Demokratiegaffer auf der Gegenspur.

In Sachsen hat er wieder zugeschlagen: Der Nichtwähler. Aus aktuellem Anlass daher hier das Schlusskapitel aus meinem Buch „Höllenritt Wahlkampf“ (dtv, 2013). Kostenlos, denn das hat sie sich redlich verdient, die Mehrheit der Sachsen.

Eine der peinlichsten Floskeln von politischen Berichterstattern, Kommentatoren und leider auch von Politikern selbst lautet bei geringer Wahlbeteiligung, dass „Wählerbeschimpfungen jetzt nicht weiter helfen.“ Diese Meinung teile ich ausdrücklich nicht. Im Gegenteil. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine geharnischte Wählerbeschimpfung zur rechten Zeit dringend geboten ist und eine ordentliche Tracht verbaler Prügel keinem der Zeitgenossen schaden kann, die am Wahltag ihren Hintern nicht ins Wahllokal bewegt bekommen. Wie leicht muss es eine Demokratie ihren Bürgern eigentlich noch machen, wenigstens alle vier bis fünf Jahre ihr demokratisches Recht zur Stimmabgabe wahrzunehmen?

Man hört dann oft, die Parteien hätten es versäumt, die Wähler zu erreichen oder ihnen ein so attraktives Angebot zu unterbreiten, dass sie es für nötig empfunden hätten, zur Urne zu gehen. Ja, also bitte, geht’s noch? Sind wir hier auf dem Basar? Und seit wann ist es die Aufgabe der Parteien, zu 100 Prozent passende Angebote zu unterbreiten? Ist es nicht die Aufgabe der Wähler, sich für das beste Angebot zu entscheiden, das es gibt? Wenn mein Rasierer kaputt ist, gehe ich los und kauf mir einen neuen. Wenn zehn im Regal stehen, ist der eine vielleicht zu hässlich, der andere nicht vertrauenswürdig, der dritte zu teuer. Aber einer von den zehn wird schon irgendwie passen und den nehme ich dann und geh nicht mit leeren Händen nach Hause. Denn rasieren muss ich mich ja. Aber wählen muss ich scheinbar nicht. Demokratie scheint vielen weniger wert zu sein, als eine ordentliche Rasur. Wenn Ihnen diese Analogie nicht passt, suchen Sie sich eine neue mit Kaffeemaschinen oder Spülmaschinen, aber das Prinzip wird wohl klar.

In Deutschland gibt es gefühlt 725 Parteien, davon etwa zehn mit Chancen, sechs bis sieben mit guten Chancen. Wenn sich ein Wähler zwischen CDU, CSU, SPD, FDP, Linkspartei, Grünen, Piraten und von mir aus auch noch ÖDP, Freien Wählern und regionalen Unikaten nicht entscheiden kann – ja wessen Schuld ist es denn dann? Kommunisten, Christen, Web-Nerds, Sozen, Grüne, Liberale, Konservative, Progressive – alle stehen im Regal und man findet nichts Passendes? In diesem Fall sollte man doch besser einen Psychoanalytiker aufsuchen, denn Nichtwählen ist dann vermutlich nicht das einzige Problem, das man mit sich herumträgt.

Demokratie ist kein Selbstverwirklichungstrip, bei dem ich jemanden wählen soll, der zu 100 Prozent meine Meinung vertritt. Demokratie bedeutet, dass sich Menschen hinter einer gemeinsamen Idee versammeln, für diese Idee Mitstreiter suchen, dann eine Partei daraus machen und sich zu Wahl stellen. Und als inaktiver Bürger habe ich dann nur noch die Aufgabe, von diesen Parteien diejenige auszusuchen, die meinen Wünschen zu 50 Prozent und vielleicht ein bisschen mehr entspricht. Die wähle ich dann und gehe wieder nach Hause. Was ist daran nicht zu verstehen? Findet sich nun überhaupt gar keine Partei, dann habe ich immer noch die Möglichkeit, selbst eine zu gründen und zu schauen, ob die außer mir noch jemand gut findet. Oder ich gehe in eine der zahlreich vorhandenen Parteien und versuche mich dort einzubringen. Nicht zu wählen, gar nichts zu tun und sich am Ende darüber auch noch beschweren – das geht allerdings überhaupt nicht. So kann keine Demokratie und so kann auch kein Gemeinwesen funktionieren. Schlimmer noch aber ist die Unterstützung dieser Einstellung aus der veröffentlichten Meinung und der Berichterstattung.

Mein Vorschlag zur Erhöhung der Wahlbeteiligung basiert auf einem alten Trick, der irgendwann in den 70er Jahren bei den Verkehrsdurchsagen eingeführt wurde. Bei einem Unfall auf der Autobahn bilden sich häufig Staus auf der gegenüberliegenden Seite durch vor Neugierde platzende Menschen. Irgendwann ging man dann im sonst so nüchternen Verkehrsfunk dazu über, dies auch deutlich zu ächten: „Auf der Gegenseite kommt es zu Staus durch Gaffer.“ Großartig. Wer will schon ein Gaffer sein? Ob es genützt hat, weiß ich nicht, aber jeder wusste woran er war. Niemand kam auf die Idee, die Gaffer zu entschuldigen oder gar die Verkehrswacht oder irgendjemanden sonst für das Gaffertum verantwortlich zu machen. Schuld waren die Gaffer – und damit war die Schuld auch da, wo sie hingehört. Man stelle sich vor die Durchsage hätte gelautet: „Auf der gegenüberliegenden Seite kommt es zu nachvollziehbaren Behinderungen durch Mitbürger, die von ihrem Recht Gebrauch machen, sich selbst ein Urteil über die Lage zu bilden und nicht blind den Einsatzkräften des Roten Kreuzes zu vertrauen.“ Die Presse hätte dann die Einsatzkräfte interviewt mit der Frage, ob sie denn ihre Rettungseinsätze nicht transparenter gestalten könnten, damit nicht immer mehr Fahrer auf der gegenüberliegenden Seite zur Eigeninitiative gezwungen würden und so weiter und so fort.

Warum also nicht auf Nichtwähler, die nichts anderes sind als Demokratie-Gaffer die gleiche Taktik anwenden. Benennen wir die Wahlverweigerer so, wie sie es verdient haben. In der Tagesschau heißt es dann: „Die Wahlbeteiligung sank auf 68,8 Prozent, was Experten auf faule Säcke, wandelnde Hirntote, verwöhnte Bälger und Volldeppen zurückführen“.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Aktuelle Empfehlung: Einen tollen Blick hinter die Kulissen des wirklich sehr schönen Wahlkampfes der SPD Sachsen (den wir bei BUTTER. nicht gemacht haben) bietet Mathias Richel auf seinem Blog. Mathias hat mit uns gemeinsam in vielen Wahlkämpfen gekämpft – unter anderem auch sehr erfolgreich für Hannelore Kraft. In Sachsen war er gemeinsam mit Felix Nowack unterwegs – was man auch sieht, denn Felix hat die wunderbare Wowereit Kampagne 2011 bei uns verantwortet und auch in Sachsen einen ganz eigenen visuellen Stil für Martin Dulig geschaffen. Glückwunsch zu einer gelungenen Kampagne, die durchaus noch 3 Prozent mehr verdient gehabt hätte. Oder auch 5 oder 10…

Der Vereiniger.

Als Klaus Wowereit 2001 den Coup wagte und den „ewigen“ Regierenden Eberhard Diepgen vom Thron stieß, war Berlin immer noch eine mental geteilte Stadt. Ähnlich wie auf Bundesebene mit Helmut Kohl, suchten auch die Berlinerinnen und Berliner beider Stadteile nach dem großen Umbruch 1989 Sicherheit im Bestehenden. Und der Status Quo hieß Diepgen – verlässlich, konservativ, bieder und völlig frei von jeder Vision. Das sollte sich dramatisch ändern.

Mit dem Fall der Mauer trafen nicht nur Ost und West in einer Stadt aufeinander, sondern auch innerhalb dieser beiden Teile sehr unterschiedliche Klientel. West-Berlin hatte sich in den vierzig Jahren der Teilung zu einem eigentümlichen Biotop entwickelt. Die großen Firmenzentralen wie etwa Siemens waren aus der nicht unbegründeten Sorge vor einer Abtretung der Stadt an die Sowjets längst abgewandert. Produktionsstätten wurden aufgrund der logistisch unbefriedigenden Lage geschlossen, viele Industriearbeitsplätze abgebaut. Mit dem Bau der Mauer 1961 wurden allerdings auch zehntausenden Arbeitern aus dem Osten der Zugang zu ihrem Arbeitsplatz im Westteil verwehrt. Um die Maschinen am Laufen zu halten, schloss noch im selben Jahr die Regierung Adenauer ein „Gastarbeiterabkommen“ mit der Türkei. Zehntausende Türken strömten darauf in die belagerte Stadt und fanden in den nun ungeliebten Mauerrandgebieten Kreuzberg und Wedding günstigen Wohnraum.

Durch den besonderen Status West-Berlins waren junge Männer von der 1956 eingeführten Wehrpflicht in Westdeutschland befreit, was die Stadt besonders ab Mitte der 60er Jahre für ein alternatives Publikum sehr attraktiv machte. Es bildeten sich also bereits damals zahlreiche Biotope, die bis in die heutige Zeit die Wählerschaft prägen. West-Berlin war zudem nicht besonders attraktiv für alle, die in Wirtschaft, Politik, Medien oder überhaupt Karriere machen wollten. Die föderale Struktur Westdeutschlands sorgte dafür, dass die Politik in Bonn gemacht wurde, Industriekonzerne sich Schwerpunkte im Ruhrgebiet und später in Süddeutschland suchten, Banken und Finanzdienstleister sich in Frankfurt rund um die Bundesbank konzentrierten und die Medien in München, aber vor allem in Hamburg ihre Heimat fanden. Kurzum: Wer Karriere machen wollte, musste raus aus West-Berlin, wer eine Alternative zum etablierten Leben suchte, musste rein. Wer nichts davon wollte, lebte nicht schlecht von Berlin-Zulagen und weiteren Annehmlichkeiten, die die Bonner Republik aus schlechtem Gewissen auf ihre Insel im Osten schickte.

Ganz anders der Ostteil. Wer in der DDR Karriere machen wollte, musste nach Ost-Berlin. Die klassisch zentralistische Struktur konzentrierte alles in der Hauptstadt und beim Fall der Mauer lebte nahezu die gesamte Nomenklatura der untergehenden Republik hier. Natürlich wohnten auch viele Oppositionelle und einfache Arbeitnehmer hier. Aber die Elite der DDR und ihre hunderttausende kleinen und großen Helfershelfer fand man nirgendwo sonst so geballt vor wie in der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik.

War das erste Jahrzehnt nach dem Fall der Mauer noch von einem großen Verharrungswillen auf allen Seiten geprägt, passend repräsentiert durch die Person des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen, so zeichnete sich in den Jahren der Ära Wowereit ein weiterer Umbruch der Berliner Sozialstruktur ab. Berlin ist eine Stadt im Wandel. Seit der Wende haben 1,6 Millionen Menschen Berlin verlassen – aber über 1,6 Millionen sind dort hin gezogen. Das entspricht in etwa einem kompletten Bevölkerungsaustausch in Hamburg und betrifft 40 Prozent der Einwohner Berlins.

Mit der Jahrtausendwende und personifiziert durch Klaus Wowereit, begann mit zehnjähriger Verspätung eine Sogwirkung einzusetzen, wie man sie eigentlich schon unmittelbar nach dem Mauerfall erwartet hatte. Die boomende Kreativwirtschaft aus Mode, Film, Kunst, Werbung, Neuen Medien und Verlagen fühlte sich ganz besonders von dem neuen Bürgermeister angesprochen, der auch erfolgreich um diese Klientel warb – oft gegen Widerstand und Häme. Der offen schwule, fröhliche Wowereit stand für ein anderes Deutschland und war der ideale Repräsentant einer spannenden Stadt voller Gegensätze. Aber auch die gut bezahlten Ministerialbeamten der Hauptstadt, die Gesundheitswirtschaft, Umwelttechnologiefirmen und sogar neue Industrie sorgen für einen aufstrebenden finanziellen Mittelstand. Wer heute in Deutschland Karriere machen will, kann wieder nach Berlin kommen und tut es auch. Entsprechend boomt inzwischen mit Verzögerung auch der Immobilienmarkt, ehemalige Randbezirke wie Kreuzberg oder Prenzlauerberg gehören zu den teuersten Pflastern der Stadt. Das bringt neue Probleme mit sich, aber unter dem Strich wesentlich angenehmere als zuvor. Der Stadt in ihrer Gesamtheit geht es jedenfalls so gut wie noch nie in ihrer langen, aber auch von viel Armut geprägten Geschichte.

Berlin hat nun – ähnlich wie einst der berühmte Schmelztiegel New York – seine unterschiedlichen Biotope miteinander vermischt, was vermutlich auch zur weltweit gestiegenen Attraktivität beigetragen hat. In Kreuzberg finden sich nach wie vor die Hochburgen der Alternativen, wenn auch mit besserem Wein als früher, aber auch die türkischstämmige Bevölkerungsgruppe ist dort nach wie vor sehr stark vertreten. In der Mitte wohnen immer weniger ehemalige Ostberliner, dafür der Mittelstand aus ganz Europa. Im alten Westen sitzen die alten Westler und lassen es sich mürrisch gut gehen. Die ehemalige DDR-Nomenklatura hadert wiederum mit ihrem Schicksal auf bequemem Rentenniveau und wählt bis zu ihrem nicht mehr allzu fernen Tode die Nachfolgepartei der SED, egal wie diese gerade heißt – aber in jedem Fall mit Gregor Gysi. Die Stadt ist vielleicht nicht mehr ganz so sexy wie vor zehn Jahren – aber vor allem nicht mehr so arm. Und mal ehrlich – sie ist immer noch verdammt sexy im Vergleich zum Rest.

Drei Mal durfte ich Klaus Wowereit im Wahlkampf begleiten. Erstmals 2001 unter dem Motto „Berlin bewegen“, 2006 mit „Konsequent Berlin“ und zuletzt 2011 mit „Berlin verstehen“, als er unter schwierigsten Bedingungen doch noch den klaren Sieg errang. Und genau das macht ihn auch aus. Er versteht seine Stadt – und zwar die ganze Stadt und nicht nur Teile davon. Egal wo er auftaucht – ob in Marzahn, Lichtenberg, Wilmersdorf oder Köpenick – er ist nirgendwo ein Fremdkörper und überall sofort von einer freundlichen Menschenmeer umringt.

Es ist wahnsinnig viel passiert seit 2001 mit und in Berlin und auch in unseren gemeinsamen Wahlkämpfen. Der neue „Regierende“ war erst wenige Wochen im Amt, als mitten im Wahlkampf die Anschläge auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in  Washington, D.C. statt fanden. Niemand wusste damals, ob nicht in wenigen Stunden auch London, Paris oder eben Berlin zum Ziel der Terroristen würden. Wowereit hat diese große Anspannung gemeistert und sofort den richtigen Ton getroffen.

Heute, 13 Jahre später, ist Berlin eine boomende Metropole. Sie hat vielleicht noch keinen neuen Flughafen, dafür noch zwei offene und in Tempelhof einen zum Spielen für die Kinder. Das wird das Erbe des Klaus Wowereit nicht beeinflussen. Er war und ist einer der großen Berliner Regierenden Bürgermeister und seine größte Leistung ist, dass er diese Stadt vereint und aus eigener Kraft zu neuer Blüte geführt hat. Da kannste nicht meckern.

Bildschirmfoto 2014-08-26 um 14.58.09 Berlin bewegen, 2001

berlin2011_motiv4 Berlin verstehen, 2011

 

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Auf den Foren zur Ukraine Krise wird nicht die Wahrheit geopfert, sondern die Dummheit gefeiert.
Es ist ein Krieg der Irren.

Anonyme Kommentatoren auf Nachrichtenseiten haben weder Eier noch Hirn. Wer noch einen letzten Anlass brauchte, um mir zu glauben, dem empfehle ich einen Blick in die offenen Foren zur Berichterstattung um den Abschuss einer Passagiermaschine über der Ukraine. Was dort steht ist nicht nur ekelhaft, sondern schlicht und ergreifend von so schmerzhafter Dummheit, dass man sofort ein Aspirin braucht. Und zwar pro Kommentar.

Wer schützt uns vor diesen feigen Denunzianten, den hinterhältigen Lügnern, den Memmen und den hirnzellenfreien Oberklugscheißern, die mit großer Wahrscheinlichkeit im echten Leben völlige Versager sind?

Leserbriefschreiber waren einmal Menschen, die etwas lasen, das ihnen nicht gefiel (ich schildere das nur kurz für die Generation, die ein Telefon mit Wählscheibe für ein altes Bügeleisen mit Timer hält.) Dann setzten sie sich an den Schreibtisch und schrieben einen Brief. In der Redaktion beschäftigte sich ein Redakteur mit dem Leserbrief, prüfte die Adresse, korrigierte hier und da die Kommata und gab das Briefchen in den Satz. Anonyme Leserbriefe – so war das immer auf der Leserbriefseite zu lesen, konnten leider nicht veröffentlicht werden. Denn man wollte ja so kurz nach der Nazizeit dem Denunziantentum nicht erneut eine Plattform bieten. Es gab aber die Möglichkeit die Redaktion zu bitten, mit dem Zusatz „Name ist der Redaktion bekannt“ auf eine Namensnennung zu verzichten. Der Leser erkannte: Hier ist ein echter Mensch, der hat sich der Redaktion geöffnet und jetzt fällt er unter das Pressegeheimnis.

Leserbriefschreiber, so viel ist klar, trugen in den allerseltensten Fällen etwas Sinnvolles zum öffentlichen Diskurs bei. Meist handelte es sich um nörgeliges Geblöke oder selbstgefällige Wortmasturbation. Aber – und das muss man ihnen lassen – sie hatten immerhin die Eier oder was auch immer, zu dem abgelassenen Sermon mit ihrem Namen zu stehen. Das war einmal selbstverständlich. Aber es war ja auch einmal selbstverständlich, nur einen Papst zu haben.

Auf den Foren zur Ukraine Krise erleben wir aber eine ganz andere Qualität. Hier wird nicht die Wahrheit geopfert, sondern die Dummheit gefeiert. Leider auf Kosten der tatsächlichen Opfer und ihrer Angehörigen, die von keiner funktionierenden redaktionellen Betreuung vor den aberwitzigsten Verschwörungstheorien geschützt werden. Ich erwarte mehr Datenschutz von der Bundesregierung. Und zwar Schutz vor Daten aus Leserforen. Schutz vor anonymen Denunzianten. Auch das gehört zu einem Rechtsstaat. Herzlichen Dank.

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Seehofer vs. Conchita Wurst: 0:1

Das schlechteste Abschneiden der CSU in der Geschichte der Wahlen zum Europäischen Parlament hat sicher viele Ursachen, aber nur einen Verantwortlichen: Horst Seehofer. Denn wer eine Partei wie ein Sonnenkönig regiert, der hat auch den Platzregen und Hagel zu 100% verdient. Seehofers dramatisch einfältige und unwirksame Strategie gegen die AfD, und seine katastrophale Auswahl des CSU-Dauerverlierers Gauweiler als „Rechter Rambo gegen Rechts“ ist sein persönliches und alleiniges Verschulden. Die Schizophreniestrategie, braune Brut mit brauner Soße zu bekämpfen hat noch nie funktioniert. Weder in Bayern noch andernorts.

Wie man als konservative Partei klare Kante pro Europa zeigt, bewies bei dieser Wahl zum Beispiel die Österreichische Volkspartei, die mit einem klaren Europabefürworter an der Spitze in den Wahlkampf zog. Während viele Kommentatoren ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit FPÖ und SPÖ prognostizierten – und nicht wenige die ÖVP auf Platz 3 verorteten – wurde die Regierungspartei mit Abstand stärkste Partei im Land. Über 3% vor der SPÖ und fast 7% vor der FPÖ. Diesem Erfolg der ÖVP, ihres Spitzenkandidaten Othmar Karas und des ebenso klar proeuropäisch verorteten Parteiobmanns Michael Spindelegger, lag die überzeugende Strategie zugrunde, die Europafeinde nicht durch Übernahme ihrer Themen zu belohnen, sondern mit guten Argumenten dagegegen zu halten. Als traditionell wirtschaftsfreundliche Partei lag hier gerade die Kommunikation der ökonomischen Vorteile Österreichs in der EU auf der Hand.

Diese Vorteile einer EU sind für eine Wirtschaftsmacht wie Bayern natürlich ebenso zwingend und es wäre leicht gewesen, diese zu vermitteln. Statt dessen folgten Parolen die so dumpf waren, dass man sie besser nicht aus der Gruft, in der sie jetzt hoffentlich verschwunden sind, wiederholt.

Das Europawahlergebnis der CSU ist nur ein weiterer Faktor im personellen und thematischen Missmanagement des CSU-Vorsitzenden. Wenn wir uns an die peinliche Serie der CSU auf dem Berliner Parkett erinnern wollen – mit den vergangenen „Stars“ Guttenberg, Friedrich etc. und dem gegenwärtigen CSU Schattenkabinettsmitgliedern, dann zeigt dies, dass etwas sehr im Argen liegt in dieser Partei. Die Wankelmütigkeit des einzigen Mannes an der Spitze – erst kürzlich wieder bei dem Thema der Stromtrassenlegung demonstriert – macht eine stolze, starke Partei zu einem wabernden, weichlichen Haufen von Opportunisten.

Und da wir gerade bei Haltung, Europa, und Österreich sind – Es ist doch am Ende seltsam, in so kurzen Zeitabläufen zu beobachten, wie ein junger Mann vom Dorf als junge Frau mit Bart alle Widerstände überwindet, durchhält und am Ende mehr Mut, Stolz, Ehre und Würde im kleinen Finger besitzt, als ein Ministerpräsident im ganzen Rückrat.

Ach, und dass ich einmal etwas Gutes über Franz Josef Strauss zu berichten hätte, wäre mir als junger Mensch auch nicht in den Sinn gekommen. Aber hier ein Plakat aus dem Europawahlkampf der CSU 1984. (Quelle: fjs.de)

FJS

Ergebnis der CSU bundesweit: 1984: 8,5% und 2014: 5,3 %. Wohl bekomms!