Wie der VDA die IAA zerstörte.
Ein Lehrstück der Fehlkommunikation.

Auf der IAA präsentierten Mercedes und BMW die besten Elektroautos der Welt. Und dann zerdepperte ihr eigener Lobbyverband alles.

Seit über zehn Jahren fahre ich rein elektrische Autos. Erst das Tesla Model S, dann das Model 3 und aktuell den Mercedes EQA. Ich mag Autos. Ihre Motoren sind mir allerdings egal. Nach gut zehn Jahren mit zwei unterschiedlichen Mercedes CLS, jagte mich die deutsche Automobilindustrie 2015 in die Fänge von Tesla, da sie damals und noch Jahre später kein vernünftiges E-Auto baute. Das hat sich jetzt geändert.

Heute bauen die deutschen Automobilhersteller wieder die besten Autos der Welt. Die billigsten haben sie nie gebaut – aber die neuen Modelle von VW sind nicht nur preislich konkurrenzfähig, sondern ebenfalls auf der Höhe der Zeit.

Die IAA 2025 in München wäre das Megaevent gewesen, um endlich einmal wieder unsere Automobilindustrie zu feiern. 

Nach Jahren des technologischen hinterhinkens, der Panik und des offenen Betruges der Kunden und der Öffentlichkeit, hatte die Industrie endlich die Chance, wieder richtig geile Technik zu präsentieren.

Das geschah mit dem üblichen Plingling in Teilen auch, aber: Bevor Feierlaune aufkommen konnte, kam der VDA mit Hildegard Müller an der Spitze und sang erneut das alte Jammerlied vom Untergang der Branche und der absoluten Notwendigkeit, die veralteten Dieselmotoren und Benziner unter staatlichen europäischen Artenschutz zu stellen.

Eine ganze Woche lang stimmte der VDA mit ein paar weiteren Lobbyisten erneut den Abgesang auf eine Branche an, die weiter darauf besteht, am Markt vorbei produzieren zu dürfen.

Das Statement, das auf der IAA nicht fiel, aber hätte fallen sollen:

„Wir, Oliver Zipse für BMW und Ola Källenius für Mercedes Benz, präsentieren Ihnen heute die besten Elektroautos der Welt. Der BMW iX3 und der Mercedes GLC sind heute in Qualität, Reichweite, Materialien und Performance absolut konkurrenzlos. Und wir versprechen Ihnen heute für die gesamte deutsche Automobilindustrie, dass auch in Zukunft die besten Automobile aus Deutschland kommen werden. So wie seit über 100 Jahren. Sie werden elektrisch sein, weil es die überlegene und beste Technologie ist – und damit unsere Zukunft.“

Statt dessen kam der neueste Lobby-Clou: Wir ersetzen den Hybrid-Antrieb durch Long-Range-Extender. Bedeutet: Ein Hybrid fährt ein wenig elektrisch und viel fossil, der Range-Extender fährt viel elektrisch und wenig fossil. Weshalb jemand bei 700-800 km Elektroreichweite der neuen Modelle (iX3, GLC) einen Range-Extender benötigen sollte, wird nicht ganz klar. Die Hybridtechnologie erlangte übrigens 1997 mit dem Toyota Prius Serienreife – ist also brandneu seit gut 30 Jahren.

Der einzige Vorteil für Automobilindustrie und Zulieferer: In jedem Fall müssen beide Technologien – Elektro und Verbrenner – in einem Auto verbaut werden. OBWOHL DIE VERBRENNERTECHNOLOGIE NIEMAND MEHR IN SEINEM FAHRZEUG BRAUCHT!

Das erinnert stark an die britische Eisenbahnergewerkschaft, die beim Umstieg von Kohle- auf Elektrolokomotiven durchsetzte, dass noch viele Jahre lang ein Heizer mitfahren und bezahlt werden musste – OBWOHL ES NICHTS MEHR ZU HEIZEN GAB!

Jetzt ist der VDA also endgültig auf dem Niveau der damaligen britischen Eisenbahnergewerkschaft angekommen: Bremsen, verhindern, verzocken, Zukunft blockieren.

Die IAA hätte die Wende mit Zuversicht einleiten können, verbreitete von deutscher Seite aber lieber Angst und Gestriges. Nur um in Brüssel und Berlin noch zwei drei Jahre Fossilverlängerung rauszuschlagen.

Einzig Audi-Chef Gernot Döllner wagte den Ausbruch mit den Worten: „Die Zukunft des Autos ist ganz klar elektrisch. Es ist einfach die bessere Technologie.“

Danke, das gemeinsam im Chor hätte schon genügt, um alle Zweifel zu zerstreuen. Und endlich mit 100% Elektropower in die Zukunft zu starten.

Mehr zum Thema auch in der aktuellen Folge des Podcast „Elefantenrunde“ von Frank Stauss und Hajo Schumacher.

Bringt endlich Elektroautos aufs Land!

Ein Bekannter von mir vertreibt Ferienimmobilien rund um die Mecklenburgische und Feldberger Seenlandschaft und fährt täglich weite Strecken mit seinem Hyundai Vollstromer. Auch ich fahre seit gut vier Jahren einen Vollstromer. Auf dem Land wäre der Umstieg allerdings für viele noch wesentlich leichter als in der Stadt. Dafür braucht es aber nicht nur neue Autos, sondern auch ein neues Marketing.

Eigentlich bin ich ein treuer deutscher Autokäufer. Mein erstes eigenes Auto war ein VW Käfer, es folgten Passat, Audi, Chrysler (ok, aber sie gehörten damals noch zu Daimler-Chrysler) und dann Mercedes. Nach dem zweiten CLS „Blue-Whatever-Diesel“ war mir das aber fad, und nachdem ich bei einem Bekannten in einem Elektroauto mitfahren durfte, wollte ich kein anderes mehr.

Vier Jahre später will ich immer noch kein anderes. Vielleicht irgendwann mal ein Wasserstoff-Fahrzeug. Aber ein Auto, das mit fossilen Brennstoffen fährt, ist für mich raus. Weil sich ein e-Auto einfach so geil fährt. Und leise ist. Und absolut nichts braucht – außer Strom. Mein Tesla hat eine einzige Öffnung, in die man etwas einfüllen kann: Wischwasser. Inspektion gibt es nicht, weil nicht nötig – wenn was sein sollte, hängt sich der Kundendienst per W-Lan rein, und bisher hat ein Neustart wie beim i-Phone (beide Knöpfe am Lenkrad gleichzeitig drücken und halten) ggf. verbunden mit einem Software-Update alles gelöst. Der TÜV-Mann meinte: „Was soll ich hier checken – hier ist ja nichts.“

Unterwegs laden war bisher nie ein Problem, da Tesla entlang des europäischen Autobahnnetzes etwa alle 150 km eigene Schnelladestationen errichtet hat – von Oslo bis Porto. Haben der Staat und Tank & Rast jahrelang nicht hinbekommen, etwas so irre kompliziertes wie Steckdosen zu bauen. Ist die Karre recht leer, dauert das Laden gute 25 Minuten. Die App informiert mich beim Kaffeetrinken oder den theoretisch möglichen Dehnübungen, wann genug geladen wurde, um das nächste Ziel zu erreichen.

Ich lebe in Berlin und habe mir für etwa 500 EUR eine Starkstromsteckdose an meinen Tiefgaragenplatz dübeln lassen. Wenn der Wagen fast leer sein sollte, lädt er in etwa 5 Stunden komplett auf. Abends nach der Arbeit dranhängen, morgens vollgestromt wieder losfahren. Zugegeben eine sehr privilegierte Variante für einen Stadtmenschen – denn wer hat schon einen TG-Stellplatz und dann noch eine Eigentümergemeinschaft, die einer Ladestation zustimmt?

Und jetzt sind wir bei dem Punkt, weshalb ich es problematisch finde, dass Mercedes und Audi ihre ersten elektrischen Fahrversuche mit SUVs absolvieren und BMW mit dem i3 nur ein sehr kleines Stadtauto am Start hat. Denn die Ladeinfrastruktur wird gerade in den Metropolen zu Engpässen führen müssen. Mal ganz abgesehen von der immer noch extrem umständlichen Systemanmeldung bei den unterschiedlichsten Anbietern – warum funktionieren die Dinger nicht einfach mit einer stinknormalen EC- oder Kreditkarte? – gibt es einfach zu wenige davon.

Die Vorstellung, an einem kalten Wintertag im Schneeregen im Kiez erst eine verfügbare Ladestation zu suchen, dann den Wagen dranzuhängen und nach der Ladezeit wieder umparken zu müssen weil sonst ein Strafzettel droht – das ist nicht so irre verlockend. So wird es aber zumindest in den Jahren des Übergangs sein.

Als Kind vom Lande frage ich mich daher, weshalb Elektroautos wie der kommende VW id, oder bereits erhältliche wie der Hyundai IONIQ nicht konsequenter als Zweitwagen für den ländlichen Raum vermarktet werden. Und konzipiert. Auf dem Land brauche ich keinen wendigen Stadtflitzer, sondern ein „vernünftiges“ Auto in Golfgröße mit Platz für vier und ein erlegtes Reh. Selbst wenn Vati dort nicht auf seine Dieselkutsche verzichten will – spätestens als Zweit- oder Drittwagen macht ein E-Auto sehr großen Sinn. Ich weiß, das sind Rollenklischees – aber ich weiß auch, dass sie noch stimmen. Zumindest dort, wo ich herkomme.

Das spricht für e-Autos auf dem Land:

Zunächst einmal die Infrastruktur. In ländlichen Gegenden leben wesentlich mehr Menschen in Einfamilienhäusern oder in Häusern mit 3-4 Wohnungen. Jedes dieser Häuser kann problemlos eine simple, handelsübliche Starkstromsteckdose anbringen.

Die täglich gefahrenen Strecken erreichen nicht annähernd die 300 – 500 km Reichweite, die bei neuen Elektroautos üblich sind. Und die klassischen Fahrten zur Arbeit, zum Einkaufen, in die nächste größere Stadt, zum Arzt oder zum Besuch bei Freunden sind locker mit dieser Reichweite zu erledigen, ohne dass jemand Schweißperlen auf der Stirn bekommt.

Viele dieser Regionen sind übrigens keineswegs „abgehängt“. Im Gegenteil. Überall in Deutschland gibt es sehr wohlhabende Landkreise, für deren Bewohner es auch heute schon kein Problem darstellt, neben dem obligatorischen SUV auch noch einen nagelneuen Golf mit allem Schnickschnack zu ordern.

Viele Jugendliche sehnen auf dem Land ihren Führerschein herbei, damit sie sich endlich unabhängig fortbewegen können. Einfamilienhäuser mit vier Bewohnern und vier Autos sind keine Seltenheit – ob man das nun gut findet oder nicht. Und junge Menschen sind innovationsfreudig und technologiebegeistert. Warum sollten sie noch lernen, wie man Motorenöl nachfüllt oder stinkenden Diesel mit Handschuhen tankt? Das ist überflüssiges Wissen im 21. Jahrhundert.

Die Voraussetzungen dafür, der Elektromobilität gerade auf dem Land zum Massendurchbruch zu verhelfen, sind also hervorragend. Das gilt natürlich auch für Sharing-Angebote, aber wie so oft gibt es die natürlich dort, wo viele Menschen auf engem Raum leben – also nicht im ländlichen Raum.

Vier Jahre nach dem Tesla (und sieben Jahre nach dessen Markteinführung), war ich wieder bereit, auf einen deutschen Hersteller umzusteigen. Mein bescheidener Beitrag zum Umweltschutz sollte dabei aus einem Downsizing bestehen, denn der Tesla ist mir eigentlich zu groß. Aber es gibt kein überzeugendes deutsches Angebot. In keiner Größe. Das ist schlimm. Es wird jetzt wohl wieder ein Tesla, diesmal das kleinere „Model 3“. Gäbe es von Mercedes die A-Klasse oder ähnliches in elektrisch, wäre meine Kohle im Land geblieben. So geht sie nach Palo Alto. Dann vielleicht in 3-4 Jahren wieder, meine lieben Schlafmützen in Stuttgart, München, Ingolstadt, Wolfsburg… Waren schon mal weiter vorne, Autos Made in Germany.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf richelstauss.de