Daniel Erk hat mir für den ZEIT ONLINE Podcast „Frisch an die Arbeit“ viele spannende Fragen gestellt, auf die ich versucht habe, nicht zu langweilig zu antworten. Enjoy:
Frank Stauss ist Wahlkampfberater und hat schon für Wowereit und Schröder gearbeitet. Im Podcast erklärt er, wie man gewinnt und weshalb er kein Politiker sein will.
„Die spannendste Phase des Wahlkampfs ist für uns als Berater der Anfang“, sagt Frank Stauss, Wahlkampfberater und Geschäftsführer der Campaigning-Agentur Richel/Stauss, der gerade zwei Kampagnen für die SPD in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz entwickelt hat. Am Anfang nämlich würden die wichtigen strategischen Fragen entschieden, die später die Grundlage für die Kampagnen bilden. „Wenn für die Öffentlichkeit der Wahlkampf beginnt, ist er für uns fast zu Ende“, erklärt Stauss im ZEIT-ONLINE-Podcast „Frisch an die Arbeit“. „Die Schlussphase des Wahlkampf ist für uns die Schlimmste, weil man da fast nichts mehr ändern kann.“
Stauss, der zu den bekanntesten Wahlkampfberatern Deutschlands gehört, macht seit 30 Jahren Kampagnen – meist für die SPD, bei der Stauss auch Mitglied ist. Allerdings, erzählt er, habe er auch schon für Kandidatinnen und Kandidaten der Grünen und der FDP sowie vor einigen Jahren auch eine ganze Kampagne für die österreichische ÖVP entwickelt. Zwar habe er gewisse politische Leitlinien, aber grundsätzlich sei er als Campaigner in erster Linie Dienstleister und eben nicht Politiker, sagt Stauss: „Wir sind Berater. Wir hängen nicht auf den Plakaten. Meine Karriere hängt nicht vom Wahlabend ab.“
Ob er selbst gerne Politiker geworden wäre? „Ich hab da einen riesigen Respekt davor. Aber das kann ich mir beim besten Willen nicht mehr vorstellen“, sagt Stauss. In jungen Jahren habe er darüber nachgedacht, aber mittlerweile sei er der Überzeugung, dass Wahlkampf tatsächlich seine Berufung sei. Im Podcast erzählt Stauss auch, welche Faktoren eine Wahl in seinen Augen wirklich beeinflussen und warum ihn die Vergleiche zur vorherigen Wahl gar nicht interessieren.
Die Plakate und Slogans und die Fokussierung auf diesen einen Tag der Wahrheit, sagt Stauss, habe ihn schon sehr früh begeistert. „Ich wusste mit zwölf, dass ich Wahlkämpfe machen will – ich kann versichern, das ist ein sehr einsames Hobby für ein Kind“, sagt Stauss.
Besonders in Erinnerung sei ihm in all den Jahren unter anderem der Wahlkampf 2001 an der Seite von Klaus Wowereit geblieben. „Wowereit sagte damals ‚Ich bin schwul und das ist auch gut so‘. Dass Wowereit die Wahl gewonnen hat, das war für mich als Homosexuellen eine doppelte Krönung“, sagt Stauss.
An der Europuniversität Viadrina hielt ich auf Einladung einer Internationalen Konferenz des Sprachenzentrums einen Vortrag über die Macht der Sprache.
Nach der Veröffentlichung als Podcast in der Deutschlandfunk Nova Reihe „Hörsaal“ wurde ich häufiger gebeten, den Vortrag auch schriftlich und vor allem auch mit dem im Hörfunk doch eher bedingt sendefähigen Bildmaterial bzw. Links zu veröffentlichen. Hier ist er.
Und da einige auch fragten, warum ich denn nichts zu Corona schriebe, ein kurzer Hinweis: Hände waschen, Abstand halten, andere nicht anhusten. Es ist alles gesagt.
YES WE CAN MAKE AMERICA GREAT AGAIN. Sprache und ihre Macht in der politischen Kommunikation.
Vortrag im Audimax der Europauniversität Viadrina, Frankfurt an der Oder, 5. März 2020.
INTRO: SPRACHE IST NEUTRAL. OB SIE GUTES ODER BÖSES AUSLÖST LIEGT AN UNS.
Ein Hörsaal voll von Menschen, die ihr berufliches Leben der Vermittlung von Sprachen widmen. Schön!
Sprachkenntnis bedeutet so viel Schönes: Völkerverständigung, Zugang zu fremden Kulturen die sich erst durch Sprachkenntnisse endgültig erschließen lassen, Vielfalt, Integration, Partizipation.
Wenn ich an Sprachunterricht denke, dann sehe ich fröhliche Menschen mit unterschiedlichen soziokulturellen Hintergründen, die sich zusammengefunden haben, um gemeinsam eine Sprache zu lernen oder ihre Sprachkenntnisse zu vertiefen. So wie auf jedem Prospekt für eine Sprachreise, auf jeder Homepage einer Sprachschule oder jeder App: Überall gutaussehende, junge, lachende Menschen die eines verbindet: das gemeinsame Erlernen einer neuen Sprache. Vielleicht kommt noch eine Nonne auf dem Fahrrad vorbeigefahren und lächelt gütig.
Aber Sprache – und wer wüsste das besser als Sie – ist nur so gut wie die Menschen, die sie sprechen.
Sprache, das haben wir über die Jahrhunderte gelernt und lernen wir gerade jeden Tag aufs Neue – Sprache ist auch eine Waffe.
Sprache ist Macht.
Sprache markiert Hoheitsgebiete, territoriale und ethnische Zugehörigkeit.
Sprache ist Mittel der Unterdrückung ebenso wie Zeichen der Unabhängigkeit.
Sprache kann ebenso gut für Separation und Segregation stehen wie für Dialog und Integration.
Sprache kann zu Sprachlosigkeit führen.
Denken wir nur einmal an Konflikte der jüngeren Geschichte.
An territoriale „Säuberungen“, die sich häufig nicht nur auf Religion oder Ethnien beziehen, sondern auch auf Sprache. Dann wird Sprachunterricht zu Umerziehung. Oder auch zum Einfallstor, um über Sprache Minderheiten zu mobilisieren und Staaten zu destabilisieren.
Sprache war schon immer auch Unterdrückungs- und Manipulationswerkzeug .
Beispielsweise im Spanien der Franco-Diktatur, als Katalanisch bzw. Mallorquin verboten wurde. Eine Unterdrückung, die allerdings bereits ab etwa 1715 mit den Bourbonen Königen begann.
Ein weiteres Beispiel aus der Spanisch-Französischen Grenzregion ist natürlich Baskisch. Das noch stärker zur Identifikation beiträgt, weil es sich um eine isolierte, nicht verwandte Sprache handelt. Wer sich mehr für diesen Konflikt und auch die Auswirkungen der Sprache interessiert, dem empfehle ich den Roman „Patria“ von Fernando Aramburo.
Womit wir bei der Literatur, der Kunst, dem Theater, der Oper, der Musik, den Dichtern & Denkern wären. Auch hier kann Sprache alles sein: Schön und häßlich, fröhlich und feindlich, poetisch und kriegerisch, demokratisch und totalitär. Kulturpolitik war und ist in der Geschichte nicht selten Sprachpolitik. So wurden eben das Katalanische im 17. Jahrhundert zunächst von den Bühnen verbannt – denn die Bühnen waren ein Instrument der Sprach- und damit der Machtdominanz.
Heute haben wir ganz andere Bühnen. Und wenn wir von Hate-Speech in den sozialen Medien sprechen, sprechen wir natürlich auch über eine Sprache der Ausgrenzung, Aufwiegelung und Hetze.
Nun sind wir hier heute in Deutschland und in direkter Nachbarschaft zu Polen, das vor nicht allzu langer Zeit nicht hier lag, sondern weiter östlich und deshalb muss ich territorial gar nicht weit abschweifen, um über Machtpolitik, Sprachpolitik, Vertreibung, Umsiedlung und Umerziehung zu sprechen.
Und über Vernichtung. Denn Sprache kann hetzen, manipulieren, desinformieren, agitieren und in letzter Konsequenz auch töten und vernichten. Und wo muss man eindringlicher daran erinnern als hier, in Deutschland und direkt an der Grenze zu Polen.
Doch heute stehe ich hier an einem Ort der Versöhnung, der Verbundenheit, der Völkerverständigung und der Hoffnung.
Und damit meine ich nicht nur die Stadt Frankfurt (Oder) – aber eben auch die Stadt. Und natürlich meine ich die Europa-Universität Viadrina, die – wie ihr Name schon sagt – ein großartiges Symbol für die Hoffnung und Verständigung ist.
Mich verbindet mit Frankfurt (Oder) und der Viadrina absolut nichts. Oder- moment mal. Doch! Mein Diplom vom Otto-Suhr-Institut für Politische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin wurde 1993 unterschrieben von der damaligen Dekanin, einer gewissen Gesine Schwan. Für alle, die es nicht wissen, von 1999-2008 war Prof. Schwan Präsidentin der Europa-Universität Viadrina.
Aber zurück ins Jahr 1993, zu mir und endlich auch zu meinem eigentlichen Thema.
Meinem Abschluß als Diplom Politologe 1993 war ein zweijähriger Aufenthalt an der George-Washington-University in Washington DC vorausgegangen. Als Stipendiat der Fulbright-Stiftung lebte ich damit mittendrin in der Herzkammer der politischen Kommunikation.
WAHLKAMPF – DAS MEKKA DER KOMMUNIKATION
Wahlkämpfe hatten mich schon seit frühester Jugend – fast seit meiner Kindheit – fasziniert.
Ich weiß, das ist für ein Kind ein einsames Hobby. Aber wie für alles gibt es auch hierfür eine globale Community. Oder Freaks. To make a long story short. Ich wurde während des Studiums Praktikant bei einem Senator aus Tennessee namens Al Gore,
dieser wurde Vizepräsidentschaftskandidat von Bill Clinton, ich durfte 1992 mit in das Wahlkampfteam wechseln und mache seither kaum noch etwas anderes.
Ich liebe Wahlkämpfe und noch mehr, sie zu gewinnen.
Wie vor zwei Wochen in Hamburg für die SPD.
Wer mehr darüber erfahren möchte, dem kann ich guten Herzens „Höllenritt Wahlkampf“ als Lektüre empfehlen. So, enough advertising for myself.
Wahlkampf ist für alle Beteiligten ein Höllenritt – und gleichzeitig faszinierend. Für mich ist es das Hochamt der Demokratie. Es gibt nichts Schöneres, als an einem Wahltag die Menschen in die Wahllokale strömen zu sehen.
Jeder Mensch mit einer Stimme –ob arm oder reich, Mann, Frau, Transgender, Muslima, Christ, ob schlau oder doof, schön oder häßlich – ein Mensch eine Stimme.
Aber zum Wahltag gehört der Wahlkampf.
Das Werben um die Wählerinnen und Wähler.
Seit Erfindung der Demokratie gibt es Wahlkämpfe – und schon wesentlich länger gibt es Kampagnen. Denn wenn man einen König, Kaiser, Sultan, Herrscher vor dem Zeitalter moderner Massenkommunikation bekannt machen wollte, dann geschah dies durch Ausrufe, Aushänge, Gesänge oder auch durch die Prägung von Münzen.
Moderne Wahlkämpfe wurden und werden in den USA geprägt. Weil die USA auch maßgeblich unser heutiges Marketing, Werbung, PR und natürlich die Medienkultur überhaupt prägen. Von Social Media ganz zu schweigen. Die Welt orientiert sich nach wie vor an der hegemonial prägenden Kultur der USA. Und zwar freiwillig. Das gilt von Hollywood und Disney über TV-Formate zu Netflix, Facebook, Twitter, Amazon & co.
Ein Wahlkampf ist heute alles auf einmal. Sie müssen jeden Kanal bedienen, jedes Werkzeug beherrschen.
Als ich 1990 in die USA kam, galt Washington schon lange als das Mekka der politischen Kommunikation. Amerikanische Werbeagenturen hatten schon seit den 60er Jahren moderne TV-Wahlkämpfe geprägt mit John F. Kennedy einen eigentlich als chancenlos betrachteten Kandidaten durch die Macht der Bilder ins Weiße Haus gebracht.
Aber war es wirklich nur die Macht der Bilder? Nun, im Wettstreit mit Richard Nixon – der dann sieben Jahre Präsident wurde – halfen Bilder bestimmt. Aber auch Worte. Wie Sie alle wissen, hinterlassen Sprachbilder,Metaphern die stärkste Wirkung bei den Menschen. In dem Augenblick, in dem ein Wort oder eine Ansammlung von Worten beim Empfänger innerlich ein Bild entstehen lassen ist die Wirkung deutlich stärker und auch nachhaltiger.
Heute wissen wir das aus der Forschung, geahnt haben wir es schon länger. Viel länger. Im amerikanischen Bürgerkrieg nutzte Präsident Lincoln eine bis heute wirkmächtige Metapher:
Heute sind die USA wieder geteilt.
Es ist kein Bürgerkrieg.
Und er verläuft auch nicht entlang territorialer Grenzen wie Nord und Süd.
Es ist ein Krieg der Worte und die Grenzen verlaufen zwischen Familien, Freunden, Arbeitskollegen.
Sie verlaufen nicht mehr entlang der klassischen bisherigen sozioökonomischen Prägung von früher: Also etwa zwischen Arbeitern und Angestellten, Katholiken und Protestanten, Reich und Arm, Gewerkschaften und Arbeitgebern – sie verlaufen heute viel stärker entlang soziokultureller Grenzen. Und diese finden sich querbeet.
Und dieser Krieg der Werte und Krieg der Worte baut sehr stark auf Sprache, Sprachbilder und Metaphern.
Noch dazu findet Wahlkampf heute in einer völlig veränderten Medienlandschaft statt.
Wenn Sie in einer solchen Landschaft durchdringen wollen, müssen Sie ihre Botschaft noch stärker zuspitzen, Sie müssen noch stärker emotionalisieren und polarisieren.
Sie müssen mit einer starken Stimme sprechen.
Und mit einer klaren Sprache.
III. DIE MACHT DER SPRACHE: HOPE VS. FEAR
Die Bedeutung der Sprache, des FRAMINGS und des STORYTELLINGS hat George Lakoff von der University of Berkley, einer der bekanntesten Linguisten und Kognitionswissenschaftler, dies bereits 1996 in seinem Buch „Moral Politics“ hervorgehoben.
Er machte für eine in Richtung Konservatismus verschobene Debattenhoheit vor allem an der Akzentverschiebung der Republikaner auf der Werteebene verantwortlich.
Es ging nicht mehr nur um die Wirtschaft – es ging immer stärker um Werte. Damals wie auch heute um „Family Values“, die aus Sicht der Konservativen vor allem immer mehr in Gefahr sind.
Lakoff machte deutlich, dass die Konservativen nahezu ihren ganzen Diskurs auf der Ausdehnung dieser Family Values und besonders auch deren Bedrohung aufbauen.
Die Nation wird sprachlich wie eine (große) Familie betrachtet, die von innen wie von außen bedroht wird. Durch Disziplinlosigkeit, Verwahrlosung, Eingriffe von Dritten (Gesetzgeber),
Beschneidung der Hoheitsrechte, Eindringlinge, Unordnung, Veränderung, Aushöhlung, Gender-Rights, Schwulenrechte, Frauenrechte.
Dies alles führt zu Schwäche statt Stärke.
Eine starke Familie schützt sich.
Eine starke Nation schützt sich.
Ein starkes Volk lässt sich nicht unterkriegen.
Tradition macht stark.
Veränderung macht schwach.
Das ist ein sehr starkes Framing.
Es fußt maßgeblich auf Angst.
Es geht um Schutz, ums Bewahren.
Bis heute wird in diesen konservativen Familien-Frame alles eingebettet, was Gefühle von Bedrohung durch Veränderung auslöst. Und es wird häufig geleugnet, dass Veränderung überhaupt notwendig sei. Wie etwa, ob es den Klimawandel überhaupt gibt.
Für die Bedrohung kann auch keine Metapher stark genug sein.
Auch in Deutschland nicht.
Die „Fluchtwelle“,
die „Asylschwemme“,
die „Messermigranten“.
Aber Metaphern können auch harmloser daherkommen und dennoch Wirkung entfalten.
Steuern, zum Beispiel, sind aus konservativer Sicht ein unschöner Eingriff in unsere Hoheitsrechte. Sie werden nicht erhoben, um Schulen, Kindergärten, Universitäten, Straßen, Radwege oder soziale Sicherungssystem zu finanzieren. Nein, sie sind eine Last.
Schon längst wird der Diskurs über Steuern von Metaphern geprägt. Sie sind nicht so radikal, aber wirksam.
Wir sprechen von „Steuerlast“.
Gerne angereichert durch „Erdrückende Steuerlast“, von der wir „befreit“ werden müssen.
Positiv spricht man nur von „Steuererleichterungen“ und man sieht förmlich, wie der von der Steuerlast erdrückte Bürger den mit Steinen befüllten Rucksack von sich wirft und erleichtert und befreit seines Weges hüpft. Befreit von dieser Last kann er jetzt wieder Jagen und Sammeln nur für seinen Stamm und seine Familie.
Wer heute „Make America Great Again“ hört, verbindet damit häufig Machtstreben, Ausgrenzung, Dominanz, Macho…. Aber sind die Worte nicht unschuldig?
Ja, im Vergleich zu heute war Ronald Reagan ein eher gemäßigter Präsident. Aber auch er bediente sich dem erfolgreichen konservativen Framing der Stärke.
Heute sind dieselben Worte aber noch weniger unschuldig. Denn heute stehen sie in einem noch wesentlich nationalistischeren Kontext. Es geht nicht nur um die Stärke der eigenen Nation. Es geht auch darum, sie vor Eindringlingen und Einflüssen zu schützen.
In dieses populistisch-konservative Framing werden auch auf den ersten Blick entfernte Ereignisse eingebettet. Das isolationistische Element des Framings bedient der heutige Präsident der USA, der sich lautstark darüber beschwert, dass ein Film aus Korea den Oscar für den besten Film gewonnen hat.
Wie begegnet man erfolgreich diesem starken, alles durchdringenden konservativen Framing?
In dem man eine eigene starke Emotion auslöst.
Einer Gegenemotion, wenn man so will.
In westlichen Demokratien wurde die politische Debatte die längste Zeit entlang der groben Linie: „Mehr Staat“ vs. „Weniger Staat“ geprägt. Man kann fast sämtliche Parteien entlang dieser Demarkationslinie sortieren.
Heute gibt es diese Linie auch noch. Aber die Debatte hat sich viel stärker emotionalisiert.
Während „Mehr Staat“ vs. „Weniger Staat“ durchaus auch zur Emotionalisierung taugte – „Freiheit statt Sozialismus“ war solch eine Formel, lag ihr doch noch so etwas wie Rationalität zugrunde.
Moderne Wahlkämpfe zeichnet eine wesentlich stärkere Emotionalisierung aus.
Es geht um Hoffnung gegen Angst.
Hope vs. Fear
Mittelerde vs. Mordor
Wenn ich von Hope spreche denken alle sofort an Barack Obama.
„Hope“ war sein zentrales Schlüsselwort.
Er hat sogar ein Buch darüber geschrieben: The Audacity of Hope.
Aber bereits 1992 war es ein zentrales Ausweisschild für den letzten erfolgreichen demokratischen Kandidaten vor Obama: Bill Clinton. Der Mann wurde sogar in einem Kaff namens „Hope, Arkansas“ geboren, weshalb seine Kampagne auch „The Man from Hope“ hieß.
Politisch wird diese Emotion durch die Verbindung mit Veränderung, mit „Change“.
Es ist die Hoffnung, dass „Change“ eine Veränderung zum Besseren ermöglicht.
„Change“ soll in diesem Frame zu
mehr Zusammenhalt,
mehr Gleichberechtigung,
mehr Umweltschutz,
mehr soziale Sicherheit,
mehr Vielfalt,
mehr Gerechtigkeit etc. führen.
Erfolgreiche progressive Kampagnen der jüngsten Zeit haben diese Emotion massiv bedient und ihre Sprache daran ausgerichtet.
Justin Trudeau hat seine Kampagne sogar unter das Motto „We beat fear with hope“ gestellt.
Und denken wir an Barack Obamas berühmtem „Yes we can!“- Schlachtruf. Mehr Optimismus geht ja kaum.
Es folgten Nachahmer auf der ganzen Welt.
In Spanien benannte sich eine ganze Partei gleich danach: Podemos.
Aber das ließ die Konkurrenz der PSOE nicht lange auf sich sitzen. Sie konterte mit HAZ QUE PASE – MAKE IT HAPPEN.
Progressive Parteien – so meine Erkenntnis, haben dann eine Chance gegen die Sprachmacht der Angst, wenn sie sich dieser positiven Sicht auf die Chancen des Wandels ganz verschreiben.
Viel zu oft sind Parteien mit einer progressiven Agenda auf einem negativen Framing unterwegs.
Sie warnen vor allem Möglichen.
Vor Altersarmut,
der Klimakatastrophe,
Kinderarmut,
Zerrissenheit,
Haß,
Ausgrenzung,
Unterdrückung,
Spaltung,
Verelendung,
Verödung –
Das Fazit lautet: Die Welt geht unter, wenn ihr mich nicht wählt.
Aber am Ende dieser Botschaft bin ich schon so deprimiert, ich will morgens schon nicht mehr aufstehen, um wählen zu gehen, so schrecklich ist das alles.
Jeremy Corbyn hat so gerade eine Wahl in England vor die Wand gefahren.
Und auch Hillary Clinton konnte gegen Trump nur verlieren, weil die Menschen mit ihr keine Hoffnung auf einen Aufbruch verbanden.
Verstehen Sie mich nicht falsch.
Es gibt diese Probleme alle.
Und sie sind groß.
Und man muss sie angehen.
Man kann diese Probleme aber nur lösen, wenn man zuvor gewählt wird.
Die Trennlinie Hope vs. Fear verläuft längst global:
Und sie wurde auch in Deutschland bereits gefahren.
Hier ein Beispiel vom März 2016 aus dem Wahlkampf in dem Bundesland Rheinland-Pfalz auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsdebatte in Deutschland.
Zwei Plakate – zwei sehr unterschiedliche Botschaften.
Zum Abschluss möchte ich Ihnen einen Ausschnitt aus der Rede einer Frau zeigen, gegen die ich zweimal Wahlkämpfe verloren habe. Da sie insgesamt viermal gewonnen hat, war ich also nur zweimal schuld.
Aber was heißt Schuld? Heute muss ich sagen. Zum Glück hat sie gewonnen. Denn es gab in den letzten Jahren mehr als einen Moment, an dem ich dachte: Gott sei Dank, ist sie da!
Sie ist keine große Rednerin. Aber wie sie gleich sehen werden, kann sie dennoch auch mit ihrer kargen Sprache Emotionen entfalten.
Und ohne ihn nur ein einziges Mal zu erwähnen, demontiert sie mit weisen Worten den Präsidenten der USA in seinem eigenen Land. Und sie tut das immer entlang des Framings Hope vs. Fear. Aber schauen wir uns erst einmal an, wie die Amerikaner so etwas bewerben:
Ich empfehle, die ganze Rede zu sehen. Den entscheidenden Ausschnitt findet man ab Minute 21:00 – bis ca 25:00.
Wie Sie sehen, ist die Welt nicht immer so schwarz/weiß wie man dachte. Es gibt durchaus auch progressive Konservative. Aber die Zeichen der Zeit sind leider andere.
Wenn Demokratien sich wappnen wollen für den Kampf gegen Populistische und häufig auch Totalitäre Tendenzen, dann müssen sie sich intensiver der stärksten Waffe widmen, die sie haben: