Folgen Sie mir auf eine persönliche Erfahrungsreise von Montevideo über das Königreich Spanien, Berliner Hinterhöfe, die Windy City am Lake Michigan bis hin zum Mordor der Homo-Ehe: Saarbrücken.
Als mein Mann und ich vor jetzt auch schon wieder zwei Jahren im Souterrain der Botschaft des Königreichs Spanien am Berliner Tiergarten saßen, ahnten wir nicht, dass wir diesen Ort in nur wenigen Minuten peinlich berührt und bis auf die Knochen blamiert wieder verlassen würden. Im Fußballerjargon würde man sagen: Wir wurden deklassiert. Denn als wir dem zuständigen Konsul zur Beurkundung eines Vertrages unsere Lebenspartnerschaftsurkunde aushändigten, verstieg ich Trottel mich zu dem Kommentar: „Wir sind ja quasi verheiratet, aber bei uns heißt das Lebenspartnerschaft. Aber wir würden gerne gemeinsam beurkunden, ich hoffe, das geht bei Ihnen in Spanien.“ Der Konsul hatte kurz zuvor den Raum betreten und Aufgrund seines sehr konservativen Äußeren, des dunklen Anzuges, der gegelten Haare, der Siegel, Orden, Ringe, Bänder um und an ihm und vermutlich auch des Königs an der Wand hinter ihm, war ich so hin und hergerissen gewesen, dass ich nicht wusste, ob ich zur Begrüßung salutieren, niederknieen oder drei Ave Maria beten sollte. Also hatte ich mich nur halb erhoben und war nach seiner abwehrenden Haltung wieder zurück auf die Sünderbank geplumpst. Dieser Bilderbuch-Diplomat blickte mich nun also milde lächelnd an und sagte: „Herr Stauss, ich weiß natürlich was das ist. Natürlich wird ihre Lebenspartnerschaft bei uns anerkannt. In Spanien heißt das Ehe und ist auch eine Ehe. Wir sind da, wenn Sie erlauben, etwas weiter als Ihr Land.“
Nach Beurkundung kroch ich beschämt durch die Sicherheitsschleuse, zurück aus dem Hoheitsgebiet dieses freien Landes in mein dunkles Deutschland. Als Werber dachte ich noch an einen Slogan: „Gay Marriage. Proudly presented by the homeland of the Spanish Inquistion.“
Die waren also schon weiter. Na gut. Wenig später las ich von der Einführung der Homoehe in Uruguay und kaufte mir einen Atlas. 71 von 92 Abgeordneten hatten dort im April 2013 für die Einführung der Homoehe gestimmt und waren damit gleichgezogen mit dem Nachbarland Argentinien. Argentinien? 71 von 92? Und nun auch noch Irland. IRLAND?
Jetzt bin ich wieder in Deutschland angelangt und höre die Ministerpräsidentin eines Bundeslandes in Bezug auf die Homoehe zu Protokoll geben: „Wenn wir diese Definition öffnen in eine auf Dauer angelegte Verantwortungspartnerschaft zweier erwachsener Menschen, sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen.“ Homoehe = Inzest = Polygamie.
Das war es, denke ich auch, was die Mehrheit der Iren, die Abgeordneten in Uruguay, Spanien und vieler anderer Ländern angetrieben hat: Sie wollten einfach, dass enge Verwandte sich über ihre enge Verwandtschaft hinaus ehelichen können und am besten nicht nur der Bruder die Schwester, sondern der Bruder gleich zwei – ach was – alle drei Schwestern! Das hatte der Ire doch im Sinn!
Wenn man das Trauerspiel schon ein Weilchen mitmacht, härtet man naturgemäß etwas ab. Da kann man auch mit der Analyse einer durchgeknallten Ratgeberin im Westfalen-Blatt leben, die einem Vater rät, seine Kinder von der Hochzeit seines eigenen Bruders fern zu halten. „Sagen Sie Ihrem Bruder, dass Ihre Kinder an der Feier nicht teilnehmen, weil Sie nicht möchten, dass die Kinder verwirrt werden“. Das hätten wir auch berücksichtigen sollen. Als meine Schwester und mein Schwager die damals 9 und 11-jährigen Kinder mit zu unserer Hochzeit brachten, musste man davon ausgehen, dass sie nachhaltig davon verwirrt würden. Heute leben beide ihre Heterosexualität offen aus und wir können nichts mehr dagegen tun.
Man nimmt, wie gesagt, so einiges mit. Am liebsten ist mir immer noch die „Vorbildsvariante“. Also die These: wenn die Kinder sehen, dass Schwule und Lesben einfach so gut zusammenleben können, dann werden alle schwul und lesbisch. Ja sicher, das macht ja Sinn. Und bedeutet im Umkehrschluss? Dass die, die heute schon schwul und lesbisch sind, sich eines Tages dazu entschlossen haben, weil es so super ist, zu einer Minderheit zu gehören? Weil es schon immer Spaß machte, sich das saudumme Gequatsche vom Nachbartisch oder aus der Staatskanzlei des Saarlandes oder direkt von der Kanzlerin in einer TV-Debatte anzuhören?
Gefolgt von der „Vorbildsvariante“ kommt auf Platz zwei die „Toleranzvariante“. Diese lautet: „Die können doch machen was sie wollen, so lange sie es nicht nach außen tragen. Was im Schlafzimmer passiert geht schließlich keinen was an.“ Die Ehe dieser Leute spielt sich also nur im Schlafzimmer ab. Kein Kuß auf dem Bahnsteig, kein gemeinsames Abendessen bei Kerzenschein beim Italiener, kein gemeinsamer Besuch bei Freunden, kein Tasten nach der Hand des Partners im Kino, keine Reisen, keine Sorge um den Partner, wenn es ihm nicht gut geht, keine gemeinsamen Kinder, keine gemeinsame Wohnung – nur ständiger, heißer, animalischer Sex. Ehe und Partnerschaft so eng auf das Schlafzimmer zu reduzieren, wird vielen von uns Schwulen den Neid ins Gesicht treiben. Aber gut, wir sind ja tolerant. Und offenbar auch noch hoffnungslos romantisch.
Den Spaß verlieren kann man natürlich beim Thema Kinder. Besagte Ministerpräsidentin kommt zu dem Schluss „Seit Jahren heißt es, dass für die Entwicklung von Kindern Vater und Mutter die beste Konstellation ist.“ Tja. Kann sein. Und? Heißt das, dass alle anderen Varianten ins Unheil führen? Was bedeutet das für Alleinerziehende? Eine Zwangsehe? Werden im Saarland bald alleinerziehende Mütter und alleinerziehende Väter willkürlich verehelicht? Seit Jahren werben übrigens viele Bundesländer sogar in Plakatkampagnen um schwule Pflegeeltern. In Deutschland werden im Jahr etwa 40.000 Kinder von den Jugendämtern aus ihren Familien geholt. Wir können einmal davon ausgehen: diese Familien bestehen aus Vater und Mutter. Scheint ja nicht so doll zu laufen in diesen konkreten Fällen. Aber wohl nach Ansicht der Ministerpräsidentin immer noch besser, als wenn zwei Männer oder zwei Frauen sich um die verwahrlosten Kinder kümmern würden.
Wir haben in unserem Freundeskreis drei schwule Paare mit Kindern und selbst eine Pflegepatenschaft für zwei Kinder. Soweit ich das beurteilen kann, fühlen sich alle Beteiligten sehr, sehr wohl. Unsere Freunde aus Amerika durften natürlich voll adoptieren. Das Paar in Chicago hat ein mittlerweile 12-Jähriges Mädchen noch als Baby adoptiert. Die Mutter, die ihr Kind aus gesundheitlichen Gründen zur Adoption frei gab, hat meine Freunde aus dem Angebot mehrerer Adoptionswilliger mit den Worten ausgesucht: „Die beiden freuen sich bestimmt am meisten über meine Tochter.“ Ob sich andere nicht genauso gefreut hätten, möchte ich gar nicht beurteilen, aber auf jeden Fall hat die Kleine es sehr, sehr gut getroffen. Und hier kommt das nächste Argument ins Spiel: der Doppelte Vorurteilsrittberger mit Rückwärtssalto: „Ja, jetzt geht es den Kindern noch gut. Aber wenn sie in die Schule kommen, dann werden sie gemobbt, weil sie zwei Männer als Vater haben.“ Nun, in der Schule werden viele gemobbt. Und Schuld sind dann also die Eltern der Mobbingopfer. Weil sie ihr rothaariges Kind in die Schule lassen, oder ihr kleines Mathegenie, oder das schwarze Mädchen. Oder sind nicht eher die Eltern der Mobber dafür verantwortlich, dass ihre Kinder andere Mobben? Mit den Vorurteilen, die sie zu Hause vorserviert bekommen? Von besagten Kindern unserer schwulen Freunde sind jetzt schon einige in der Schule und alles läuft völlig normal. Wie so oft handelt es sich also auch hier um das eigene Vorurteil, aus dem man dann ein abstraktes „Kindeswohl“ macht. Ebenso perfide wie durchschaubar und eines einigermaßen gebildeten Menschen unwürdig.
Auch in unserer Reihenhaussiedlung ist nun bekannt, dass unsere Jungs seit drei Jahren regelmäßig bei uns sind. Mit dem Effekt, dass die Nachbarn nun auch ihre Kinder bei uns zwischenparken, um mal in Ruhe einkaufen zu können. Oder einfach nur, um in Ruhe Ruhe zu haben. Als mein Mann und ich vor kurzem vor die Türe traten fragte ein neues Nachbarkind: „Wohnt ihr beiden denn zusammen in dem Haus?“. Bevor wir antworten konnten rief eine Fünfjährige: „Das sind doch Daniel und Frank. Die sind doch verheiratet.“ Es könnte so einfach sein.