Der Markt reguliert einen großen Scheiß.

Das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ in Berlin,  die in vielen Orten bereits erfolgte Rekommunalisierung der Energie- und Wasserversorgung oder Kevin Kühnerts Vorstellung einer gemeinwohlverpflichteten Wirtschaft machen vor allem eines klar: Der freie Markt versagt gerade im ganz großen Stil.

Die Freie und Hansestadt Hamburg ist seit 2013 fest in der Hand der Kommunisten. Folgt man dem Aufschrei der Konservativen und Neoliberalen auf Kevin Kühnerts Interview mit der ZEIT, müsste das so sein. Denn 2013 stimmten die für ihre revolutionären Zellen bekannten Bürgerinnen und Bürger Hamburgs in einem Volksentscheid für die Rücknahme der Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme durch die Stadt. Rekommunalisierung klingt scheinbar besser als Enteignung, meint aber dasselbe.

Das wilde Verscherbeln gemeinschaftlichen Eigentums, das ausnahmslos ALLE Parteien in den neoliberalen Nullerjahren mitgetragen oder gar forciert haben (hallo Linke in Berlin und Grüne in ganz Deutschland, Zeigefinger wieder einfahren, danke), wurde jedenfalls schon seit geraumer Zeit gestoppt. In vielen Fällen auch für teuer Geld wieder rückgängig gemacht. Warum? Nun, weil die privaten Unternehmen wahlweise unfähig, überteuert, unverschämt oder meist alles zusammen waren. Das kommunale Tafelsilber zu verkloppen halten heute nur noch FDP und CDU im aktuellen Bremer Wahlkampf für eine tolle Sache.

Dabei leben wir längst auch in Deutschland im Zeitalter der kapitalistischen Exzesse. In Berlin erwarben mein Mann und ich im Jahre 2006 zu einem moderaten Preis ein Reihenhaus. Glück gehabt. In exakt dieser Straße wurde 2018 eine Wohnung in einem 50er-Jahre Haus (wir wissen, die 50er und 60er standen ja für höchste Bauqualität – gerade auch im Osten), für – Achtung – 7.445 EUR/qm zum Kauf angeboten. Die Wohnung lag im Hochparterre, so dass der Dackel sich immerhin auf die Hinterpfoten stellen muss, um den Bewohnern ins Gesicht starren zu können. Eine 65qm Erdgeschosswohnung in einem frisch gestrichenen Allerweltsbau für rund 490.000 EUR plus Makler plus Notar plus Grunderwerbssteuer. Und wie hoch soll dann die Miete sein, wenn einer kauft und vermietet? Schon längst bilden sich in Berlin, Hamburg, München und sonstwo in der Republik Baugenossenschaften, um überhaupt noch bezahlbares Eigentum oder bezahlbare Mietwohnungen schaffen zu können. Und diese Genossenschaften kommen aus dem Mittelstand – nicht aus der KPDSU.

Unternehmerverbände und irgendwelche Vereine der Wohnungsbesitzer beschreien jetzt den Untergang der Welt angesichts des Volksbegehrens in Berlin. Sie sollten sich schämen, dass sie für einen hardcore- Abzockeverein wie die Deutsche Wohnen überhaupt ihre Stimme erheben. Dieser Laden hat seine Mieter/Kunden behandelt wie lästige Fliegen und sich dafür auch noch fürstlich bezahlen lassen. Jetzt laufen ihre Manager mit Entschuldigungsfloskeln und Verbesserungsphrasen durch die Welt,  weil ihnen der Arsch auf Grundeis geht. Und zwar zu Recht. Denn es reicht jetzt wirklich. Unternehmen wie die Deutsche Wohnen sind Geschwüre der sozialen Marktwirtschaft und eine Schande für jeden ordentlichen Kapitalisten, der nicht durch Ausbeutung, sondern durch Leistung sein Geld verdient. Ich frage mich, warum es eigentlich sein muss, diesen Laden bei Enteignung auch noch zu bezahlen? Wir sollten auf jeden Fall Paragraph 15 im Grundgesetz verschärfen. Enteignung sollte bei groben Verstößen gegen das soziale Gemeinwesen und den Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ auch ohne Entschädigung möglich sein. Das ist alles viel zu soft formuliert da.

Und da wir gerade dabei sind – kommen wir noch zum Umweltschutz und dem selbstregulierenden Markt. Ha. Haha. Hahahaha.

Und zur deutschen Automobilindustrie, die ihre Milliardengewinne der letzten Jahre selbstlos in die Entwicklung alternativer Antriebstechniken investiert hat und deshalb weltweit führend – ja, worin eigentlich ist? Deren völlig verschnarchte oder gar kriminelle Chefs haben ihre Millionengehälter wahrlich verdient, das ist ja nur gerecht. Warum soll man da was ändern? Läuft ja auch so nicht.

Oder denken wir an die Engel in der Agrarindustrie und ihre unzähligen Umwelt- und Tierschutzinitiativen… Oder den Lebensmittelhandel, der Vorreiter im Kampf gegen die Fettleibigkeit sein will und deshalb rigoros schädliche Lebensmittel (Antagonismus?) radikal nicht kennzeichnen will. So wie die Hersteller von diesem Zucker-Fett-Dreck natürlich auch nicht.

Staatlicher Dirigismus bisheriger Machart ist sicher auch nicht die Antwort. Russlands soziale Schieflage ist in Europa unerreicht, Putin schmeißt seinen Müll ins Meer oder in besetzte Länder und China hat erst angefangen, über Umweltschutz nachzudenken, als die Nomenklatura in ihrer eigenen Hauptstadt erstickt ist.

Aber darüber nachzudenken, wie man es besser und anders machen kann, ist nicht nur Pflicht der Jugend. Im Gegenteil. An den Schalthebeln der Macht sitzen Babyboomer wie ich. Es ist unsere Pflicht, es anders zu machen und neues Denken nicht nur zuzulassen. Sondern vielleicht auch mal seine eigenen Reflexe zu überdenken oder – verwegen – gar mal selbst etwas Neues zu denken?! Ich war da vielleicht auch nicht immer der schnellste, aber das Alter macht radikal. Soviel Zeit bleibt ja nicht mehr, um die Welt zu retten. Have a nice day.

Frank Stauss (54) ist Unternehmer, Gründer, Immobilienbesitzer und Werber. Kampf dem nutzlosen Kapital!

Merkel erklärt die deutsche Automobilwirtschaft zum Problemfall – und wir reden über den Islam.

Während unsere Leitmedien die intellektuell wirklich sehr unterfordernde „Islam – Debatte“ zum Headliner der Regierungserklärung wählten (vermutlich, um sich möglichst viele Clicks der AfD-Trolle abzuholen), ließ Merkel einen Hammerschlag nach dem anderen auf die deutsche Wirtschaft nieder.

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen, dieses Zitat: „Fehler in einzelnen Branchen können sich sehr schnell zu systemischen Problemen entwickeln.“ Systemische Probleme kennen wir spätestens seit dem Zusammenbruch der Finanzmärkte und den Bankenrettungsbemühungen, um eben diesen Kollaps einzudämmen. Aber die Kanzlerin sagte diesen Satz nicht im Zusammenhang mit Banken und Finanzmärkten. Sie sprach ihn im Zusammenhang mit dem Dieselskandal: „Wie schnell das gehen kann, sehen wir beim Dieselthema“ Und sie machte noch eines deutlich: „Es ist nicht garantiert, dass wir in 5 oder 10 Jahren noch so erfolgreich sind wie heute.“ In fünf Jahren ist 2023. Das ist bald.

Merkel betonte auch, dass die Welt sich „epochal“ verändere. Und nannte Nokia als beeindruckendes Fail-Beispiel. Von 50% Marktanteil bei Mobiltelefonen auf 1% in zehn Jahren. Die Kanzlerin sprach über Künstliche Intelligenz, den technologischen Rückstand unserer Wirtschaft, die Anforderungen an die Politik, Datensouveränität gegen Datenausbeutung zu setzen und benannte, was so wenige Menschen wahrhaben wollen: „Was immer digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden.“

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Den Anschluss nicht zu verlieren, gegenüber den USA, Indien, China sieht sie nicht nur als wichtigste Aufgabe Europas, sondern eben auch als „Bewährungsprobe für die soziale Marktwirtschaft.“ Wie sozial ist digital?  – Das ist tatsächlich eine der größten Herausforderungen der Gegenwart. Schade nur, dass sie in der deutschen Debatte keine Rolle spielt.

Deutschlands größte Herausforderungen sind nicht die Rente, das Kindergeld und schon gar nicht die Religionsfreiheit. Deutschlands größte Herausforderungen heißen Diesel, Digitalisierung und Demographie. Und das erschütternde ist, dass wir nicht nur einen tattrigen Heimatschutzminister haben und die CDU sich von Merkel in dem Augenblick abwendet, in dem sie ihre beste Stunde hat. Das schlimmste ist, dass unsere Medien die wichtigsten Herausforderungen überhaupt nicht wahr genommen haben.

Ein Land, das sich so mit Nebensächlichkeiten beschäftigt wie Deutschland, wird die Zukunft nicht gewinnen können. Wir sollten daher jegliche Scheindebatten beenden und uns den wirklichen Herausforderungen der Gegenwart stellen. Folgt man Merkel, so heißen die drei größten Probleme Deutschlands Volkswagen, BMW und Mercedes. Denn „Fehler in einzelnen Branchen können sich sehr schnell zu systemischen Problemen entwickeln“ heißt nichts weniger, als dass der Zusammenbruch der deutschen Automobilindustrie den Zusammenbruch der Zulieferindustrie und damit den Zusammenbruch eines Großteils der deutschen Wirtschaft nach sich ziehen wird.

Natürlich hat Merkel in diesen klaren Worten auch ihr eigenes Scheitern, das der Autobosse, der Autolobby und vor allem das ihrer CSU-Verkehrsminister beschrieben. Denn alle haben so lange auf den Diesel gesetzt, bis er ihnen unterm Hintern explodiert ist. Aber dennoch: Sie hat für ihre Verhältnisse jetzt so klar und deutlich die Probleme benannt, wie selten zuvor. Es wollte nur keiner hinhören.

In diesem Sinne: lasst uns über Islam, Flüchtlinge und weitere drittrangige Themen sprechen, während die deutsche Bundeskanzlerin in einem beispiellosen Vorgang gerade in ihrer Regierungserklärung die deutsche Schlüsselindustrie zur gefährdeten Spezies erklärt hat.

Glück auf!