Hat NoGroko der SPD in Bremen geschadet? Im Gegenteil.

Spätestens als die SPD Bremen vor einem Jahr bei 22% notierte (28.5.18/INSA), war klar, dass es diesmal wirklich eng werden würde. Allerdings nicht das erste Mal. Bereits 1995 landete die SPD nur 0,8% vor der CDU. Diesmal ist es umgekehrt und die CDU liegt aktuell 0,9% vor der SPD. Aber was hat die GroKo Absage der SPD Bremen 9 Tage vor der Wahl bewirkt?

2019  war die Lage für die SPD besonders dramatisch. Unter anderem, weil die Lage der SPD überhaupt dramatisch ist, aber auch aus lokalen Gründen. Bürgermeister Carsten Sieling wurde 2015 Bürgermeister, da sein Amtsvorgänger das SPD Ergebnis von 32,8% und die Bestätigung von Rot/Grün durch die Wählerinnen und Wähler (47,9%) nicht gut genug fand und abtrat. Kann man machen. Führt aber zu Problemen. Denn der Nachfolger war dadurch eben nicht im weitesten Sinne vom Volk legitimiert, sondern ausschließlich von der Bürgerschaft gewählt. Das macht verfassungsrechtlich keinen Unterschied – es ist ja keine Direktwahl, aber emotional schon. Vor allem aber hat ein solcher Wechsel auch noch längere Zeit Auswirkungen auf den Bekanntheitsgrad, der erst durch einen Wahlkampf deutlich steigt.

Der suboptimale Start ins Amt wurde durch den notwendigen Konsolidierungskurs der Rot/Grünen Regierung nicht leichter. Die faktisch erfolgreiche Konsolidierung (die Schuldenuhr läuft seit einigen Tagen rückwärts), führt jetzt auch zu neuen finanziellen Spielräumen – allerdings können diese erst nach der Wahl greifen. Insgesamt notierte die Landesregierung daher nur leicht positiv und die Kompetenzwerte sind in vielen Bereichen ausbaufähig .

2019 lag die SPD in keiner Umfrage mehr vor der CDU, meist 1% dahinter. Auf der anderen Seite wuchsen die Bäume der CDU in den Wochen vor der Wahl trotz unkonventionellem Kandidaten aber auch nicht in den Himmel. Angestrebt waren 30%+x und immerhin hatte die CDU auch schon einmal 37,1% geholt – 1999. Man sieht also, dass es in Bremen nicht nur für die SPD bergab ging in den letzten zwanzig Jahren. Die CDU notierte von Februar bis Anfang Mai zwischen 25 und 26%, die FDP bei etwa 6 und das Schwarz/Gelbe Lager zwischen 31 und 34%. Starke Linke (10-12%) und sowieso starke Grüne (18%, rauf von 15,1% bei der letzten Wahl) ergänzten das Stimmungsbild.

Allerdings änderte sich das, je näher die Wahl kam. Der CDU mit einem Unternehmer an der Spitze gelang es verstärkt, sich zum Anführer des schwarz/gelben Lagers zu machen. Dies hatte zur Folge, dass die CDU auf Kosten der FDP zulegte und vermutlich auch noch ein oder zwei Prozent aus dem autoritätsfixierten rechteren Wählersegment gewinnen konnte. Und die Chance, dass tatsächlich erstmals die CDU vorne liegen könnte, mobilisierte das eigene Lager zusätzlich. Dies führte dazu, dass die CDU der SPD weiter enteilte, die Lager selbst sich aber nicht nennenswert vergrößerten.  Als erste meldete die FGW für das ZDF am 16.5. einen Vorsprung von 1,5% für die CDU und damit erstmals mehr als das bisher gemessene 1% oder Gleichstand. Es folgte kurz darauf Infratest mit einem Vorsprung von 3% und schließlich INSA* am 21.5 mit 5% CDU-Vorsprung – bei 28% für die CDU und 23% SPD. Wenn man von einem Trend sprechen will, dann hat man hier einen. (* Insa veröffentlichte zwar erst am 21.5, war aber seit dem 15.5. im Feld)

Die SPD musste etwas tun. Wie andernorts auch, hatten die Genossen an den Infoständen viele Gespräche zu GroKo und Co zu bewältigen. Die SPD entschied sich daher für eine klare Vorwärtsstrategie und schloss eine Große Koalition mit der CDU aus. Und mit der FDP eine Ampel gleich mit. Thematisch wurde der Fokus auf Wohnen und Mieten vs. einer unsozialen Wende mit Privatisierung und Sozialabbau gelegt.

Die Wählerinnen und Wähler hatten damit eine klare Wahl. Ob ein solcher Schritt nur neun Tage vor der Wahl noch fruchtet, weiß man erst am Wahltag. Denn nur weil zwölf Leute das am Freitag twittern und der Weserkurier es einmal schreibt, ist die Botschaft noch lange nicht unterm Volk.

Ein Hinweis, dass der Trend zur CDU abgeschwächt wurde, gab die letzte Umfrage der FGW für das ZDF, die als einzige die klare Aussage der SPD voll im Erhebungszeitraum hatte. Im Gegensatz zu ihren früheren Umfragen, fand die FGW keine Bewegung hin zur CDU und veröffentlichte erneut einen Vorsprung der CDU von 1,5%.

Gemessen wurde aber auch eine klare Absage an Jamaika und die beliebtesten Koalitionsmodelle waren Rot/Grün gefolgt von Rot/Rot/Grün, beide allerdings auch ohne Mehrheit.

Bremen ist ein kleines Bundesland, so dass auch kleinere Bewegungen zu größeren Verschiebungen führen können. Genau wird man es nie erfahren. Wir sind fest davon überzeugt: Ohne Disruption wäre die CDU der SPD mit gut 4-5% Vorsprung davongezogen.

Die (immer noch vorläufigen) Ergebnisse im Einzelnen (Landeswahlleiter, 27.5., 2:16 Uhr):

RRG: 25,34 (S) + 10,79 (L) + 17,49 (G) = 53,62
Jamaika: 26,30 (C) + 6,04 (F) + 17,49 (G) = 49,83

Insgesamt bleibt das traditionell linke Bremen mit einem Anteil von 53,62% für SPD, Grüne und Linke klar links der Republik.  Schwarz-Gelb kommt zusammen auf 32,34%, Rot-Rot auf 36,13.  Jetzt liegt es an den Grünen, ob sie für die erste Rot-Grün-Rote Landesregierung in einem der alten Bundesländer bereit sind.

Die SPD hat jedenfalls den Wählern vor der Wahl klar gesagt, wofür sie steht. Es hat ihr nicht geschadet und jetzt muss sie auch nicht rumeiern.

Game-Changer in Bremen.

Der Trend in Bremen war eindeutig: INSA veröffentlicht am Dienstag einen 5% Vorsprung für die CDU. Dann kam die Absage der SPD an die CDU. Und es sortiert sich neu.

Ein Game-Changer bricht mit bisherigen Regeln, betritt neues, unerforschtes Territorium und birgt daher hohe Risiken – oder aber die Chance, den Lauf der Dinge nachhaltig und über den Moment hinaus zu verändern. Am Freitag, den 17.5.2019 um 17:00 treten der Bremer Bürgermeister Carsten Sieling, die SPD Landesvorsitzende Sascha Aulepp und Fraktionschef Björn Tschöpe vor die Presse, um einen möglichen Game-Changer zu verkünden. Einstimmig hat soeben der Landesvorstand der SPD beschlossen, eine Zusammenarbeit mit der CDU, ja sogar Sondierungsgespräche, kategorisch auszuschließen. Es wird in Bremen keine große Koalition geben. Ebenso wird eine Zusammenarbeit mit der FDP ausgeschlossen. Das ist nur konsequent, da die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der CDU hauptsächlich mit deren Sozial- und Mieterpolitik begründet wird – und diese Argumente gelten in Richtung FDP ebenso.

Es ist das erste Mal, dass eine der beiden Volksparteien eine Koalition mit der anderen vor der Wahl ausgeschlossen hat. Bisher hat man je nach politischer Himmelsrichtung vieles ausgeschlossen – Linke, anfangs auch Grüne, Rechte sowieso – aber keine Koalition untereinander. Auch hat die SPD es in einem der alten Bundesländer bisher nicht gewagt, offensiv für eine Rot-Rot-Grüne Koalition zu werben. Die Grünen und die Linke allerdings auch nicht. Das ist also alles neu – könnte aber die politische Landschaft über Bremen hinaus verändern.

Was keiner bisher wusste: Wie reagieren die Wählerinnen und Wähler auf eine solche klare Aussage nur neun Tage vor der Wahl? In den letzten Jahren hatten die Wähler ja gelernt, dass nach der Wahl alles möglich ist. Schwarz-Grün, Grün-Schwarz, Schwarz-Gelb-Grün, GroKo, Ampel, Rot-Grün, Grün-Rot. Es wurde immer unklarer, was die Stimmabgabe am Ende bewirkt. Und vielleicht finden das die Leute gar nicht so schlecht. Oder doch?

In der sehr diffusen Medienwelt unserer Zeit, muss man mit mindestens 5-7 Tagen rechnen, bis eine solche Nachricht tatsächlich bei den Wählerinnen und Wählern ankommt. Und dann muss man sehen, ob sie überhaupt zu irgendwelchen Reaktionen führt. Und wenn, dann welche Reaktionen sie auslöst.

Heute, am Donnerstag 22:00, ist Tag 6 nach der Gro-Ko Absage und uns liegt die erste Umfrage vor, die nach dieser Entscheidung erhoben wurde. Sie wurde im Auftrag des ZDF von der Forschungsgruppe Wahlen erhoben und zwar noch bis spät in den heutigen Donnerstag-Abend hinein. Frischer geht es nicht.

Zum Vergleich steht die bisher aktuellste Umfrage, die von dem Meinungsinstitut INSA im Auftrag der BILD am Dienstag, den 21.5.2019 veröffentlicht wurde. Diese Befragung fand noch hauptsächlich vor der Pressekonferenz der SPD statt oder so kurz danach, dass die Befragten die Absage an die CDU noch nicht mitbekommen konnten (15.5.-20.5.)

Vergleichen wir die beiden Umfragen Vor/Nach der Entscheidung:

VORHER : INSA / BILD (15.-20.5.2019):
SPD: 23%, CDU 28%, Grüne 18%, FDP 6%, Linke 11%, AfD 6%, BiW 2%

NACHHER: Forschungsgruppe Wahlen (FGW) / ZDF (21.-23.5.2019)
SPD: 24,5%, CDU 26%, Grüne 18%, FDP 5%, Linke 12%, AfD 7%, BiW 3%

Veränderungen:
SPD +1,5%, CDU -2%.
RRG wächst von 52% auf 54,5%,
Schwarz-Gelb sinkt von 34% auf 31%

Im Vergleich zu der letzten vorliegenden Umfrage schrumpft der Abstand zwischen CDU und SPD von 5% auf 1,5% um – 3,5%. Das ist sehr viel in sehr kurzer Zeit. Ab jetzt kann man wieder sehr klar sagen: Das ist ein Kopf-an-Kopf Rennen.In der Direktwahlfrage legt Bürgermeister Carsten Sieling im Vergleich zur letzten FGW-Umfrage sogar noch etwas zu auf 43%. Jetzt steht es bei 12% Vorsprung 43% zu 31%.

Fazit: Da es kein ähnlich relevantes Ereignis in den letzten Tagen des Wahlkampfes in Bremen gegeben hat, muss man davon ausgehen, dass die klare Ansage der SPD zu diesen in der Kürze der Zeit doch relevanten Verschiebungen geführt hat. Schon jetzt sind alle Auguren, die der SPD einen Zusammenbruch nach der Absage an CDU und FDP attestiert haben, widerlegt. Das Gegenteil ist der Fall. Das durchaus vorliegende Momentum der CDU in den letzten Wochen wurde gestoppt, wenn nicht sogar gedreht. Die Zustimmung zur SPD steigt. Und wir sind jetzt erst bei Tag 6 – es folgen noch 3.

Die Wählerinnen und Wähler goutieren offenbar die klare Ansage der SPD. Sie wissen jetzt zu 100%, woran sie sind, und dass die mit der SPD keine Regierungsbeteiligung von CDU oder FDP bekommen werden. Die Grünen haben entschieden, sich eine Koalition mit CDU und FDP offenzuhalten. Das bringt sie nicht wirklich weiter. Da sie bei der letzten Wahl bereits 15,5% erreicht hatten, ist ihr jetziger Stand gemessen an der Entwicklung im Bund unterdurchschnittlich.

Das alles heißt noch lange nicht, dass die Wahl am Sonntag entschieden ist. Aber sie ist wieder offen. Für die SPD Bremen hat sich das volle Risiko bisher als Game-Changer mit positiver Tendenz erwiesen. Durch die Basis ging ein spürbarer Motivationsschub und an den Infoständen wird viel Zustimmung zu dem klaren Kurs deutlich.

In Bremen gibt es wieder ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Das Momentum liegt für die letzten drei Tage wieder auf Seiten der SPD. Vieles deutet auf eine sehr volatile Wählerschaft mit vielen Unentschlossenen hin. Es ist übrigens längst nicht das erste Kopf-an-Kopf Rennen zwischen SPD und CDU in Bremen. Bei der Wahl 1995 trennten beide nur 0,8 Prozentpunkte beim Endstand von 33,4%: 32,6% zugunsten der SPD.

Auch diesmal wird die Wahl in Bremen wohl zu den wenigen Wahlen zählen, bei denen wir wirklich bis Sonntag um 18:00 warten müssen, bis wir ein Ergebnis haben. Oder noch länger.

No Gro-Ko – Was passiert denn da in Bremen?

Auch wenn die ganz große Aufmerksamkeit dem Thriller „Koksnasen auf Ibiza“ gehört, lohnt sich doch ein Blick ins kleinste deutsche Bundesland. Dort hat die SPD der CDU eine knallharte Absage erteilt. Und die Grünen schwallwabern bei der Koalitionsfrage mal wieder puddingleicht durch das Mäandertum.

Der SPD Landesvorstand Bremen beschließt einstimmig, dass die SPD Bremen nach der Wahl ausschließlich für eine Mitte-Links-Regierung zur Verfügung steht. Anschließend treten die Parteivorsitzende, der Fraktionschef und der Bürgermeister am Freitag gemeinsam vor die Presse, um genau das 9 Tage vor der Wahl zu verkünden. Das ist nicht nur ziemlich geschlossen, sondern in seiner Konsequenz auch einmalig in der Geschichte bisheriger Landtagswahlkämpfe in Deutschland.

Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass es jemals einen solchen Beschluss von einer der beiden Volksparteien gegeben hätte.

Gleichzeitig wäre eine nun mögliche Mitte-Links-Regierung – in diesem Fall also aus SPD, Grünen und Linkspartei, die erste Rot-Grün-Rote Landesregierung in einem der alten Bundesländer. Die Bremerinnen und Bremer könnten also den Beweis für eine funktionierende Mitte-Links Regierung „im Westen“ antreten und damit neue linke Optionen über Bremen hinaus wieder denkbar machen.

Das kann man nun diskutieren. Hier mein Beitrag.

PRO:

1. Klarheit statt Unberechenbarkeit
Die Segmentierung der Parteienlandschaft in Deutschland hat mittlerweile dazu geführt, dass kein Wähler vor der Wahl noch weiß, was er nach der Wahl bekommt. Es gibt alle, wirklich alle Modelle. Jamaika, Ampel, GroKo, RRG (mal mit der SPD vorne in Berlin, mal mit der Linken in Thüringen, Schwarz-Grün, Grün-Schwarz, Rot-Grün, Schwarz-Gelb und in Brandenburg überlegt die CDU, ob man nicht doch mit der Linken…. Was die CDU in Sachsen überlegt bzw. macht, wenn sie ihren jetzigen MP abserviert hat, will ich gar nicht wissen.

Übrig bleibt eine unüberschaubare Kakophonie, Unklarheit und Unberechenbarkeit und das in Zeiten, in denen sowieso schon sehr viel Unsicherheit und Unklarheit die Sicht trüben. Die SPD sagt jetzt den Wählern: Mitte-Links oder nichts.

2. Regieren nicht um jeden Preis – sondern mit klaren Zielen.
Nach der Ankündigung der SPD kamen natürlich gleich Kommentare wie „SPD klammert sich an die Macht.“ Sorry, aber der Gedanke muss nochmal in die Logikklinik. Genau das Gegenteil ist ja der Fall. Sie schließt mehrere Machtoptionen kategorisch aus: Rot-Schwarz, Schwarz-Rot sowie die Ampel, da die FDP in Bremen sich aufgrund jahrzehntelanger Ohnmacht völlig ins Abseits marktradikalisiert hat.

Das heißt, selbst wenn die SPD erneut stärkste Partei würde (was aufgrund der aktuellen Umfragen durchaus drin ist), geht sie ein hohes Risiko ein.  Wichtiger sind ihr die Ziele, die sie mit CDU und FDP nicht erreichen kann. Etwa beim Mieterschutz, einer verschärften Mietpreisbremse und bezahlbarem Wohnungsneubau.

Wie in allen Metropolen ist auch in Bremen der Wohnungsmarkt zu der großen sozialen Frage unserer Zeit geworden. Obwohl dort die SPD nicht die gleichen Fehler begangen hat wie viele andere Regierungen. Sie hat eben gerade nicht städtische Wohnungen gekauft, sondern im Gegenteil, sogar neue erworben. Das ist gut. Aber das reicht nicht. Es braucht dringend mehr sozialen und generell bezahlbaren Wohnraum. Denn auch Bremen boomt und steht mit seinem Wirtschaftswachstum im zweiten Jahr in Folge bundesweit auf dem Siegertreppchen.

Das Wohnungsbauprogramm der CDU:
Wenn Du kein Geld für Miete hast, warum kaufst Du nicht Wohnung? Eh?!“

In dem 100-Tage Programm der CDU findet man hierzu ein dürres Sätzchen unter Position 25 (von 33 und zwar kurz vor dem Punkt: „Wir wollen Einweggeschirr untersagen“ – was sowieso schon verboten wurde). Es lautet sinngemäß: Die Leute sollen sich was kaufen. Oder wörtlich „Unser Ziel ist es, über alle Stadtteilen (sic!) kurzfristig mindestens Grundstücke für 500 Wohneinheiten für Familien zu identifizieren um sie zur Bebauung zur Verfügung (Verkauf oder Erbpacht) zustellen.“ Dankeschön. Deutsch Sprach schwer Sprach aber übersetzt: „Wenn Du kein Geld für Miete hast, warum kaufst Du nicht Wohnung? Eh?!“. Wenn das Volk kein Brot hat, warum isst es keinen Kuchen? Hinzu kommen bei der CDU: Ablehnung der verschärften Mietpreisbremse, Ablehnung der Bebauung eines bereits ausgewiesenen Bauprojektes (Rennbahn) usw. Kurzum: Mit einer Groko wird hier absolut nichts voran gehen. Warum soll man sie dann eingehen?

Es gibt noch viele weitere Punkte, aber der reicht mir eigentlich schon.

3. Wenn ihr links wählt, bekommt ihr links.
In Bremen gibt es seit vielen Jahren und über alle Umfragen hinweg stabile Mehrheiten für SPD, Grüne und Linke zwischen 54% und 57%. Die Verteilung innerhalb des Lagers verteilt sich, die Lager selbst bleiben sehr stabil. CDU/FDP liegen auf der anderen Seite im Korridor 30-34, aktuell sind es 32%. Dann gibt es noch AfD und/oder Bürger in Wut sowie die Besonderheit, dass wer in Bremerhaven die 5% bekommt, auch dann in die Bürgerschaft einzieht, wenn es in Bremen nicht reicht. Das sorgt für zusätzliche Verwirrung.

Kurzum: Die SPD Entscheidung sagt den Wählerinnen und Wählern: Wenn ihr eine Mitte-Links Regierung wählt, dann bekommt ihr sie mit uns garantiert. Das kann man bei den Linken auch voraussetzen, bei den Grünen nicht. Die Grünen schwallwabern mal wieder puddingleicht durch das Mäandertum. Kann man machen und viele Grün-Wähler wachen dann am Ende mit der CDU auf, die sie nie wollten. Was aber ist verwerflich daran, den Wählern klar zu sagen: Wenn es für eine linke Mehrheit reicht, sind wir in jedem Fall dabei. Wenn nicht, dann gehen wir in die Opposition?

Fazit: Ein Gewinn an Klarheit für die Wählerinnen und Wähler – und wie ich finde, auch für die Demokratie. Denn am Ende gibt es wieder etwas zu entscheiden. Für die SPD ist das ein Risiko, in das noch keiner gegangen ist. Aber auch sie wird danach Klarheit haben. Auf jeden Fall kommt nochmal Schmackes in den Endspurt.

CONTRA:

Ooops, ich muss los. Eurovision-Party vorbereiten. Riiiiise like a Phoenix! Es gab sie doch, die guten Dinge – auch aus Österreich.

 

 

 

Sie ist es nicht.

Viele – innerhalb und außerhalb der CDU – hatten die Hoffnung, dass Frau Kramp-Karrenbauer Garantin für eine Fortführung des Modernisierungskurses ihrer Vorgängerin sein würde. Sie ist es nicht. Sie ist sogar das Gegenteil davon. Und man kann nicht einmal behaupten, dass sie jemals etwas anderes vorgetäuscht hätte, als die zu sein, die sie ist: Eine fundamental konservative, tiefreligiöse Katholikin, die weder mit Frauenrechten noch mit Klimaschutz, Europäischem Fortschritt oder auch einfach nur mit gutem Benehmen gegenüber befreundeten Nationen oder gesellschaftlichen Minderheiten etwas am Hut hat.

Wirklich allen auf der weiten Welt ist mittlerweile bekannt, wie Mark Zuckerbergs politische Good-Will-PR-Touren aussehen und wie wenig Veränderungen er am Ende in seinen Unternehmen bereit ist, vorzunehmen. Von Datenschutz über Steuerehrlichkeit bis zur konsequenten Eindämmung von Hasskommentaren. Kann man sich vorstellen, dass Angela Merkel sich für eben diesen Mark Zuckerberg mit Sneakern verkleidet hätte? Und ihre eigene Partei dazu tweeten würde: „AKK passend dazu im Sillicon (sic!)-Valley-Look.“ Kann es eine peinlichere Anbiederung und Bankrotterklärung der Politik vor einem globalen Player geben? Nun greift jeder mal morgens daneben, aber nicht jeder will Kanzlerin werden. Und es handelt sich ja auch nicht um einen Fehlgriff, sondern um ein absichtlich inszeniertes PR-Produkt, das nur ein weiteres Beispiel für die schlimmen ersten Wochen der CDU-Vorsitzenden darstellt. Hier sind noch ein paar weitere.

Abfuhr statt Schulterschluss.
Über Emmanuel Macron ist viel gesagt worden und gibt es viel zu sagen. Aber dass er ein glühender Anhänger der Europäischen Idee ist, die in diesen Zeiten dringend eine Wiederbelebung braucht, steht außer Frage. Die kleinkarierte Antwort der CDU-Vorsitzenden auf seine umfassenden Reformvorschläge gipfelte in der diplomatischen Frechheit, von Frankreich doch erstmal den Verzicht auf Straßburg als Parlamentssitz zu fordern. Als ob Frankreich das Problem sei oder der Sitz des Parlaments. So erbsenzählend behandelt man einen Rivalen, keinen Freund. Als Vision wurde dann noch schnell ein gemeinsamer Flugzeugträger hinterhergeschoben, während die eigenen Streitkräfte kaum in der Lage sind, bereits vorhandenes Fluggerät von festem Grund abheben oder ein altes Segelschiff einfach segeln zu lassen. Wie verlockend ist das denn?

Schulpflicht vor Zukunft.
Zum Thema Fridays for Future, beziehungsweise dem Klimawandel, hatte Frau Kramp-Karrenbauer nur die Betonung der Schulpflicht zu bieten. Und dass sie ihren Kindern das verboten hätte. Ergänzt wurde das selbstredend mit handelsüblichem, konsequenzfreiem Klimaschutzgeschwurbel aus dem Rhetoriksetzkasten der Union („Muss man irgendwie machen, darf aber die Industrie/ Dieselfahrer/ Eigenheimbesitzer/ Mieter/ Handwerker/ Nichthandwerker/ Eheleute (also die richtigen), Raser/ etc. nicht belasten“).

Vatikan vor Frauenrechten.
Bei der Reform, beziehungsweise nicht Abschaffung des § 219a, war Frau Kramp-Karrenbauer mitnichten auf der Seite der Reformer, sondern vermutlich nach dem Vatikan die eifrigste Verfechterin keiner Reform: „Der Schutz des Lebens, ungeborenes und geborenes, hat für die CDU überragende Bedeutung.“ Über die unnötigen Gängelungen der betroffenen Frauen und Ärzte kein Wort.

Verletzen statt vereinen.
Schon ein Klassiker von Frau Kramp-Karrenbauer ist ihre aktive Intoleranz gegenüber allem, was nicht der traditionellen Ehe im Sinne des Vatikans entspricht. Je nach Tagesform ist da sogar der Papst schon weiter. Bei Frau Kramp-Karrenbauer bleibt ihre Feindschaft gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens aber nicht auf einer abstrakten Ebene. Sie wird ausfallend und beleidigend mit dem klaren Vorsatz, andere Menschen zu verletzen und auszugrenzen.

Selbst nach der breiten Mehrheit in Bundesrat und Bundestag für die Ehe für Alle sowie einer Reihe sehr eindeutiger Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, blieb Frau Kramp-Karrenbauer noch 2017 bei der Überzeugung: „Man muss aber im Blick behalten, dass das Fundament unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens dadurch nicht schleichend erodiert.“ Wie ein gesellschaftliches Fundament durch Eheschließungen erodieren soll, wird auf immer ihr Geheimnis bleiben. Aber Hauptsache, man hat nochmal rechts geblinkt und ein paar Hochzeitsgesellschaften dabei in die Suppe gespuckt.

Dass diese engstirnige Auslegung kein Zufall ist, beweist das Zitat von Frau Kramp-Karrenbauer aus dem Jahr 2015 zur Ehe für alle. Damals betonte sie: „Wenn wir diese Definition öffnen in eine auf Dauer angelegte Verantwortungspartnerschaft zweier erwachsener Menschen, sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen.“ Zusammengefasst: Homoehe = Inzest = Polygamie. Niedriger und verletzender kann man nicht argumentieren. Im Kampf um den Parteivorsitz der CDU 2018 von mehreren Seiten darauf angesprochen, nahm sie übrigens kein Wort zurück, sondern flüchtete sich in den schlimmen PR Satz, dass sie natürlich nicht die Absicht habe, zu verletzen, aber ebenso natürlich dabei bleibe (also dabei, zu verletzen).

Alleinerziehende dissen statt unterstützen.
In diesen Zusammenhang gehört auch ihre faktenfreie Aussage „Seit Jahren heißt es, dass für die Entwicklung von Kindern Vater und Mutter die beste Konstellation ist.“ Was gegen das Adoptionsrecht im Zusammenhang mit der Ehe für alle gemeint war, aber natürlich auch ein Schlag ins Gesicht aller Alleinerziehenden ist. Und natürlich auch ein Schlag ins Gesicht der Kinder von Alleinerziehenden oder gleichgeschlechtlicher Eltern, die ja auch hören und lesen können. Kommt Frau Kramp-Karrenbauer denn nie der Gedanke, was solche Aussagen bei den Betroffenen anrichten?

Minderheiten verhöhnen statt versöhnen.
Die völlige Empathieunfähigkeit von Frau Kramp-Karrenbauer gegenüber anderen Menschen, die nicht ihrem katholisch-konservativen Weltbild entsprechen, zieht sich wie ein roter Faden durch ihre gesellschaftspolitischen Aussagen. Selbstverständlich gehört auch hierzu ihr schlechter Witz zu Karneval, der ja nicht nur einfach ein schlechter Witz war. Oder eine spontane Entgleisung. Es war ein Wort für Wort und Satz für Satz aufgeschriebenes, eingeübtes und abgelesenes Dokument der Ablehnung von allem, was man heute unter gesellschaftlichem Fortschritt versteht. Und es waren kalkulierte Lacher auf Kosten von Menschen, die es weiß Gott schon schwer genug im Leben haben und dafür nicht noch die Häme der CDU-Parteivorsitzenden brauchen. Eine Häme, die ähnlich der Trump’schen Rhetorik nur anderen signalisiert, dass man heute wieder krachdumme Witze über Minderheiten machen kann, die jedoch zu keinem Zeitpunkt das Ziel hatten, witzig zu sein. Es ging nie um ein befreiendes, fröhliches Lachen. Frau Kramp-Karrenbauer suchte die hämische, feindselige Verbrüderung der Mehrheitsgesellschaft gegenüber Schwächeren und fand sie auch. Es war der kalkulierte Missbrauch einer Karnevalsveranstaltung, nach der man immer allen anderen sagen konnte, dass sie doch völlig humorlos seien, weil es ja eine Karnevalsveranstaltung gewesen sei. Das ist typische AfD-Taktik und von der will sie ja auch erklärtermaßen Wähler zurückholen.

Rückwirkende Grenzschließung statt Werben für Verständnis.
Als eine der ersten Amtshandlungen berief die neue Parteichefin im Februar 2019 ein „Werkstattgespräch“ ein, auf dem zum gefühlt achthunderttausendstenmal die Grenzsituation 2015 aufgearbeitet werden sollte. Nun hatte die gesamte Republik freiwillig oder unfreiwillig bereits einige Jahre darüber diskutieren dürfen, Bücher und Studien zum Thema wurden gedruckt, Wahlen gewonnen oder verloren – aber die CDU war der Meinung, man habe sich noch nicht genug im eigenen Merkelhass gesuhlt. Da ahnte Frau Kramp-Karrenbauer, dass sie sich über ein bisschen Merkel-Bashing den ostrechten Landesverbänden und natürlich der strammrechten Baden-Württemberg-Sauerland-Schiene anbiedern könnte. Gesagt, getan. Und in Folge kam kein Interview mehr ohne Sozialmissbrauch, Frühwarnsystemen (wie beim Tsunami, nur mit dem umgekehrten Vorsatz, nämlich Menschen gerade nicht zu retten) und einer rückwirkenden Grenzschließung aus: „Wir haben gesagt, als Ultima Ratio wäre das durchaus auch denkbar.“ Das wolle man, weil man „Schengen nach innen offen halten“ möchte. Schengen nach innen offenhalten bedeutet ja eigentlich offene Grenzen innerhalb der EU. Hm? Das muss eigentlich nochmal komplett in die Logikklinik, solange Österreich, Italien und Ungarn da noch drin sind, aber Hauptsache, man hat mal wieder rechts geblinkt und ein paar Flüchtlinge in Zusammenhang mit Sozialmissbrauch gebracht. Mission erfüllt, wenn auch keine christliche.

Deutschland ist zum Glück schon weiter.
Aus strategischer Sicht könnte man nun argumentieren, dass es doch gut sei, wenn die Union wieder weiter nach rechts rutsche, um die von Merkel verlorenen Wählerinnen und Wähler zu holen. Könnte man machen, wenn man den gesellschaftlichen Kollateralschaden einmal außen vorließe. Wäre aber dennoch falsch. Denn Frau Merkel hat für die Union durch ihren Modernisierungskurs vor allem eine Menge an Machtoptionen gewonnen. Von Schwarz/Grün über Jamaika zu Schwarz-Gelb, Schwarz-Rot, Rot-Schwarz und in Brandenburg liebäugelt die CDU sogar mit der Linken.

Merkels Wählerkoalition reicht weit in die urbane Mitte, in der die CDU sonst kein Bein mehr auf den Boden bringt. Jenseits des medialen Getöses hat die deutsche Mehrheitsgesellschaft sich über die Merkel-Jahre hinweg klar in Richtung des progressiven Lagers verschoben. Effektiver Klimaschutz, eine proeuropäische Grundeinstellung, ein modernes Bild von Familie und Ehe, die Unterstützung moderner Arbeitsformen (Recht auf Heimarbeit lehnt die CDU auch ab), der Wunsch nach einem funktionierenden Sozialstaat, gesunde Ernährung, effektiver Verbraucherschutz und ein handlungsfähiger Staat, der für eine zeitgemäße Infrastruktur sorgt, sind die Anliegen dieser Wählerkoalition. Und in Zeiten wie diesen wünscht sich diese Wählerkoalition auch eine nach innen wie außen friedfertige Gesellschaft, deren Führung nicht unnötig Öl ins Feuer gießt.

Frau Kramp-Karrenbauer bietet für niemanden aus dieser gesellschaftlichen Gruppe einen Anlass, sie zu wählen. Im Gegenteil. Je mehr Frau Kramp-Karrenbauer aus dem Schatten von Frau Merkel tritt, desto deutlicher wird allen werden: Sie ist es nicht. Sie ist nicht die Zukunft. Sie ist das Gesicht des gesellschaftlichen Rückschritts. Sie ist die falsche Wahl für Deutschland und Europa.

Bildschirmfoto 2019-04-03 um 16.00.30