Kommst Du nach Deutschland, mein Freund.

Angesichts der hassverzerrten Fratzen von Dresden ist es doch mal wieder Zeit, an die schöneren Seiten des Lebens zu Erinnern. Was zum Beispiel macht man, wenn man als junger, heterosexueller syrischer Flüchtling aus einer Turnhalle in einen schwulen Haushalt wechselt? Man lernt dazu. Und sucht sich ein Hobby.

Vor Kurzem saß ich mit lieben Freunden, die ich viel zu selten sehe, im Biergarten. Das Gespräch plätscherte so dahin, bis sie irgendwann beiläufig erwähnten, dass sie ja vor einigen Monaten einen Syrer aufgenommen hätten. So wie andere davon berichten, dass man sich jetzt doch für eine neue Küche an Stelle eines neuen Autos entschieden habe. Man sollte noch erwähnen, dass meine Freunde vor vielen Jahren das allererste schwule Paar war, das sich in meinem erweiterten Bekanntenkreis verheiratet hat. Und dann auch noch mit allem drum und dran inklusive des sprichwörtlichen Ganges vor den Altar in einer hübschen kleinen Kirche im Prenzlberg. Warum man das erwähnen sollte? Nun, weil doch gerade in diesen Tagen die rechten Hetzer auf die Idee gekommen sind, (deutsche) Schwule vor den bösen Fremden in Schutz nehmen zu müssen, die ja angeblich alle homophob seien. Im Gegensatz zu den Nazis, natürlich. Die waren ja schon beim Gay Pride immer ganz vorne mit dabei… Zurück zum Thema.

Nun also ein Syrer. Am nächsten Tag erzählte ich im Büro die Geschichte und ein Kollege meinte, dass seine Eltern auch einen Syrer hätten. Eine Kollegin berichtete auch noch von ihrer WG, die ebenfalls einen habe. Zuhause stellte ich sofort meinen Gatten zur Rede und beklagte mich lautstark: „Das darf doch nicht wahr sein! Die Grimms haben einen Syrer, die Schwarzens haben einen Syrer und wir haben nur ein beschissenes Elektroauto! Wir haben völlig den gesellschaftlichen Anschluss verpasst!“

Darauf sprachen wir noch einmal mit meinen Freunden und erfuhren die ganze Geschichte. Beide hatten sich schon früh in der Flüchtlingshilfe engagiert und einer von beiden gab einer Gruppe von Flüchtlingen – natürlich kostenlos – zu Hause Sprachunterricht.

Nach dem Unterricht saß man immer noch ein bisschen zusammen und rasch wurde klar, dass die Flüchtlinge sehr, sehr ungerne zurück in ihre Notunterkunft gehen wollten. Wer konnte ihnen das verdenken. Eines Abends dann, man hatte die Sprachschüler gerade verabschiedet, kam bei meinen Freunden der Gedanke auf: „Was ist denn mit unseren Arbeitszimmern?“ Die beiden wohnen in einer schönen 4-Zimmer Wohnung, wobei zwei kleine Zimmer den beiden als Arbeitszimmer dienen, wenn man vom Büro mal wieder Arbeit mit ins Wochenende genommen hat. Aber reicht nicht auch eins?

Aber einen fremden Menschen dauerhaft in der eigenen Wohnung? 7 Tage die Woche? 24 Stunden? Auf unbestimmte Zeit? Das ist schon ein gewaltiger Einschnitt. Und dann noch die Ungewissheit, wie denn nun das Thema Homosexualität aufgenommen wird.

Sie setzten sich über die Bedenken hinweg und einer der Schüler, ein damals 22-jähriger junger Mann zog bei ihnen ein.

Alles Weitere könnte vermutlich ein Buch füllen. Oder mehrere. Man kommt aber sehr gut miteinander aus, respektiert gegenseitig die Privatsphäre und der junge Mann engagiert sich jetzt selbst für andere und hat sich bei der Freiwilligen Feuerwehr angemeldet.

Vor einiger Zeit hatte er die Aufgabe, im Deutsch-Unterricht einen Brief an einen Freund in der alten Heimat zu verfassen.

Heraus kam folgender Text (zum Vergrößern klicken)

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Bevor du nach Deutschland kommst, musst du ein paar Sachen wissen.

1.Sei immer pünktlich. Die Deutschen sind pünktlich und immer diszipliniert. Du musst dich dazu integrieren.

2. Am meisten in Berlin, und auch in den anderen Städten, sind die Leute sehr offen. Also, was ich meine ist: Hier gibt es viele verschiedene Leute, die aus der ganzen Welt kommen und auch gibt es zwei Männer oder zwei Frauen, die verheiratet sind und das ist total normal. Hier gibt es Freiheit und ein wunderbares Leben. Denk darüber nach, ob du das wirklich machen willst.

3. Nachdem du in Deutschland bist, sollst du Deutsch lernen und glaub mir, das ist gar nicht einfach.

Viel Glück mein Freund.

Na dann. Viel Glück, meine Freunde.

Und einen herzlichen Dank an euch und alle, die so viel tun, während andere noch nicht einmal ihren Hintern hochbekommen, um bei einer Wahl geschlossen gegen rechte Populisten zu stimmen. Wenigstens das sollte ja drin sein.