Die Flüchtlingsbewegung 2015 ist nicht der Trigger des heutigen AfD-Erfolges.

Die Stärke der AfD sei Merkels Entscheidung von 2015, die Grenzen nicht zu schließen, geschuldet, heißt es aktuell in vielen Artikeln und Kommentaren. Das ist falsch.

Ein Blick auf die Fakten: Die AfD scheiterte bei der Bundestagswahl 2013 mit 4,6% knapp an der 5%-Hürde. Sie kletterte aber in Folge zum Beispiel bereits im Oktober 2014 auf 8% in den Umfragen (alle Zahlen: Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF, Quelle: wahlrecht.de).

Mit dem Höhepunkt der Flüchtlingsentwicklung und der entsprechenden Debatte über „staatlichen Kontrollverlust“ (Horst Seehofer), die maßgeblich aus den Reihen der Union selbst befeuert wurde, kletterte die AfD bei der Bundestagswahl 2017 auf 12,6%. 

Und von da an ging es erst einmal bergab. Auf rund 9% im Schnitt des Jahres 2020, auf 10,3% bei der Bundestagswahl 2021. Zwischen den 8% in den Umfragen von 2014 vor der Entwicklung der Jahre 2015/2016 und den 10,3% der Wahl 2021 können wir also keinen wirklich signifikanten Anstieg feststellen. 

Der eigentliche Turning-Point kam im Sommer 2023, als die AfD erstmals die 20% in den Umfragen erreichte. Da war Frau Merkel aber schon längst nicht mehr im Amt und das Jahr 2015 lag 8 Jahre zurück.

Das bedeutet, dass Corona im Zusammenspiel mit den Flüchtlingen aus der Ukraine, der Inflation in Folge des Krieges, den Unsicherheiten in Wirtschaft und internationalen Beziehungen, sowie die massive Ausweitung von Social Media, TikTok und Fake News, wesentlich stärker zum Anstieg der AfD beitrugen. Natürlich auch zu Verantworten von der Orientierungslosigkeit der Ampel-Regierung bei gleichzeitigem Versagen der Unions-Opposition, diesen Missmut aufzufangen und auf sie als Alternative zu kanalisieren.

Ein Blick über den Tellerrand hinaus zeigt: Diese Entwicklung am rechten Rand fand und findet auch in Ländern statt, die deutlich weniger Migrationsbewegungen zu bewältigen hatten.

Die gemeinsamen Nenner der völkischen internationalen Rechten sind vielfältig: Leugnen des Klimawandels, Ablehnung der Geschlechtergerechtigkeit und Rückkehr zur alten Familienordnung, Ablehnung multilateraler Institutionen von EU zu UNO, WHO etc, Herabwürdigung sozial Schwacher, ein Fetisch in Bezug auf fossile Energieträger, völkisch-nationale Ideologien und damit auch Migrations- und Fremdenfeindlichkeit. In Bezug auf Fremdenfeindlichkeit ist Islamophobie nur eine Facette. In den USA werden die katholischen Latinos verfolgt und in der Brexit-Debatte in UK standen die Polen im Fokus.

Migration ist nur eine Zutat im Gebräu der rechten Populismussuppe. Aus meiner Sicht ist es nicht die entscheidende. Dass das Thema permanent von der AfD bespielt werden kann, hat viel mehr mit dem Verhalten der anderen Parteien und vieler Medien zu tun, als mit dieser selbst.

Die Legende von Merkel, den Flüchtlingen und dem Aufstieg der AfD, ist eine bequeme Legende der heute Verantwortlichen in Regierung und demokratischer Opposition – sowie von vielen Meinungsmachern in den Medien.