Der Trend heißt Dreyer.

Um den desaströsen Auftritt von Julia Klöckner im TV-Duell gegen Malu Dreyer einordnen zu können, muss man nur die aktuellen Zahlen der Institute mit denen vor dem Duell vergleichen.

Wenn man sich eine gute Weile mit Wahlkämpfen und TV-Duellen beschäftigt, entwickelt man schon ein ganz gutes Gespür dafür, wie es am Ende gelaufen ist. Man kennt auch so ziemlich alle Methoden, um danach mögliche Sieger und Verlierer zu ermitteln. Sofern es welche gibt. Die meisten Duelle enden im Patt. Nicht so am vergangenen Dienstag, den 1.3. im Sendegebäude des SWR in Mainz. Als die Sendung zu Ende war, dachte und sagte ich: „Das sollte reichen, um stärkste Partei zu werden.“ Frau Klöckner war von der ersten Minute an fahrig und mangelhaft vorbereitet auf die naheliegendsten Fragen zu den Widersprüchen ihrer Flüchtlingspolitik. Von den ersten schlimmen fünf Minuten der Debatte hat sie sich nie wieder erholt und warf zum Ende hin nur noch zusammenhanglos mit Schlagwörtern aus ihrem Wahlkampfsetzkasten um sich. Mit diesen antrainierten Satzbausteinen kommt man in einer 5er Runde der üblichen TV-Talkshows vielleicht durch, aber nicht in einer einstündigen TV-Debatte. So etwas muss man wissen und ernst nehmen.

Und jetzt sehen wir die Auswirkungen der Niederlage von Frau Klöckner. Gerade kamen die frischen Zahlen der Institute. Am längsten, nämlich bis spät in den Donnerstag Abend hinein war die Forschungsgruppe Wahlen (FGW) im Auftrag des ZDF im Feld. Und je länger sie im Feld war, desto klarer ging die CDU nach unten und die SPD nach oben. Am Ende war der Vorsprung der CDU auf die SPD seit der letzten Erhebung der FGW von 7% auf 1% zusammengeschmolzen. Infratest Dimap war nicht ganz so lange im Feld, dort schmolz der Vorsprung der CDU von zuletzt 4% auf jetzt 2%.

Forschungsgruppe Wahlen: CDU: 35% (-3%), SPD: 34% (+ 3%). Abstand: von 7% auf 1%. Und der Trend setzt sich fort.

Das sind mitten im Wahlkampfendspurt tektonische Verschiebungen. Und sie können nur eine Ursache haben: Julia Klöckner hat das TV-Duell gegen Malu Dreyer nicht nur ein wenig verloren, sondern krachend. Der unmittelbar während der Sendung mit einer NICHT repräsentativen Untersuchung gemessene „kleine“ Sieg von Malu Dreyer, muss in Wirklichkeit ein sehr, sehr großer gewesen sein.

Einen solchen Swing zwischen den Erhebungen vor und nach dem Duell erlebte ich zuletzt im Bundestagswahlkampf 2005 zwischen Gerhard Schröder und Angela Merkel. Dort lagen uns repräsentative Untersuchungen von vier Instituten unmittelbar nach dem Duell vor. Der Sieg Schröders bewegte sich damals in Dimensionen von 16-33% Vorsprung auf Frau Merkel. Danach verlor die CDU in der nächsten Umfrage 2% und die SPD gewann 2% hinzu. Diese Entwicklung setzte sich dann so fort, dass der Vorsprung der Union in den verbleibenden Tagen von 13% auf 1% zusammenschmolz. Interessant war damals auch, dass in den Tagen danach der Sieg Schröders bei den Befragten noch höher ausfiel. Das bedeutet: am Arbeitsplatz und im Freundeskreis wurde im persönlichen Gespräch Schröder noch deutlicher favorisiert als am Sendetag selbst gemessen. So eine Entwicklung findet jetzt gerade auch in Rheinland-Pfalz statt.

In Rheinland-Pfalz haben wir keine repräsentative „Duell-Messung“ vorliegen, aber wir können eben anhand des vorliegenden Swings sehr klar feststellen: Die 400.000 Zuschauer des Duells haben offensichtlich nicht nur Malu Dreyer als klare Siegerin gesehen, sondern sie sprechen auch jetzt noch darüber am Arbeitsplatz und im Freundeskreis. Denn der Niedergang der CDU setzt sich wie erwähnt weiter fort, was darauf deutet, dass sich immer mehr Unentschiedene für Dreyer entscheiden. Und Infratest betont in der Bewertung der Direktwahlfrage (Dreyer 50%, Klöckner 30%), dass Dreyer besonders in den Tagen nach dem TV-Duell ihren Vorsprung weiter ausbauen konnte.

Vor allem aber passiert jetzt auch verstärkt, was ich bisher als unmöglich betrachtete: Es wechseln Wähler direkt von der CDU zur SPD. Demnach will jetzt selbst jeder 5. CDU-Wähler Malu Dreyer als Ministerpräsidentin.

Julia Klöckner entwickelt sich in den letzten Tagen des Wahlkampfes deutlich zum Klotz am Bein der CDU. Mit 30% in der Direktwahlfrage liegt sie jetzt 5% unter der CDU. Malu Dreyer hingegen liegt mit 50% deutliche 16% über der SPD und zieht diese jetzt auch (endlich) mit.

Bezüglich der Dynamik des Prozesses ist es nicht mehr unmöglich, dass die SPD nicht nur stärkste Partei wird, sondern dass Malu Dreyer sogar das letzte Wahlergebnis von Kurt Beck übertrifft. Doch einige Unsicherheitsfaktoren bestehen. Die Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer erwarten mit über 10% Vorsprung einen Wahlsieg Malu Dreyers. Das ist zwar nett, aber doch auch etwas verfrüht. Und wir sollten auch sehen, dass die Briefwähler bereits Stimmen abgeben konnten, als die CDU noch 7% vor der SPD lag.

Wie selten zuvor wird es also auf den Wahltag selbst ankommen, an dem die SPD vermutlich ein halbes Prozent vor der Union landen muss, um am Ende auch mit den Briefwählern vorne zu bleiben. Das ist wie gesagt gut möglich, erfordert aber eine Rundum-Mobilisierung.

Der beste Mobilisierungsfaktor zur Zeit ist die Erkenntnis von vielen Menschen in Rheinland-Pfalz, dass sie am 14. März aus Versehen mit einer Ministerpräsidentin Klöckner aufwachen können. Das scheint sie nachhaltig zu erschrecken. Denn der Zick-Zack-Kurs von Julia Klöckner in der Flüchtlingsfrage, vor allem aber, dass sie der Bundeskanzlerin immer offener in den Rücken fällt, ist bei den Leuten gar nicht gut angekommen. Die Glaubwürdigkeit von Frau Klöckner ist durch ihr eigenes Zutun mittlerweile so beschädigt, dass ich keinen Weg wüsste, wie sie diesen Imageschaden in den verbleibenden Tagen reparieren könnte.

Was wir in Rheinland-Pfalz gerade erleben, nennt sich Momentum und zwar mit hoher Dynamik und klarer Richtung zugunsten von Ministerpräsidentin Malu Dreyer und der SPD. Diese Entwicklung ist noch klarer zu erkennen, wenn man sie mit der Entwicklung der SPD in den anderen wahlkämpfenden Bundesländern vergleicht. Sie ist aber nicht atypisch für Rheinland-Pfalz, das bei der Bundestagswahl 2013 noch zu 43,3% CDU wählte, so wie die CDU auch die vergangenen Bundestagswahlen in Rheinland-Pfalz immer gewann. Nicht aber die letzten vier Landtagswahlen. Jetzt liegt die CDU von Frau Klöckner über 8% unter dem Wahlergebnis von Frau Merkel in Rheinland-Pfalz.

Der Wahlkampf der CDU in Rheinland-Pfalz, man muss es so sagen, ist eine Blaupause dafür, wie man eine Wahl auf den letzten Metern in den Sand setzt. Der Wahlkampf der CDU ist unkonzentriert, unentschieden, unglaubwürdig in der zentralen Politikfrage und hat zu allem Überfluss auch noch eine erratische Frontfrau an der Spitze.

Zuletzt erlebte ich eine solche Entwicklung in NRW 2010, als Jürgen Rüttgers seinen sicheren Vorsprung erst einbüßte und in den letzten acht Tagen völlig verlor. Die letzten Umfragen von ZDF und ARD sahen damals acht Tage vor der Wahl die Rüttgers-CDU mit 2% – 4% vorne. Die Ministerpräsidentin hieß dann Hannelore Kraft.