Die Stadt und die Macht.

Als ich an einem trüben Sonntagmorgen vor einigen Jahren im Abspann der großartigen US-Serie „The West Wing“ den Namen meiner ehemalige Chefin in der Clinton/Gore Kampagne, Nanda Chitre, entdeckte, wäre mir beinahe der dritte Gin-Tonic entglitten. Umso neugieriger war ich, als mich 2014 eine Anfrage des Produzententeams von „Die Stadt und die Macht“ (ARD, 12., 13. und 14. Januar, jeweils 20:15) erreichte: Ob ich mir vorstellen könne, Einblicke aus meiner Wahlkampferfahrung in die Entwicklung der Serie einzubringen.

Klar konnte und wollte ich das. Meine Beratungstätigkeit konzentrierte sich auf einen von mehreren Handlungssträngen, nämlich die Arbeit der Wahlkampfzentrale unter der Leitung von Georg Lassnitz, großartig gespielt von Martin Brambach, sowie auf das Zusammenspiel von Wahlkampfleiter und Spitzenkandidatin (nicht minder großartig: Anna Loos als Susanne Kröhmer). Meine Beratung bezog sich also auf die Kampagne und die damit verbundenen Dramen. Mit weiteren Drehbuchzutaten wie Liebe, Verwandtschaft, Sex, Korruption oder gar echter Politik etc. habe ich nichts zu tun. Von all dem verstehe ich nichts.

In „Die Stadt und die Macht“ kandidiert die recht unerfahrene Susanne Kröhmer – auch für sie selbst überraschend – für das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin. Eine Krise in ihrer Partei und zwei bis drei unbedachte Bemerkungen, katapultieren sie quasi von 0 auf 100 in 3 Sekunden in die Spitzenposition. Dort angekommen merkt sie rasch, dass sie ohne Hilfe nicht viel weiter kommt und holt sich zur Unterstützung eben jenen erfahrenen wie auch politisch geschmeidigen Wahlkampfleiter: Georg Lassnitz.

Natürlich hat man als Kampagnero so seine Bedenken, wie echt das am Ende in der Serie rüberkommt. Und jeder von uns kennt „Club-Dance-Szenen“ aus Tatorten, in denen Menschen wie Zombies zu Musik von Zombies tanzen und jeder Zuschauer weiß, dass niemand aus dieser Szene in den letzten 20 Jahren einen angesagten Club von innen gesehen hat. Aber das ist eine andere Geschichte.

Als ich am Set von „Die Stadt und die Macht“ die Wahlkampfzentrale von Susanne Kröhmer besuchte, die überquellenden Schreibtische betrachtete, das wuselige junge Team hektisch telefonierte und durch die Gänge rannte, wollte ich sofort damit beginnen, die Kampagne zu übernehmen. So echt und liebevoll war das alles eingerichtet. Leider war die Leitung des Telefons, in das ich erste Direktiven schrie, tot und  Susanne Kröhmer hatte auch schon Georg Lassnitz gebucht, dem ich das Feld überlassen musste. Er hat es gut gemacht. So viel sei verraten. Und es wird ihm in dieser Serie weiß Gott nicht leicht gemacht, eine stringente Kampagne auf die Spur zu bringen.

Im Laufe meiner nun gut 25 Jahre andauernden Wahlkampfkarriere habe ich schon sehr viele kleine und große Katastrophen erlebt. Von 9/11 und der damit verbundenen Terrorangst mitten im Berliner Wahlkampf 2001 bis hin zu abgetauchten und unauffindbaren Spitzenkandidaten, Totalaussetzern in TV-Debatten oder Beziehungsdramen kurz vor dem Schlusspurt. Mit der tickenden Uhr des Wahlkampfes im Rücken, erleben Lassnitz und Kröhmer so ziemlich alles auf einmal und noch sehr viel mehr. Da ist jede Menge Drama und Action im Spiel, aber es handelt sich ja auch nicht um einen Dokumentarfilm, sondern um Fiktion.

Wer schon einmal einen Blick in die Serie werfen will, dem sei die Homepage auf der ARD empfohlen. Dort finden sich einige Interviews mit den Hauptdarstellern und Regisseur Friedemann Fromm, der uns ja schon das wunderbare „Weissensee“ beschert hat. Sehenswert auch das Making-Of, in dem es ein nettes Doppelinterview mit Martin Brambach und mir zu sehen gibt (etwa ab 8:21).

Georg Lassnitz, alias Martin Brambach, so viel ist sicher, könnte aber morgen bei uns anfangen. Vielleicht in einem anderen Jacket? O.K. mein Hemd überdenke ich dann auch nochmal…

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Am DSUDM-Set mit Martin Brambach und Anna Loos
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Kampa-Set DSUDM 2015
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Kampa der SPD zur Bundestagswahl 2005

Fans von „Höllenritt Wahlkampf“ werden auch das eine oder andere Zitat und vielleicht auch die eine oder andere Szene in DSUDM wiederfinden. Mit dem eigentlichen Wahlkampf geht es in der zweiten Folge (12.1.; 21:00) los – und zwar mit einem ziemlich fulminanten Opener. Soviel sei schon mal angeteast.

Mein Dank gilt der Producerin Sibylle Stellbrink, die immer wieder erfolgreich Sinn in meine Anmerkungen brachte, sowie den Produzenten Michael Lehmann und Katrin Goetter für die Möglichkeit an diesem Projekt mitzuwirken. Das war spannend. Und jetzt zurück in die echten Dramen des Lebens…