Das Problem für die SPD in Thüringen ist, dass sie das entscheidende halbe Prozent zu wenig verloren hat. Aber welchen Gaul reiten eigentlich die Grünen und was hat er vorher bekommen?
Diese ganze scheinheilige Debatte darüber, ob 25 Jahre nach dem Mauerfall die Linke einen Ministerpräsidenten stellen können sollen darf oder nicht ist absurd. Moralisch, ethisch, historisch macht es keinen Unterschied, ob die Linke unter der SPD regiert oder ob sie den MP stellt. Entweder ist beides falsch, oder nichts. Und da wir nun schon seit 1994 eine Tolerierung (Sachsen Anhalt) und seit 1998 ein Regieren der SPD mit der Linken bzw. PDS (Mecklenburg Vorpommern) auf Länderebene kennen, ist der Käse ja wohl gegessen, dieser Drops gelutscht usw.
Taktisch gesehen – und das ist ja eher mein Beruf – liegt das große Dilemma der Thüringer SPD vor allem darin, trotz beeindruckender und mit viel Liebe zum Detail eingefahrener Verluste, am Wahltag nicht genug verloren zu haben, um sauber aus dem Schneider zu sein. Nur wenn keine Regierungsmehrheit für Schwarz-Rot oder Rot-Rot-Grün zustande gekommen wäre, hätte die SPD entspannt die (kleine) Oppositionsrolle einnehmen dürfen, die ihr die Thüringer ganz deutlich zugeteilt haben. Dann hätte der Ball bei allen anderen im Feld gelegen und im schlimmsten Fall wäre es eben zu Neuwahlen gekommen. Da darf man das Volk aus meiner Sicht auch nicht aus der Verantwortung lassen.
Wenn das Volk instabilen Mist wählt, muss es eben so lange wählen, bis kein instabiler Mist mehr dabei rauskommt – das sind ja schließlich alles erwachsene Leute.
Wer die Thüringer SPD ein bisschen beobachtet erkennt, dass aus einer kleinen Menge Menschen mit dem gleichen Parteibuch nicht automatisch eine eingeschworene Gemeinschaft wird. Schlimme interne und seit nunmehr Jahrzehnten andauernde Feind- und Seilschaften haben die Partei an den Rand ihrer Existenz gebracht. Da mag die CDU im Land auch noch so arrogant und selbstverliebt regiert haben – Profit konnte die SPD weder in der Opposition noch in der Regierung daraus ziehen. Vor allem, weil sie sich selbst einfach nicht leiden kann. Und wie wir das aus jeder menschlichen Beziehung kennen, haben Personen mit solidem Selbsthass meist wenig Energie übrig, um andere zu lieben und für sich zu gewinnen.
Jetzt also strebt der übrig gebliebene Rumpf der Partei ein Dreierbündnis mit einer Stimme Mehrheit an, in dem die SPD den beliebten Mittelplatz bekommt. Das kann man natürlich machen. Man kann es aber auch sein lassen. Ein Dilemma bleibt es in jedem Fall. Denn auch Schwarz-Rot hätte nur eine Stimme Mehrheit gehabt und ist in der SPD natürlich mindestens ebenso umstritten. Mit viel gutem Willen kann man also noch verstehen, dass die innere Verfasstheit es der Thüringer SPD verbat, aus dem aktuellen Desaster heraus noch einmal in den Wahlkampf ziehen zu müssen. Vor allem auch aus Mangel an Kandidaten. Einer wurde schon vorher abgesägt, die Zweite verbrannt und der Dritte wartet mal wieder lieber ab – vielleicht länger als es die Partei noch gibt, für die er kandidieren könnte.
Nun braucht man für ein Dreierbündnis aber drei. Und jetzt komme ich beim besten Willen nicht darauf, warum Die Grünen da mitmachen. Die hätten nun wirklich den allerschlankesten Abgang hinlegen können. Ein Hinweis des ungefähren Inhaltes „Sorry, aber das riecht nach Harakiri“ und alle hätten sofort genickt. Denn es riecht ja auch nach Harakiri. Wenn man Harakiri überhaupt riechen kann, dann hier. Also was kann es sein? Nach gründlicher Abwägung aller mir vorliegenden Informationen komme ich auf absolut nichts, was diese Partei in diesem Bündnis zu suchen hat. Selten erlebe ich mich wirklich ratlos vor mir selbst. Jetzt ist es soweit. Wer das Gras findet, das die dort geraucht haben, nur der findet auch den Schlüssel zu dieser Frage. Ich suche weiter.