Merkel erklärt die deutsche Automobilwirtschaft zum Problemfall – und wir reden über den Islam.

Während unsere Leitmedien die intellektuell wirklich sehr unterfordernde „Islam – Debatte“ zum Headliner der Regierungserklärung wählten (vermutlich, um sich möglichst viele Clicks der AfD-Trolle abzuholen), ließ Merkel einen Hammerschlag nach dem anderen auf die deutsche Wirtschaft nieder.

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen, dieses Zitat: „Fehler in einzelnen Branchen können sich sehr schnell zu systemischen Problemen entwickeln.“ Systemische Probleme kennen wir spätestens seit dem Zusammenbruch der Finanzmärkte und den Bankenrettungsbemühungen, um eben diesen Kollaps einzudämmen. Aber die Kanzlerin sagte diesen Satz nicht im Zusammenhang mit Banken und Finanzmärkten. Sie sprach ihn im Zusammenhang mit dem Dieselskandal: „Wie schnell das gehen kann, sehen wir beim Dieselthema“ Und sie machte noch eines deutlich: „Es ist nicht garantiert, dass wir in 5 oder 10 Jahren noch so erfolgreich sind wie heute.“ In fünf Jahren ist 2023. Das ist bald.

Merkel betonte auch, dass die Welt sich „epochal“ verändere. Und nannte Nokia als beeindruckendes Fail-Beispiel. Von 50% Marktanteil bei Mobiltelefonen auf 1% in zehn Jahren. Die Kanzlerin sprach über Künstliche Intelligenz, den technologischen Rückstand unserer Wirtschaft, die Anforderungen an die Politik, Datensouveränität gegen Datenausbeutung zu setzen und benannte, was so wenige Menschen wahrhaben wollen: „Was immer digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden.“

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Den Anschluss nicht zu verlieren, gegenüber den USA, Indien, China sieht sie nicht nur als wichtigste Aufgabe Europas, sondern eben auch als „Bewährungsprobe für die soziale Marktwirtschaft.“ Wie sozial ist digital?  – Das ist tatsächlich eine der größten Herausforderungen der Gegenwart. Schade nur, dass sie in der deutschen Debatte keine Rolle spielt.

Deutschlands größte Herausforderungen sind nicht die Rente, das Kindergeld und schon gar nicht die Religionsfreiheit. Deutschlands größte Herausforderungen heißen Diesel, Digitalisierung und Demographie. Und das erschütternde ist, dass wir nicht nur einen tattrigen Heimatschutzminister haben und die CDU sich von Merkel in dem Augenblick abwendet, in dem sie ihre beste Stunde hat. Das schlimmste ist, dass unsere Medien die wichtigsten Herausforderungen überhaupt nicht wahr genommen haben.

Ein Land, das sich so mit Nebensächlichkeiten beschäftigt wie Deutschland, wird die Zukunft nicht gewinnen können. Wir sollten daher jegliche Scheindebatten beenden und uns den wirklichen Herausforderungen der Gegenwart stellen. Folgt man Merkel, so heißen die drei größten Probleme Deutschlands Volkswagen, BMW und Mercedes. Denn „Fehler in einzelnen Branchen können sich sehr schnell zu systemischen Problemen entwickeln“ heißt nichts weniger, als dass der Zusammenbruch der deutschen Automobilindustrie den Zusammenbruch der Zulieferindustrie und damit den Zusammenbruch eines Großteils der deutschen Wirtschaft nach sich ziehen wird.

Natürlich hat Merkel in diesen klaren Worten auch ihr eigenes Scheitern, das der Autobosse, der Autolobby und vor allem das ihrer CSU-Verkehrsminister beschrieben. Denn alle haben so lange auf den Diesel gesetzt, bis er ihnen unterm Hintern explodiert ist. Aber dennoch: Sie hat für ihre Verhältnisse jetzt so klar und deutlich die Probleme benannt, wie selten zuvor. Es wollte nur keiner hinhören.

In diesem Sinne: lasst uns über Islam, Flüchtlinge und weitere drittrangige Themen sprechen, während die deutsche Bundeskanzlerin in einem beispiellosen Vorgang gerade in ihrer Regierungserklärung die deutsche Schlüsselindustrie zur gefährdeten Spezies erklärt hat.

Glück auf!