrzehnte nicht unterschiedlicher sein könnten. Auf acht Jahre Clinton folgten acht Jahre George W. folgten acht Jahre Obama, folgen x Jahre Trump.

Jeder dieser Wahlkämpfe steht aus Messers Schneide. Man startet mit 50:50 und am Ende geht es ähnlich aus. Jede Seite muss das Beste geben.

Executive Summary:

Trump hat die gleichen Wähler mobilisiert, die auch schon Romney mobilisiert hat. Er hat in Bezug auf die Gesamtwählerschaft nichts dazugewonnen. Die Republikaner sind nur geschlossen wählen gegangen und haben so gewählt wie immer. Trump hat nicht wegen seiner widerlichen Sprüche gewonnen, sondern trotz seiner widerlichen Sprüche. Hillary Clinton zu verhindern war für die entscheidenden Wählersegmente ein treibender Faktor, nicht die Liebe zu Donald Trump. Natürlich gibt es auch jede Menge Trump Fans, aber wir reden jetzt über die Wähler, die ihn am Ende über den Berg gebracht haben.

Beide Lager haben stramm durchgewählt, sofern sie wählen gegangen sind. Wer kein Problem hat, Donald Trump zu wählen, der hat bei allen anderen Republikanischen Kandidaten von Senat bis Repräsentantenhaus sowieso kein Problem. Die Polarisierung zeigte sich „all the way down the Ballot“. Auch bei den Demokraten.

Es stimmt: Trump hat in abgehängten Regionen und in Regionen des Umbruchs im Vergleich zu Romney zugelegt und damit manchen Swing-Staat gedreht – dafür hat er andernorts verloren. Und ja, Clinton hat im Vergleich zu Obama rund um die großen Seen deutlich verloren. Dennoch sind diese Staaten weit davon entfernt demokratisches Stammland zu sein und fielen schon öfter an die Republikaner. Die Abgehängten in den USA wählen tendenziell den Wechsel. Weil sie mit dem Wandel Hoffnung verbinden. Egal, ob der Wandel demokratisch oder republikanisch daherkommt. 1992 hieß der Wandel Clinton, 2016 nicht. In die ganze Geschichte darf man jetzt nicht zu viel hineininterpretieren.

Trump wäre nicht gewählt worden, hätte Clinton Obamas Rainbow-Coalition ausreichend mobilisiert. Anders ausgedrückt: Es gab auch 2016 eine Mehrheit für die moderne Koalition der Demokraten zu gewinnen. Aber nicht für Hillary Clinton.

Die Übertragbarkeit auf Europa und Deutschland im Speziellen hinkt hinten und vorne. Wir erleben kein fulminantes Scheitern von Obama und Clinton oder gar „der Linken“ (als ob beide dazugehörten). Wir sehen das Ergebnis einer knapp gescheiterten Kandidatin mit einer falschen Swing-State-Strategie und zum Teil absurden Media-Spendings in Bundesstaaten, die faktisch ungewinnbar waren bei einer Vernachlässigung der Staaten, die sie unbedingt hätte gewinnen müssen. Das ist aber wieder ein anderes Thema.

Nein, es gibt keinen Grund, jeden gesellschaftlichen Fortschritt zu hinterfragen, nur weil 55.000 Stimmen von ca. 127 Millionen abgegebenen Stimmen fehlten. Da darf man am Ende die 64 Mio. Stimmen für Clinton nicht einfach unterschlagen. Und nein, Donald Trump ist auch nicht nur Präsident, weil die Demokraten versagt haben. Er ist vor allem Präsident, weil die Republikaner ihn nominiert haben.

Allen demokratischen Entscheidern überall auf der Welt kann das nur klar machen dass man in der heutigen Zeit einfach keinen Fehler machen darf. Keinen großen aber auch nicht viele kleine hintereinander. Und das beginnt bei der richtigen Analyse.

Und bevor in Deutschland jetzt wieder alle hysterisch werden: Die AfD steht auch drei Wochen nach Trump noch bei 10-13%, etwa 84% der Wählerinnen und Wähler sind stabil bei CDU, CSU, SPD, Grünen, FDP, Linke. Ja, man muss wachsam sein, wie ich in meinem letzten Blogbeitrag vor der Wahl geschrieben habe. Aber wenn man lernen will, muss man auch richtig hinsehen –  auch auf die Unterschiede.

Again: This is not America.