Die FDP ist wie ein Glückskeks

Mit Christian Rothenberg von n-tv hatte ich das Vergnügen, ein ausführliches Interview zur Bundestagswahl 2017 zu führen. Das Interview in voller Länge finden Sie hier auf n.tv:

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Hier einige Ausschnitte.

Welche Partei hat die beste Kampagne? Warum läuft es für die SPD so mies? Der erfahrene Politikberater und Werber Frank Stauss analysiert im Interview mit n-tv.de den Bundestagswahlkampf.

n-tv.de: Kommt Ihnen der Wahlkampf gerade ziemlich lahm vor?

Frank Stauss: Ja, aber ich glaube da bin ich nicht der Einzige, dem das so geht. Das liegt auch an den zeitlichen Umständen. Viele Menschen sind im Urlaub, in manchen Bundesländern gehen die Ferien bis zum 10. September. Da sind die Leute einfach nicht politisiert und denken eher dran, wie sie gut entspannen können, als sich von Politik belästigen zu lassen. Ich gehe davon aus, dass der Wahlkampf noch an Fahrt gewinnt.

Welches Thema wäre dazu geeignet, in den letzten Wochen richtig Dynamik reinzubringen?

Aus Sicht aller Herausforderer von Frau Merkel muss das eine Debatte darüber sein, wie gut Deutschland für die Zukunft aufgestellt ist. Wir haben die großen Metathemen wie Terrorismus, Donald Trump und den Brexit. Letztendlich bewegt aber viele Menschen die Frage, wie gut wir für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre aufgestellt sind. Kaum jemand rechnet damit, dass seine Arbeit dann noch genauso aussieht wie heute.

Sie haben mit Ihrer Werbeagentur schon viele Wahlkämpfe begleitet. Welche Partei macht aus Ihrer Sicht die beste Wahlkampagne?

Was Christian Lindner und die FDP machen, ist sicherlich das, vor dem man die meiste Achtung haben muss. Sie hat das Beste aus der außerparlamentarischen Opposition gemacht und sich als Startup-Partei neu erfunden mit einem jungen dynamischen Mann an der Spitze. Die Partei arbeitet intensiv daran, dass niemand auf die Idee kommt, dass die FDP von heute etwas mit der zu tun hat, die vor vier Jahren aus dem Bundestag herausgeflogen ist.

Die Spots und Plakate finden viel Lob. Dennoch wird Lindner und der FDP vorgeworfen, zu viel Wert auf die Verpackung zu legen, statt auf Inhalte. Man weiß nicht so recht, für was die neue FDP eigentlich steht.

(lacht) Ja, aber genau das ist die Idee dahinter. Die FDP ist Projektionsfläche für eigene Wünsche, weil sie alles offen lässt. Wenn man sich das Programm anschaut, unterscheidet es sich im Prinzip nicht sehr von dem vor der Wahl 2013. Die FDP ist wie ein Glückskeks. Die Leute freuen sich erst einmal darüber. Wenn sie ihn aufmachen, stellen sie fest, dass nicht viel drinsteckt. Das ist aber erst einmal egal. In den letzten Landtagswahlkämpfen war die Partei mit dieser Strategie erfolgreich. Die FDP bietet eine moderne Alternative für Leute, die sich gar nicht so sehr dafür interessieren, was das jetzt eigentlich heißt. Beim Umweltschutz ist die FDP eigentlich die totale Retro-Partei, die von dem Thema gar nichts hält. Das kriegen aber viele Menschen gar nicht mit. Die denken: Die FDP ist modern und sieht gut aus, da wirken die anderen Parteien langweilig.

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Wie bewerten Sie den CDU-Wahlkampfslogan „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“?

Die CDU spielt auf Sicherheit, es ist eine extrem klassische bis bräsige Kampagne. Sie will nichts falsch machen oder anecken, spielt auf die Verlässlichkeit durch die Kanzlerin, setzt hin und wieder ein paar Innovationsplacebos mit Youtuber-Interviews oder einem Gamescom-Besuch. Das ist eine klassische Amtsinhaber-Kampagne. Bei dem Claim denk ich immer an Gutes von gestern, da ist keine Zukunftsidee drin.

Die Parteien machen in diesem Wahlkampf keine Koalitionsaussagen mehr. Für die Wähler macht das die Wahlentscheidung schwieriger. Ist es dennoch richtig?

In der Bundesrepublik gibt es ja inzwischen fast alle Konstellationen, die man sich vorstellen kann. In Rheinland-Pfalz regiert eine Ampel, in Schleswig-Holstein Jamaika, in Brandenburg Rot-Rot, in Nordrhein-Westfalen Schwarz-Gelb. Das ist eine neue Unübersichtlichkeit für die Wähler, die sie aber auch selbst herbeigeführt haben. Im nächsten Bundestag wird es einschließlich der CSU sieben Parteien geben. Da gibt es viele denkbare Optionen, ausgeschlossen ist nur die AfD. Da traut sich keiner, vorher Koalitionsaussagen zu treffen. Am Ende könnten die Parteien von ihrer Ausschließeritis nur eingeholt werden, wenn ihnen dann doch nichts anderes übrig bleibt als ein ganz bestimmtes Bündnis.

Sie haben 2016 erklärt, nicht den SPD-Bundestagswahlkampf betreuen zu wollen. Damals sah es noch danach aus, als ob Sigmar Gabriel Kanzlerkandidat würde. Dennoch wurde im Januar Martin Schulz nominiert. Bereuen Sie Ihre Entscheidung?

Wir als Agentur haben die Entscheidung nicht aufgrund der Person Gabriel getroffen, sondern aufgrund der sich immer weiter verzögernden Frage, wann die Kandidatur erklärt wird. Bei einer Herkulesaufgabe wie der, eine seit zwölf Jahren regierende Kanzlerin abzulösen, benötigt es eine hervorragend geplante Kampagne. In der Kampagne der Kanzlerin gibt es Elemente, die seit langem im Voraus geplant sind: wie man Termine und Besuche setzt und inszeniert, wie beispielsweise Merkels Auftritt auf der Gamescom. Sie müssen rechtzeitig klären: Wer ist ihr Kandidat? Wofür steht er? Was kann er? Was bringt er glaubwürdig rüber? Es ist unglaublich schwer, so etwas einfach adhoc in einem Wahljahr zu entscheiden. Darunter hat die Schulz-Kampagne lange gelitten. Eine solche Organisationsstruktur konnte nicht vorhanden sein. Nach den überhasteten Nominierungen von Steinmeier und Steinbrück ist es jetzt zum dritten Mal in Folge nicht professionell abgelaufen. Das darf der SPD nie wieder passieren. Das ändert jedoch nichts daran, dass ich Martin Schulz für einen hervorragenden Kandidaten halte, der ein guter Kanzler wäre.

Im Februar hätte man meinen können, die SPD hätte es genau richtig gemacht. Die Partei lag in Umfragen plötzlich gleichauf mit der Union.

Ja, das dachte ich auch. So etwas habe ich auch noch nie erlebt, obwohl ich seit 25 Jahren Wahlkämpfe mache. Dass in so kurzer Zeit solche Sehnsüchte in einen Menschen projiziert wurden, war unglaublich. Das hat gezeigt, wie angreifbar die Kanzlerin ist. Aber dann kam zu lange nichts, was dem Problem geschuldet war, dass die Kandidatur von Schulz nicht vorbereitet war.

Wieso kann Martin Schulz bisher nicht gegen die Kanzlerin punkten?

Deutschland geht es relativ gut, auch im Vergleich zu anderen Ländern haben wir einen hohen Wohlstand. Der Aufschwung hält seit Jahren an, die Kassen sind gefüllt. Daher gibt es keinen Handlungsdruck, jemanden abzuwählen. In einer solchen Situation hat es eine Zukunftsdebatte nicht so leicht. Dabei gibt es viele Untersuchungen, die zeigen, dass die Menschen verunsichert darüber sind, wie gut unsere Wirtschaft, Arbeitsplätze und Sozialsysteme in die Zukunft fortschreibbar sind. Der Herausforderer muss dieses schlummernde Thema wecken – nicht um den Menschen Angst zu machen, sondern weil wir nicht einfach davon ausgehen können, das alles gut bleibt. Es braucht jemanden, der die Wirtschaft nicht nur fördert, sondern auch fordert. Jemanden, der nicht nur Richtlinienkompetenz hat, sondern auch davon Gebrauch macht.

Bis 2005 fiel es der SPD nie schwer, bei Bundestagswahlen 35 bis 40 Prozent zu holen. Warum kommt sie heute nicht mehr über 25 Prozent?

Das liegt auch daran, dass eine Angela Merkel eine sehr liberale Bundeskanzlerin ist, die nicht polarisiert. Sie strahlt durch ihre Offenheit etwa in der Flüchtlingsdebatte stark in das Wählerspektrum von Grünen und SPD hinein. Viele Menschen sagen: Mit der CDU habe ich nicht viel am Hut, aber die Merkel ist doch ganz in Ordnung. Die SPD hat ein Potenzial, wieder deutlich über die 30 Prozent zu kommen, wenn die Union stärker auf einen Rechtskurs einschwenkt. Ob das unter Frau Merkel noch passiert, glaube ich weniger, aber da stehen ja schon einige potenzielle Nachfolger bereit, die mit ihrem Kurs überhaupt nicht zufrieden sind.

Was würden Sie Martin Schulz und der SPD für die Wochen vor der Wahl empfehlen?

Das eine große Thema, dass die Rettung bringt, gibt es nicht. Es geht um Konsistenz. Die Leute müssen das Gefühl kriegen: Martin Schulz hat mehr Power, Energie und Ehrgeiz. Dem reicht der Status Quo nicht, er kämpft dafür, dass Deutschland auch in Zukunft erfolgreich ist. Dann kommen die Wähler von alleine. Diese Botschaft muss vertreten werden, nicht einen halben Tag lang, sondern durchgehend bis zum Wahltag.

Mit Frank Stauss sprach Christian Rothenberg

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Der Wähler hat seinen eigenen Kopf

Hat Martin Schulz noch eine Chance? Kann die Dieselkrise Auswirkungen auf diesen Wahlkampf haben? Welchen Einfluß haben die Medien und was eigentlich macht Angela Merkel? Mit Ina Böttcher habe ich hierzu für die Tagesschau ein längeres Gespräch geführt.

Zur ARD Mediathek geht es hier:

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Niedersachsen – da geht noch was.

Auf den ersten Blick sieht das mal wieder wie ein klares Rennen aus. Auf den zweiten Blick hat Stephan Weil nicht die schlechtesten Chancen, MP zu bleiben. Warum?

Jetzt sind die ersten Umfragen nach dem Seitenwechsel in Niedersachsen raus und wie zu erwarten war, sind sie nicht rosig für die SPD. Die Regierungspartei notiert bei 28-32%, die CDU bei 40-41. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass bei INSA die SPD bereits im Mai bei nur 27% lag, die Partei bei der Landtagswahl 2013 auch nur 32,6% bekam und seither in keiner Umfrage (außer einer selbst bestellten) über 33% gekommen war.

So gesehen ist die jüngste Umfrage der ARD nach einer – verhalten ausgedrückt – sehr schlechten Woche für die Rot/Grüne Koalition eine realistische aktuelle Bestandsaufnahme. Warum die SPD sich dennoch Hoffnung machen kann, am Ende als stärkste Partei aus der Wahl im Oktober hervorzugehen, liegt an den weiteren Daten der Erhebung. Und ihrer Einordnung in die Landtagswahlen der letzten 24 Monate.

Laut Niedersachsen-Trend der ARD, erhoben von Infratest Dimap vom 8.-9. August, sind heute immerhin noch 56% der Niedersachsen mit der Arbeit der Rot/Grünen Landesregierung zufrieden. Das unterscheidet sich deutlich von den abgewählten Koalitionen in NRW 2017 (nicht zufrieden: 53%) oder Berlin 2016 (nicht zufrieden: 60%).

Das kann entscheidend sein. In Rheinland-Pfalz hatte Malu Dreyer mit ihrer SPD zum Beispiel einen Rückstand von 10% rund 3 Monate vor der Wahl – aber ihre Landesregierung lag immer deutlich im Plus. Am Ende gewann sie mit 4,4% Vorsprung. Ministerpräsident Stefan Weil liegt in der Direktwahlfrage zwar keine überragenden 11% vor seinem Herausforderer (45:33), aber auch das war in Rheinland-Pfalz nicht viel besser. Im Dezember lag Malu Dreyer noch bei 43% in der Direktwahl, einen Monat später schon bei 53%.

Meine Erfahrung der letzten Jahre ist: Bei den Landtagswahlen konzentriert sich alles kurz vor der Wahl tatsächlich auf die Landespolitik und dann hat die stärkste Regierungspartei gute Chancen, auch stärkste Partei zu bleiben – sofern nicht nur der MP, sondern auch die Landesregierung positiv bewertet werden.

Nun wird die kurz zuvor stattfindende Bundestagswahl auch noch Auswirkungen haben und was aus Wolfsburg noch alles kommt, da fehlt einem doch bald die Phantasie– andererseits sind die erdverwachsenen Niedersachsen auch ein ganz eigenes Volk mit eigenem Dickkopf, das sich von äußeren Einflüssen wenig beeindrucken lässt.

Niedersachsen wird wohl spannender werden, als es der erste Blick vermuten lässt.

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PS: Nein, ich habe mit diesem Wahlkampf nichts zu tun. Ich sehe das nur so.

Die Wähler wissen immer weniger.

Stefan Niggemeier hat mit mir für Uebermedien.de ein Gespräch geführt, das sich aus meiner Sicht vor allem durch intelligente Fragen auszeichnet. Über die Antworten mag ich mir kein Urteil erlauben.

ÜBERMEDIEN12.7.17

Herr Stauss, Sie haben im vergangenen Jahr beschlossen, dass Sie nicht den Bundestagswahlkampf für die SPD machen wollen. Als dann plötzlich Martin Schulz auf der Bühne stand, gab es da Momente, wo Sie sagten: Ach Mensch, eigentlich wäre es jetzt doch spannend, dabei zu sein?

Ja, klar. Die gibt es eh, wenn man Wahlkampf so lange macht wie ich und mit Herzblut dabei ist. Aber es ist auch kein Geheimnis, dass Martin Schulz für mich die Idealperson ist für diese Kandidatur – mit allem, wofür er steht: für Europa, für Weltoffenheit, auch mit seinem Lebenslauf. Insofern hätte ich gern für Martin Schulz Wahlkampf gemacht, aber das stand nicht mehr zur Debatte, als es soweit war.

Warum nicht?

Weil ich überzeugt bin, dass man so eine Kanzlerkandidatur nicht ein halbes Jahr vor der Wahl aus dem Ärmel schüttelt. Das muss hervorragend, langfristig und minutiös vorbereitet sein. Ich glaube, dass das auch der Kandidatur von Martin Schulz gut getan hätte, wenn sie ein halbes Jahr vorher verkündet worden wäre.

Den „Schulz-Effekt“, den die Nominierung Anfang des Jahres auslöste, empfand ich als ungeheuer belebend, nicht nur für die SPD, sondern auch die Demokratie. Plötzlich hatte man das Gefühl: Alles ist möglich!

Das hatten andere und ich schon länger gesagt, und sind dafür manchmal ausgelacht worden: Das Potential der SPD ist nach wie vor da. Es liegt irgendwo zwischen 35 und 37 Prozent. Das sind Leute, die sich faktisch und nicht nur abstrakt vorstellen können, diese Partei zu wählen, wenn alles rund läuft. Dazu gehört auch immer, dass es bei den anderen nicht rund läuft, klar. In dem Augenblick, als Martin Schulz auf die Bühne trat und eine Projektionsfläche für viele wurde, lag die SPD plötzlich bei 31 oder 32 Prozent. Da hat man gesehen, das Potential ist da. Man hat gesehen, wie schwach Merkel war – oder wie sehr sie davon lebt, dass ihre Gegner schwach sind. Dass niemand sich danach sehnt, am Ende 16 Jahre von Angela Merkel regiert zu werden. Selbst CDU-Anhänger hätten gern eine Art Alternative oder Nachfolge. Darauf hätte die SPD eine Planung aufbauen müssen: Man weiß seit vier Jahren, dass im September eine Wahl ist und Angela Merkel dann zwölf Jahre im Amt ist. Das ist immer eine Chance für einen Wechsel.

War dieser „Schulz-Effekt“ real? Oder nur eine Blase, die von den Medien gemacht wurde?

Natürlich war es eine Kombination. Die Medien haben sich auch danach gesehnt, dass jemand kommt und es spannend macht – aus welchen Gründen auch immer: wegen der Auflage, wegen Klick-Raten, aber auch aus persönlicher Befindlichkeit. Das ist immer so. Das haben wir auch selbst bei Wahlkämpfen erlebt, etwa der dritten Wahl von Wowereit: Die Journalisten haben die Schnauze voll, wollen entweder einen Wechsel oder zumindest, dass es spannend ist. Und es hat sich gegenseitig hochgeschaukelt, denn wann hatte man mal diese Bilder von jubelnden Anhängern in Deutschland, egal für wen? Die hatte man seit der Wendezeit nicht mehr gesehen.

Ein Wahlforscher von Allensbach spricht beim Schulz-Effekt von „Medienechodemoskopie“: Umfragen bestätigten eigentlich nur die Stimmung, die die Medien vorher verbreitet haben, und jedes neue Umfrageergebnis verbessere die Stimmung noch mehr und sorge für noch bessere Umfragen …

Meinungsumfragen sind Momentaufnahmen, und in dem Moment, wo sie 30 Prozent für die SPD gemessen haben, konnten sich 30 Prozent vorstellen, die SPD zu wählen. Es kann aber sein, dass sie drei Wochen später schon wieder auf einem ganz anderen Zug sind. Diese Geschwindigkeit, in der die Leute ihre Meinung ändern, hat zugenommen. Stimmungsabhängigkeit hat immer mit Wissen und Nichtwissen, mit gefestigten Überzeugungen und nicht gefestigten Überzeugungen zu tun. Wir leben in Zeiten, in denen die Leute immer weniger wissen und daher immer anfälliger sind für Schwankungen.

Inzwischen sorgen die Umfragen und die Medien, die sich auf sie konzentrieren, aber wieder für den gegenteiligen Effekt: Sie erwecken den Eindruck, das Rennen ist eh schon gelaufen.

Ja, das ist zum Verzweifeln. Dabei ist das Ausmaß der Schwankungen seit Jahren so groß, das lässt sich in allen modernen Demokratien zeigen. Diese komplette Überraschung in allen Gesichtern am Wahlabend 2005 – einschliesslich das der späteren Kanzlerin. Da haben die großen Institute am Tag zuvor intern die relativ klare Ansage gemacht, dass wir sieben oder acht Prozent hinter der Union liegen. Am Ende war es ein Prozent. Da hatten die Medien zum Teil schon Wochen vorher gesagt: Ihr habt überhaupt keine Chance mehr.

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Diese Begeisterung für Schulz kam scheinbar aus dem Nichts.

Dass er Potential hat, ließ sich in Fokus-Gruppen über ein Jahr im Voraus feststellen. Wenn man seinen Namen in die Diskussion geworfen hat, haben sich plötzlich die Gesichter erhellt. Als das später in diesem „Schulz-Effekt“ sichtbar wurde, waren davon die Medien selbst überrascht. Wenn ich mit Journalisten darüber gesprochen habe, haben die immer gesagt: Ach ja, der Schulz. Der steht doch für Europa und Europa ist out. Das war die Stammformel. Ich sagte dann: Nein, Europa ist nicht out, im Gegenteil, gerade bei denen nicht, die wollen, dass wieder mal einer dafür kämpft. Als dann die Zahlen durch die Decke gingen, waren die Journalisten überwältigt von dem, was er ausgelöst hat, und haben dann, um ihre eigenen Fehler zu kompensieren, das dann auch noch über-hyped.

Das bedeutet: Auch wenn die Journalisten das Gefühl haben und vermitteln, das Rennen sei gelaufen, kann bei den Wählern trotzdem noch einmal so ein Funke überspringen?

Das passiert ja ständig. Nehmen Sie die berühmtesten, zum Teil ja auch die schlimmen Entwicklungen, die man nicht vorausgesehen hat. Oder auch Emmanuel Macron. Als der zum französischen Präsidenten gewählt wurde, hieß es unisono: Oh, er muss jetzt gegen eine Nationalversammlung regieren, die gegen ihn ist – und dann hat er die komplett abgeräumt. Ich weiß gar nicht, was bei den Leuten tatsächlich noch ankommt von den Medienbotschaften, das ist für mich das große Rätsel. Ist das jetzt eine gegenseitige journalistische Bestätigung? Wird die noch ernst genommen von den Leuten, für die sie geschrieben wurde?

Welche Bedeutung haben die klassischen Medien heute?

Meiner Meinung nach konnte man schon 2005 sehen, wie die abgenommen hat. Wenn Sie überlegen, gegen was für eine Medienwand Schröder gerannt ist im Wahlkampf damals. Von „Stern“ über „Spiegel“ bis „Zeit“ waren alle auf dem Neo-Liberalismus-Trip und dachten, jetzt müsse mit Merkel und Westerwelle „durchregiert“ werden. Das war der erste Moment, wo ich dachte: Diese Nummer von Schröder: „Bild“, „BamS“ und Glotze, die läuft nicht mehr. Ich sagte auch zum ersten Mal: Leute, lasst euch von der „Bild“-Zeitung und irgendwelchen „Bild“-Kampagnen nicht kirre machen. Wir wissen gar nicht, ob deren Leser die noch ernst nehmen. Das wird immer stärker gerade. Ob das gut oder schlecht ist, ist eine andere Frage. Diese bekannten Medien, mit denen ich aufgewachsen bin und die meisten, die an den Schaltstellen der Republik sitzen … manchmal habe ich das Gefühl, die sind ohne Unterbau. Alle, die unter 40 sind, haben damit eigentlich nichts mehr am Hut.

Im Frühjahr haben die Medien Martin Schulz immer wieder vorgeworfen, dass er bloß über die Dörfer tingelt, während die Kanzlerin die tollen Bildern mit Staatsmännern macht.

An diese Rote-Teppich-Nummer habe ich noch nie geglaubt. Schauen Sie sich die Leute an, die in letzter Zeit erfolgreich Wahlen gewonnen haben. Die kamen aus der Opposition heraus, die hatten alle keinen roten Teppich.

Ist es dann egal, wenn die Medien das erzählen?

Egal ist es ja nie. Es hat eine starke Wirkung auf die Kandidaten, auf deren Umfeld, auf die Partei. Die Parteien werden ja auch von Über-50- oder 60-Jährigen dominiert, die diese Medien lesen. Dieser ganze Apparat wird dann nervös, er wird mobilisiert oder demobilisiert oder demotiviert. Der Horror sind Pressespiegel. Ich bin dafür, dass die sofort abgeschafft werden. Jeden Morgen um 06:30 Uhr kriegen die Leute Clippings aus allen Tageszeitungen, aber natürlich nur solche, die sie betreffen. Die gehen immer davon aus, dass das außer ihnen noch jemand alles liest. Das ist eine vollkommene Irreführung, das hat mit der Mediennutzung der Wählerinnen und Wählern nichts zu tun.

Wenn die Bedeutung der klassischen Medien abnimmt – was rückt an deren Stelle?

Die große Konfusion. Wir begleiten Wahlen seit bald 25 Jahren, immer mit Fokusgruppen. Da ist schon spürbar, wie viel weniger Menschen über politische Zusammenhänge, wirtschaftliche Zusammenhänge, internationale Zusammenhänge, über Personen wissen. Das nimmt dramatisch ab.

Sie sprechen vom „Kollateralwissen“, das verloren geht, weil die Leute nicht mehr nebenbei beim Zeitunglesen Informationen bekommen, nach denen sie gar nicht gesucht haben.

Das ist wirklich so. Die Leute können Dinge kaum noch zuordnen. Sie beschäftigen sich nicht mehr damit. Wir haben auf der einen Seite die News-Junkies, die nichts anderes mehr mitkriegen und dadurch auch einen gewissen Teil des Lebens verpassen. Und auf der anderen Seite die, die so viele Zerstreuungsmöglichkeiten haben, und es zum Teil auch gar nicht wissen, dass ihnen, wenn sie sich nur noch über „neue Medien“ informieren, ein Teil der Informationen vorenthalten wird, durch den berüchtigten Algorithmus. In den Landtagswahlkämpfen merken wir ganz stark, dass gerade das Wissen über Landespolitik komplett verloren geht. Auch ein Heavy-User von „Spiegel Online“ klickt da keine Landespolitik an, wenn sie ihm überhaupt angeboten wird. In einer Tageszeitung früher war halt eine Seite oder zwei Seiten Landespolitik, und die haben Sie dann, spätestens auf der Toilette, auch noch irgendwie mitgenommen. Es kommt eine große Konfusion, eine große Orientierungslosigkeit. Gleichzeitig haben wir durch die Flüchtlingsdebatte eine große Politisierung erlebt. Das Seltsame daran ist, dass die Leute immer weniger wissen, aber im Moment immer mehr wählen gehen. Sie haben mitbekommen, irgendwo ist das jetzt wichtig, es passiert gerade was in der Welt. Aber wir haben immer mehr die, die ich als „Snapchat-Wähler“ bezeichne. Die tauchen kurz auf, schauen kurz hin und sind wieder weg.

Was bedeutet das für den Wahlkampf?

Einerseits brauchen Sie immer länger, bis Sie mit einem Thema durchkommen, das heißt, Sie brauchen eine kontinuierliche Basisbotschaft. Andererseits müssen Sie höllisch aufpassen, dass Sie in den letzten drei Wochen wirklich richtig gut sind – dass Ihnen nicht ausgerechnet da die Puste ausgeht oder Ihnen Fehler unterlaufen oder Sie einen müden oder erschöpften Eindruck machen. Sie müssen dann noch Pfeile im Köcher haben und nicht schon alles verschossen haben.

Mein Eindruck ist, dass Medien heute häufiger nicht über Inhalte diskutieren, sondern über Strategien. Man bewegt sich auf einer Metaebene. Bei Merkels Kehrtwende in Sachen „Ehe für alle“ gab es sofort diese Erzählung: Wie clever von ihr, sie hat das strategisch abgeräumt. Alle waren plötzlich Strategie-Experten. Das dominierte viel mehr als die inhaltlich Frage: Möchte ich eigentlich, dass meine Kanzlerin, meine Partei, für oder gegen etwas eintritt.

Was mir wahnsinnig auf den Senkel geht, ist diese Unterstellung, dass etwas, was Merkel macht, genial sein muss. Das ist ja schon hanebüchen, es ist ja so viel improvisiert und schief gegangen. Aber sie hat diese Aura von „sie hat es immer irgendwie nochmal geschafft“, dass jeder Verstolperer so interpretiert wird. Ich bin mir sicher, dass Merkel die „Ehe für alle“ im Wahlkampf abräumen wollte, aber nicht an jenem Abend bei „Brigitte“. Sie hat sicher nicht auf dem Schirm gehabt, dass da am Freitag im Bundestag noch eine Abstimmung hinkriegen könnte. Das war nicht genial.

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Sie haben Merkel in Ihrem Blog vorgeworfen, dass sie berechnend ist, keine innere Überzeugung hat, keinen Kompass hat, der sie leitet. Das ist ja alles offenkundig, die Frage ist …

Stört es jemanden?

Genau!

Aber deswegen kann man es doch trotzdem sagen.

Kann es nicht sein, dass es der Mehrheit der Wähler – anders als Ihnen – völlig egal ist, ob ein Politiker Leidenschaft oder klare inhaltliche Überzeugungen hat?

Das glaube ich nicht. Ich glaube schon, dass wir in diesem Schulz-Moment gesehen haben, dass es eine Sehnsucht danach gibt. Wir haben die nicht nur bei uns gesehen, sondern auch bei Trudeau, Macron, Corbyn. Das sind natürlich politisch ganz unterschiedliche Charaktere, die alle für etwas anderes stehen, aber diese Sehnsucht ist schon da.

Merkel wird ja immer unterstellt, eine Strategie der „Asymmetrischen Demobilisierung“ zu fahren.

Die Frage ist halt: Lässt man sie damit durchkommen und zwar von Seiten der Herausforderer, aber auch von Seiten der Medien. Wenn ich den Journalisten sage: Ihr seid zu unkritisch, dann lesen mir da alle ihre Artikel vor, die Sie mal vor zwei Jahren geschrieben haben, aber faktisch ist es ja so. So hart wie Schulz oder andere wird sie nicht mehr angegangen.

Andererseits hat die CDU die drei Landtagswahlen in diesem Jahr gewonnen bei steigender Wahlbeteiligung.

Wir haben seit dem Frühjahr 2016 höhere Wählerzahlen. Auf der einen Seite wurden Leute aktiviert, die vorher zuhause geblieben sind und dann die AfD gewählt haben. Das hat dazu geführt, dass andere Leute sagten: Um Gottes Willen, die AfD geht gar nicht! – und auch zur Wahl gegangen sind. Das hallt jetzt noch ein bisschen nach, ich weiß allerdings auch nicht, wie lange das trägt. Das Thema Flüchtlingskrise ist jetzt, zumindest vorübergehend, verschwunden und damit auch der Grad der Politisierung.

Aber Sie glauben, dass es Strategie der Union ist, die potentiellen Wähler der anderen zu demobilisieren?

Das war ja kurios! Schulz sagt an einem Tag: Die Merkel ist beliebig und räumt aus strategischen Gründen alles ab – und am nächsten Tag räumt sie die „Ehe für alle“ ab. Hätte man da noch ein klareres Beispiel gebraucht? Man braucht halt mehr, wenn man diese Frau oder die Art ihrer Politik herausfordern will. Dann muss man sie wirklich herausfordern, mit Mut und Energie.

Sich als Kanzlerkandidat hinzustellen und zu klagen: Die will sich gar nicht mit uns streiten! und ihr einen „Anschlag auf die Demokratie“ vorzuwerfen, hat aber auch etwas sehr Hilfloses. Oder ist das Aufgabe der Medien, eine solche Strategie zu durchkreuzen?

Man kann über Schulz‘ Wortwahl reden, aber eine andere Wortwahl hätte vielleicht dazu geführt, dass es gar nicht transportiert worden wäre. Es war nicht nur ein Moment in Richtung Journalisten, es war auch ein Moment in Richtung Öffentlichkeit zu sagen: Wacht mal auf!

Sein Thema ist die soziale Gerechtigkeit. Die Reaktion vieler Medien ist: Wo soll das Problem sein? Und in den Umfragen sagen 80 Prozent der Menschen auch regelmäßig, dass sie mit ihrer wirtschaftlichen Situation zufrieden sind.

Das Thema, um das sich alle rumdrücken, wahrscheinlich, weil niemand eine Antwort hat: Woher kommt diese Unzufriedenheit, obwohl es den Leuten tatsächlich ziemlich gut geht? Die anfälligste Generation für die AfD sind die, die heute zwischen 45 und 55 sind. Das ist die Gruppe, die am meisten verunsichert ist. Das hat mit der Digitalisierung zu tun, mit den Umbrüchen in der Arbeitswelt. Das sind die, die spüren: Diesen Job, den ich mache, werde ich ziemlich sicher keine zehn oder 15 Jahre mehr machen können.

Sie haben geschrieben: Es geht um die Zukunft, es findet gerade ein großer Umbruch statt, und niemand redet darüber. Wessen Fehler ist das? Wer könnte das ändern?

Wenn das von der Amtsinhaberin nicht gemacht wird, muss es der Herausforderer machen, wer denn sonst. Es geht dabei nicht darum, Angst zu machen, die Angst ist ja sowieso da. Dieses Klima der Unruhe war schon vor zweieinhalb Jahren da. Da war noch kein einziger Flüchtling auf der Autobahn. Die AfD hatte 2013 schon fast fünf Prozent ohne Flüchtlinge, und wir schweigen dieses Thema tot oder adressieren es nicht. Entweder weil keiner weiß, wohin es führt, oder weil keiner guten Gewissens sagen kann: Wir kriegen das hin, wir arbeiten daran. Oder weil es Debatten erfordert, die man jahrelang abgeblockt hat, wie zum Beispiel das Grundeinkommen: Wie organisieren wir in einer hoch industrialisierten und eigentlich wohlhabenden Nation weniger Arbeit? Ich glaube, das ist eine ganz große Aufgabe der Medien zu fordern und zu sagen: Wie wollen wir jetzt eigentlich wirklich damit umgehen?

Vor 20 Jahren drehte sich in der Öffentlichkeit alles um „Reformen“, es gab das Wort vom „Reformstau“, jeder schien zu sagen: Natürlich brauchen wir Reformen, noch mehr und noch schneller. Jetzt ist dieser Gedanke, dass Dinge vielleicht geändert werden müssten, völlig verschwunden. Den unterdrückt ja Merkel nicht mit Gewalt, sondern den bringen viele Medien auch nicht auf.

Vielleicht weil das ihre eigene Empfindlichkeit ist. Wir haben ja ängstliche Medien heute, das darf man nicht vergessen. In der großen Debatte in den Jahren 1998 und 2002 haben die Medien die Regierung getrieben. Die Medien haben gesagt, wir brauchen liberalere Arbeitsverträge, weniger Arbeitsschutz, die Leute sollen den Gürtel enger schnallen (nur wir nicht). Das war eine geballte neoliberale Stimmung, bis in die Talkshow-Sendungen: Das Volk ist zu fett und zu faul und zu träge. Jetzt geht den Journalisten selbst der Arsch auf Grundeis. Die sind nicht frei davon, sich an das zu klammern, was ist. Die Medien sind ja nicht losgelöst von der Gesellschaft. Keiner kann sich davon freimachen von seiner persönlichen Situation und seiner Befindlichkeit. Diese Sorge spiegelt sich in der Berichterstattung wieder. Und eine alternde Gesellschaft ist auch eine innovationsfeindliche Gesellschaft.

Wobei noch die Frage wäre, ob ausgerechnet die SPD die Partei ist, die für Innovation steht.

Aus meiner Sicht tat sie das immer. Die haben eine Partei gegründet, da gab es noch keine Demokratie, das finde ich schon mal grundoptimistisch und fortschrittlich. Sowas wie das Heidelberger Programm oder der Ruf „mehr Demokratie wagen“, das war ja kein Massenthema, das war ein intellektueller Anspruch. Die Arbeiter haben nicht Willy Brandt gewählt, weil er mehr Demokratie wagen wollte, sondern wegen der sozialen Gerechtigkeit. Das waren immer die beiden Bestandteile. Dieses zweite Standbein Fortschritt, das kam in den letzten Jahren einfach zu kurz.

Sie haben in der Neuauflage Ihres Buches geschrieben, die Wahl sei eigentlich schon entschieden. Der deutsche Wähler wolle eigentlich den Wechsel nicht, und die einfachste Art, zu wechseln ohne den Wechsel zu haben, ist …

… den Koalitionspartner zu wechseln.

Dann hat man die FDP als Antreiber und Modernisierer und Angela Merkel kann nochmal vier Jahre weitermachen. Ich fand das so überzeugend, dass ich jetzt gar nicht weiß, warum das nicht eintreten soll.

Ich hab ja immer noch die Hoffnung, dass ich mich, wie so oft, täusche. Und ich bin der festen Überzeugung, die SPD hat in dieser Regierungsphase viel an Reputation zurückgewonnen, weil sie zwei, drei Schlüsselthemen umgesetzt hat, für die sie angetreten ist. Aber der zweite Teil wäre gewesen, danach mit ein paar jungen Leuten, die es ja gibt, Modernisierungsthemen zu setzen. Das ist nicht passiert.

Glauben Sie, dass „fake news“ eine Rolle spielen werden im Wahlkampf?

Sie können halt verunsichern. Sie können die Verunsicherung, die schon da ist, bestätigen und je weniger die Menschen an Basiswissen über die Gesellschaft haben, über politische und über wirtschaftliche Zusammenhänge, umso anfälliger sind sie. Ich glaube aber, es gibt wenige Menschen, die sich ausschließlich innerhalb ihrer jeweiligen Ideologie informieren, was in Amerika ganz anders ist. Das ist so bei uns noch nicht möglich.

Die Gesellschaft ist bei uns noch nicht so gespalten.

Und auch die Medien sind nicht so linear aufgestellt, dass Sie sagen können: Ich bewege mich keinen Meter aus meinem Umfeld raus.

Sie sagen, dass nichts gefährlicher ist als ein „Comeback-Kid“: „Ein Gegner, der schon totgesagt war, aber wieder kommt und dadurch sogar noch mehr Momentum entfachen kann, als beim ersten Anlauf.“ Ist das bezogen auf Martin Schulz nicht nur Wunschdenken?

Die Möglichkeit gibt es.

Was bräuchte es dafür? Da sind wir wieder bei den Medien und ihrer Fixierung auf Meinungsumfragen: Reicht da ein kleiner Effekt, dass es wieder ein, zwei Prozent nach oben geht, und die Medien fangen an, anders zu schreiben und produzieren wieder einen Verstärkungseffekt?

Etwas ist auf jeden Fall gesetzt, vielleicht durch die Rede von Martin Schulz, vielleicht auch durch das Agieren rund um die „Ehe für alle“: Viele in den Medien sind offensichtlich der Meinung, wir lassen die Merkel jetzt mal nicht ungecheckt weiterwurschteln. Wenn das anhält, dann wird sich das weiter verbreiten. Ich glaube, dass Schulz auch immer noch ein Sympathie-Potential hat, der ist auch nicht durch. Wenn man am Ende den Eindruck hat, die CDU macht es sich zu bequem, bleibt immer noch die Frage: Wem nützt das denn am meisten? Kann die SPD da nochmal was entfachen? Hat sie da auch den Willen reinzugehen? Es kommt auch darauf an zu sagen: Ja, das und das fehlt und wir sind die Ehrgeizigeren, wir sind vielleicht auch anstrengender, aber dafür haben wir auch die besseren Ideen für die Zukunft. Das ist noch eine Möglichkeit, mit der die SPD da noch reingehen kann. Wenn die es nicht macht, dann kommt der Lindner.

Dieses Gespräch erschien erstmals am 12.7.2017 auf Uebermedien.de für Abonnenten und ist seit dem 19.7.2017 dort auch frei abrufbar.

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