So viel Arbeit – Meine Top-5-Liste

Die SPD regiert. Und hat damit die Chance, die Zukunft zu gestalten. Hier wären ein paar Aufgaben, die vermutlich mehr Menschen berühren als vieles, was die Headlines bestimmt.

Meine Top-Five Liste (von ungefähr 287).

5. Vorsorgen – aber wie?

Wir erwarten von den Menschen, dass sie immer eigenständiger vorsorgen – für das Alter, aber auch für die Gesundheit, etwa durch den Abschluss einer privaten Zusatzversicherung. Das macht ja alles auch Sinn – aber wenn Lebensversicherungen und andere risikofreie Anlagen angesichts mangelnder Zinsen nicht mehr liefern, was tun wir dann? Fördern wir zum Beispiel den Erwerb von Ersteigentum? Helfen wir dadurch den Menschen auch, steigenden Mieten zu entkommen und gleichzeitig Sicherheit zu schaffen? Das ist nur eine Idee. Die Aufgabe lautet: Wie geben wir den Menschen mehr Sicherheit beim Aufbau eigener Rücklagen?

4. Hilfe, ich werde 85

Demographischer Wandel bliblablub kommt allen aus den Ohren raus. Aber jetzt mal ohne ewige Schwarzmalerei: Wir werden alle älter, aber wir werden nicht alle Alzheimer bekommen, bettlägerig sein und zum Pflegefall werden. Im Gegenteil. Viele von uns bleiben quietschfidel. Dann haben wir aber ein anderes Problem: Was zum Teufel soll man mit zwei Jahrzehnten ohne Arbeit anfangen? Damit, absolut nichts zu tun zu haben? Das hält man vielleicht fünf Jahre aus. Aber selbst die, die sich eine Kreuzfahrt leisten können, haben spätestens nach der vierten die Schnauze voll davon. Also was heißt das jetzt? Unterbeschäftigte und unzufriedene alte Männer landen irgendwann in der AfD oder in Dresden. Was setzen wir dagegen? Längere, flexiblere Arbeitszeiten? Mehr Wahlfreiheit? Und wie bekommen wir das hin, ohne Arbeitnehmerrechte zurückzufahren?

3. Offensiver Pragmatismus in der Einwanderungspolitik

Die Bertelsmann Stiftung errechnet, dass im Jahr 2012 unterm Strich gut 22 Mrd. EURO netto durch Menschen mit Einwanderer-Biographie in die deutschen Sicherungssysteme flossen. Und die OECD kürt uns gleich zum beliebtesten Einwanderungsland nach den USA (und wer will da schon hin?). Gleichzeitig bejammern wir die armen zukünftigen Generationen (denen es, by the way, besser geht als allen Generationen zuvor)  die später für viel zu viele Alte zahlen müssen. Also her mit den jungen Einwanderern! Aber dann lasst uns das auch ordentlich organisieren. Im Augenblick kann nur problemlos nach Deutschland einwandern, wer ein Arbeitsplatzangebot nachweist, das ein Einkommen von mindestens 47.600 EURO im Jahr garantiert. Oder 3.966 EUR brutto. Das ist natürlich viel zu viel – auch für manche Fachkräfte. Zu viel ist es aber ganz besonders für die, die am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen. Und genau die brauchen wir, wenn wir schon selbst zu faul zum Fortpflanzen sind. Also: das macht alles keinen Sinn. Das kann weg.

2.  Arbeitnehmerrechte & Arbeitnehmerwünsche im 21. Jahrhundert

Wie organisiert man Arbeitnehmerrechte, wenn vieles nicht mehr so sein wird, wie es einmal war? Und wie nimmt man Arbeitnehmerwünsche auf, die vielleicht quer zur bisherigen Vorstellung und Programmatik liegen? Ein Beispiel: Eltern, zwei Kinder. Der konservative Klassiker wäre: Mann arbeitet, Frau bleibt zu Hause oder arbeitet später in Teilzeit. Die sozialdemokratische Wunschvariante wäre: Beide arbeiten Vollzeit, die Kinder wandern von Ganztagskita in Ganztagsschule auf Ganztagsuni in Ganztagsstelle, bekommen Kindern und diese….  Empfindet irgendjemand den einen oder den anderen Entwurf als den ultimativen Höhepunkt der menschlichen Entwicklung?

1. Ruhezeiten.

Wir erleben dramatische Umbrüche nicht mehr nur als Zukunftsszenarien, sondern zu Hause und am Arbeitsplatz – jeden Tag: demographisch (die Kinder ziehen aus, Oma und Opa ziehen ein), digital (Dauererreichbarkeit und Dauerberieselung) und zeitlich (immer mehr technische Hilfsmittel, aber immer weniger Zeit). Wie schützen wir uns und andere vor dem ewigen Hamsterrad? Und ist „Home-Office“ nur ein neues Wort für 24/7 Arbeitgeberhörigkeit und Selbstausbeutung?

Wenn die Antworten auf diese Fragen vorliegen, können wir andere spannende Themen diskutieren. Wie zum Beispiel die Zukunft von Benjamin Blümchen, internationale Freihandelsabkommen oder was man macht, wenn die Kehrwoche in die Urlaubszeit fällt.

Dieser Beitrag erscheint in der aktuellen Jubiläumsausgabe 1/2015 des Debattenmagazins BERLINER REPUBLIK.

 

Demokratie ist eine schützenswerte Minderheit

Nach PEGIDAs Ende (Teil 2)

Der Schrecken über die Unverfrorenheit und Unmenschlichkeit der PEGIDA-Bewegung sitzt vielen Menschen noch in den Gliedern. Aber die Frage, wie wir mit unserer Demokratie umgehen wollen, stellt sich grundsätzlicher – 70 Jahre nach Kriegsende und nur 26 Jahre nach Ende der letzten Diktatur auf deutschem Boden.

Irgendwann in den 1980er Jahren entstand ein vielfach bemühter und am Ende auch etwas überstrapazierter Slogan der Umweltbewegung: „Wir benehmen uns, als ob wir eine zweite Welt im Kofferraum hätten“. Heute ist es angebracht zu sagen: „Wir benehmen uns, als ob wir eine zweite Demokratie im Kofferraum hätten.“ Die Verachtung des Staates, von Politikern, Institutionen und Parteien ist bei weitem kein Phänomen der PEGIDA. Diese Verachtung zieht sich durch unsere Sprache und Debattenkultur – nicht nur im feigen Rückzugsraum anonymer Netzkommentare.

Vom „gut bürgerlichen“ Milieu bis zur linksautonomen Szene finden sich immer wieder grobe Vereinfachungen und Diffamierungen mit Verhetzungscharakter. Da geht es um „Die da oben“ (als ob die sich da selbst installiert hätten und nicht gewählt wurden), um „Die Politiker“ (sind die wirklich alle so schrecklich – und werden die nicht auch gewählt?) „Die Reichen“ (Wo beginnt das, wo hört das auf? Und warum nicht gleich: „Die reichen Juden“, woher der Vorwurf ja eigentlich mal kam?), „Die Parteien“ (diese bestehen zu 95% aus engagierten, unbezahlten Menschen) und natürlich um „Die Medien“. Einbezogen werden aber häufig auch staatliche Verfassungsorgane, Parlamente, Richter, Sicherheitsbehörden etc. Grundsätzlich sind „Die“ immer inkompetent, korrupt, verachtenswert, böse oder alles zusammen. Die Wütenden machen sich selbst gerne besonders klein („wir da unten“) oder besonders groß („die dummen und ungebildeten Politiker, Journalisten“ usw.)

Einer klaren Menschenverachtung wird in Foren noch häufig widersprochen, Staatsverachtung ist hingegen in vielen Kreisen gesellschaftsfähig. Staatsverachtung in einer Demokratie ist aber nicht weit entfernt von Demokratieverachtung. Denn der Staat ist ja nichts anderes als ein organisiertes Gemeinwesen – in Demokratien auf demokratischem Fundament, mit funktionierenden, sich gegenseitig kontrollierenden Organen, einer freien Presse und freien Bürgern, die sich nur einem fügen müssen: dem demokratischen Mehrheitsentscheid. Dies ist der ultimative Test für jeden mündigen Bürger. Und zwar vor allem dann, wenn demokratische Wahlen Mehrheiten ergeben, die einem persönlich nicht passen. Nach aktuellen Umfragen kommen die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD zusammen nah an die 70%. Addiert man Grüne und Linke hinzu, so erreichen die im Bundestag vertretenen Parteien rund 90% Zustimmung – und zwar bei allen Befragten, inklusive der Nichtwähler, die nach allen Erkenntnissen der Wahlforschung eben nicht automatisch zum Protestpotenzial gezählt werden dürfen. Seit der Bundestagswahl 2013 hat sich also so gut wie nichts verändert. Das kann man mögen oder nicht. Es ist so. Wer Demokratie wirklich innerlich respektiert, der muss damit klarkommen, dass er unter Umständen ein Leben lang wählen geht – und ein Leben lang bei den Verlierern ist. Ich weiß, wovon ich spreche, ich bin als Sozialdemokrat in Baden-Württemberg aufgewachsen.

Eine Demokratie muss aushalten, dass ihre Repräsentanten und ihre Institutionen kritisiert und kontrolliert werden – sie kann auf Dauer nicht aushalten, dass diese Kritik in einer Mischung aus Diffamierung, Verschwörungstheorien oder Sündenbockrhetorik zu einem Dauerbeschuss ausartet. Denn dieser Dauerbeschuss bleibt nicht ohne Folgen und findet am Ende dort einen Resonanzboden, wo man ihn am wenigsten haben möchte.

Deutschland ist heute eine stabile, weltweit respektierte und auch wehrhafte Demokratie. Eine Selbstverständlichkeit ist diese Staatsform deswegen aber noch lange nicht. Auf deutschem Boden sind Unfreiheit und Diktatur der historische Normalfall und Demokratie die Ausnahme. Dies sollte sich jeder auch bezüglich seines eigenen Verhaltens immer vor Augen führen. Die Demokratie ist eine schützenswerte Minderheit unter den Staatsformen der Deutschen.

Bedroht wird die Demokratie nicht nur von klassischen Anhängern des Totalitarismus, sondern auch durch Egozentrik und Hybris. 2013 gipfelte dies in einem Aufruf im SPIEGEL zum Wahlboykott, da der Gastautor von 34 wählbaren Parteien seine eigenen Vorstellungen nicht 1:1 zum Ankreuzen vorgesetzt bekam. Die bequeme Vorstellung eines Paschas, mit 5-Sterne-Service-Anspruch an die Demokratie. Aber natürlich auch eine Selbstüberhöhung und Verachtung gegenüber den 73% Wählerinnen und Wählern, die dann offenbar alle nur dummes Zeug wählten. Zu Ende gedacht, führt diese Haltung zu einem Stände- oder Klassenwahlrecht. Bürger mit meiner Meinung bekommen dann drei Stimmen, die anderen nur eine. Mit Demokratie hat das herzlich wenig zu tun, aber mit Elitendiktatur.

Der Grundsatz einer wahrhaften Demokratie beruht auf freien und gleichen Wahlen. Und „gleich“ bedeutet: eine Stimme für jeden und jede. Niemand kann ernsthaft behaupten, dass Wahlen in Deutschland nicht frei und gleich wären. Wer das Ergebnis von freien und gleichen Wahlen aber nicht respektiert, betrachtet sich selbst als Übermensch. Diese Grundeinstellung ist kein Exklusivrecht der PEGIDAs, sondern findet sich auch in anderen gesellschaftlichen Gruppierungen. Aus dieser Grundeinstellung nährt sich die größte Gefahr für unsere Demokratie: die Verachtung von Mehrheitsentscheiden.

Die politische Debatte – vor allem im Netz – aber auch in anderen Medien ist in den letzten Jahren schärfer und polemischer geworden. Skandalisierungen bringen Clicks und Auflage, Differenzierungen weniger. Beschädigt bleibt am Ende unser Gemeinwesen zurück. Besonders in Zeiten zunehmender Individualisierung ist es wichtig, immer wieder klar zu betonen, dass die Demokratie nie die Diktatur des einzelnen Willens sein kann, sondern nur die kollektive Vergabe von Macht auf Zeit. Halten wir aber nur noch unsere eigene Meinung für die einzig legitime, laufen wir Gefahr, immer mehr Staatsverächter heranzuziehen. Diese marschieren am Ende nicht nur durch Dresden, sondern begründen aus dieser Verachtung heraus Anschläge auf staatliche Institutionen, Polizisten, Richter, Politiker und andere. Weil der Staat der Feind ist oder Dinge nicht so regelt, wie man es gerne hätte, nimmt man das selbst in die Hand. So geschehen in Oklahoma (McVeigh), Oslo (Breivik) und auch in Deutschland (NSU).

Es ist Zeit, unsere Haltung gegenüber diesem Land und seiner demokratischen Gesellschaftsordnung zu überdenken. Hierzu gehört auch, zu betonen, dass die Gemeinschaft nie in der Lage sein wird, jedes individuelle Problem und jede Unzufriedenheit lösen zu können. Die Gemeinschaft kann nie Ersatz sein für Selbstbestimmtheit und Selbstverantwortung – auch nicht im persönlichen Scheitern. Sie kann nur Hilfe leisten und gute Rahmenbedingungen schaffen. Das macht Deutschland heute so gut, wie noch nie in seiner Geschichte – und dennoch nicht perfekt.

Dieses Land stetig zu verbessern, bleibt Auftrag für alle seine Bürgerinnen und Bürger – nicht nur für die Politiker. Hierzu gehört die Benennung von Problemen und Defiziten. Sonst gäbe es ja keinen Fortschritt. Aber die Anerkennung, dass Deutschland heute ein besseres Land ist als je zuvor, macht wesentlich bessere Laune, um am Ende Probleme auch lösen zu können. Diese Anerkennung ist auch eine Respektsbekundung für fast 70 bzw. 26 Jahre stabile Demokratie und die Generationen von Deutschen, die daran mitgewirkt haben. Eine ermutigende Erfolgsgeschichte.

Sorgen wir dafür, dass wieder mehr Menschen Freude an der Gestaltung der Zukunft bekommen. Konstruktiv und engagiert an einem besseren Land zu arbeiten – was kann eigentlich befriedigender sein? Wo auf der Welt gibt es bessere Voraussetzungen dafür? Und was kann ein besserer Gegenpol sein zu den destruktiven Griesgramen, die für ein paar Wochen ihre fruchtlosen, energiefressenden Bahnen durch Dresden zogen? Empört euch jetzt nicht nur über PEGIDA & Co. Engagiert euch für das demokratische Deutschland.

Dieser Text erscheint auch auf carta.info
Zu allen Blogbeiträgen: www.frank-stauss.de

 

Nach PEGIDAs Ende (Teil 1)

Nach dem Export-Flop und absehbarem Ende der PEGIDA ist es Zeit für eine erste Analyse, wie es gelang, die Bewegung zu besiegen.

150 Hanseln in Düsseldorf, 200 in Saarbrücken, 300 in Berlin, 150 in Hannover – nachdem es PEGIDA auch nach den Anschlägen von Paris nicht gelungen ist, über Sachsen hinaus zu strahlen, ist es an der Zeit, die Bewegung dorthin zurückzuschicken, woher sie gekommen ist: in den braunen Sumpf der sächsischen Landeshauptstadt. Dresden hat ganz offensichtlich ein Problem. Der Rest der Republik kann sich jetzt wieder Wichtigerem zuwenden und hoffen, dass die Dresdner dieses Problem lösen und unsere Gesellschaft nicht weiter mit ihrer verschleppten Geschichtsaufarbeitung belästigen. Deutschland ist wesentlich größer und wesentlich weiter als Dresden. Wenn die Stadt ihr mittlerweile internationales Schmuddel-Image wieder ablegen will, muss jedenfalls mehr passieren als eine Gegenkundgebung mit 35.000 Menschen am Samstag.

Wie gelang es nun, PEGIDA einzugrenzen und zu stoppen? Eines ist klar: jedenfalls nicht mit Verständnisheuchelei, Anbiederung und verschwurbelter Dialogbereitschaft. Unser heutiges Kommunikationsverhalten und Medienangebot hat schon seit Jahren zu einer immer weiter zunehmenden Zersplitterung des Konsums von Nachrichten geführt. Dies führt auch immer mehr dazu, dass sich zahlreiche Menschen völlig aus dem Nachrichtenzyklus ausklinken und ein harmloses Leben zwischen Soap-Opera, Sport und Showbiz-News verdaddeln – oder sich aber ihre Nachrichten selbst konfigurieren. Ich sehe nur noch, was ich sehen will und höre nur noch, was ich hören will. In den USA begann dies vor vielen Jahren mit der klaren Positionierung von Nachrichtenkanälen (Fox News für die Republikaner, MSNBC für die Demokraten) und setzt sich international fort bis zur Freakshow von Russia Today. Nun ist der Konsum von Medien nach politischer Präferenz keine Erfindung der Neuzeit (SPIEGEL vs. FOCUS; FAZ vs. SZ usw.), jedoch führt die Ausblendung aller anderen Kanäle durch viele Menschen zu einem gesellschaftlichen Kommunikationsvakuum. Der früher übliche Konsum einer Tageszeitung – und war sie auch noch so schlecht – sorgte trotz einer politischen Präferenz doch noch für Pluralität und Vielfalt. Irgendwann las man sich nach dem Sportteil doch noch bis zum Wirtschaftsteil oder gar dem Feuilleton durch. Und sei es auch nur aus Langeweile. Heute kann ich das völlig ausblenden und mich hierbei auch noch in entsprechenden Foren ständig bestätigen lassen.

Das Fazit für die Kommunikation heißt: Klare Kante. Ganz besonders angesichts gefährlicher Tendenzen. Dabei geht es nicht um 15.000 oder 25.000 Menschen in Dresden – es geht darum, alle Grenzgänger möglichst laut und deutlich zu erreichen. Also genau die, die sich in Hannover, Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Köln usw. am Ende entschieden haben, nicht für Hass und Ausgrenzung auf die Straße zu gehen. Verstanden hat dies als erster – und für einige Tage auch als einziger – Bundesjustizminister Heiko Maas. Er hat in der ganzen Debatte den klarsten, schärfsten und auch treffsichersten Ton angeschlagen. Ihm folgte die Kanzlerin mit ihrer Weihnachtsansprache und auch mit dem klaren Statement: „Der Islam gehört zu Deutschland“, für das bereits Altbundespräsident Wulff Respekt gezollt werden muss.

Deutschland brauchte Orientierung in diesen Tagen. Sie kam. Vom Bundespräsidenten, von der Bundeskanzlerin, von der Bundesregierung und der gesamten Opposition. Und das war wichtig. Ersten Irrlichtereien von de Maizière und manchem CSU-Wirrkopf folgten nach Paris unerwartet klare Aussagen vom Bundesinnenminister und auch vom CSU-Vorsitzenden.

Diese Klarheit auf vielen Kanälen erreichte durch ihre Massivität gerade die potentiellen Mitläufer – und um die ging es. Deutschlands Diktatoren der Vergangenheit waren ja nicht so erfolgreich, weil sie so brillant waren, sondern weil sich genug Mitläufer fanden. Doch Mitläufer laufen nur dann mit, wenn sie sich Erfolg davon versprechen. Was besonders bürgerliche potentielle Mitläufer abschreckt, ist, dass sie am Ende nicht nur bei den Verlierern enden, sondern auch noch beschmutzt und besudelt aus der Sache rauskommen (und am Ende die Führerbüste im Hinterhof verscharren müssen). Natürlich bedeutet dies nicht, dass das Gedankengut der PEGIDA damit verschwunden ist. Das ist es nicht und an manchen Stellen tut es nach wie vor Not, die Vorzüge einer offenen Gesellschaft klarer zu erläutern. Dies gilt gerade für die konservativen Parteien, die immer wieder rückfallgefährdet sind. Aber hinter die klaren Bekenntnisse ihrer Vorsitzenden kommen nun auch CDU und CSU nicht mehr zurück.

All dies führte am Ende dazu, dass PEGIDA aus Sachsen nicht herauskommt und wer Gleichgesinnte sucht, muss nach Dresden fahren. Das sind dann vielleicht mehr als beim letzten Mal – doch nur deshalb, weil es eben nur dort funktioniert. Wenn PEGIDA also in Dresden 20.000 oder von mir aus auch eines Tages 30.000 Menschen auf die Straße bringt, muss man sagen: Mit 30.000 Irren kann ein 80-Millionen-Volk schon klarkommen.

Deutschland hat sich in diesen Tagen als stabile und wehrhafte Demokratie erwiesen. Besonders starke Signale kamen dabei aus München. Die Stadt kann stolz darauf sein, die Demonstrationen gegen PEGIDA mit der ersten Großkundgebung angeführt zu haben.

Dresden kann auf gar nichts mehr stolz sein. Dresden muss sich jetzt besinnen. Etwas läuft dramatisch falsch in dieser Stadt und bei ihren Bewohnern. Am Ende dieser Besinnung darf nur eines nicht stehen: die so lieb gewonnene Opferrolle. Die hat Dresden endgültig verspielt. Dresden ist nicht Opfer, sondern gleichzeitig Endstation und Hauptstadt der Bewegung. Einer schrecklichen Bewegung.

Teil 2: Nach PEGIDAs Ende: Wie wollen wir mit unserer Demokratie in Zukunft umgehen? Am 15.1. auf carta.info und frank-stauss.de

Wutbürger der Aufklärung

Ich muss nicht Verständnis aufbringen für die Sorgen und Ängste von Menschen, die offenbar zu kalt und gefühlsverarmt sind, um zu erkennen, welche Ängste ihre instinktlosen Demonstrationen bei Flüchtlingen und Einwanderern auslösen.

Ich muss nicht verstehen, warum 25 Jahre nach dem Mauerfall – in nahezu ausländerfreien Zonen –  Menschen gegen Ausländer auf die Straße gehen, nur weil sie nach über zwei Jahrzehnten nicht kapiert haben, womit Deutschland sein Geld und seinen Wohlstand verdient: mit Internationalität.

Ich muss nicht ertragen, dass eine Demonstrantin in Dresden in die Kamera spricht: „Wir sind nicht ’89 auf die Straße gegangen, damit die jetzt alle kommen“ während sie so aussah, als sei sie ’89 nur auf die Straße gegangen, um bei ihrem Führungsoffizier die zu verpfeifen, die wirklich gingen. Diese Demonstrationen „Montagsdemonstrationen“ zu nennen, ist eine weitere Instinktlosigkeit gegenüber denjenigen, die ’89 für Freiheit und offene Grenzen auf die Straße gingen.

Ich muss nicht akzeptieren, dass Menschen, die seit Jahrzehnten direkt und indirekt Transferleistungen in bisher ungekannten Höhen entgegengenommen haben, nun nicht einmal Flüchtlingskindern ein Dach über dem Kopf gönnen.

Ich muss nicht wie CSU und manche in der CDU die Fehler vor allem dieser beiden Parteien aus den 60er bis 90er Jahren wiederholen und diesen eiskalten Demonstranten auch noch verbale Zückerchen zuwerfen – von AfD und der anderen braunen Brut ganz zu schweigen.

Ich muss nicht christlich sein zu Menschen, die angeblich die christliche Tradition verteidigen, um dann ausgerechnet zur Weihnachtszeit Hass und Ausgrenzung zu predigen.

Ich muss nicht nach Ursachen suchen, um den niedersten Instinkt, zu dem die menschliche Rasse fähig ist, zu erkennen: Das Treten nach unten und das Abwälzen persönlicher Probleme und Unfähigkeiten auf willkürlich ausgewählte Sündenböcke.

Ich muss nicht ertragen, dass Menschen, die seit Jahren den Hintern nicht bewegt bekommen, ausgerechnet dann aktiv werden, wenn es gegen Minderheiten geht.

Ich muss nicht daran erinnern, dass die deutschen sozialen Sicherungssysteme im Jahr 2012 über 22 Milliarden EUR netto durch Einwanderer und deren Nachfahren eingenommen haben – und dass diese Gelder am Ende dem Pöbel von Dresden auch noch die Rente zahlen werden.

Ich muss nicht diplomatisch sein, sondern so, wie noch viel mehr Menschen in Deutschland sein sollten, offensiv:

Braune Brut von Dresden: Ihr seid die Schande Deutschlands.
Unbarmherzig, hasserfüllt, menschenfeindlich und aus ganzem Herzen verachtenswert.